Lörrach Schlüsselmomente

Juliane Rupp
Juliane Rupp Foto: zVg

Juliane Rupp, Pfarrerin der Friedens- und Salzertgemeinde Lörrach, schreibt „Mein Wort zu Ostern“.

Lörrach - Nach monatelanger intensiver Vorbereitungszeit ist es soweit: Als ganzes Orchester sind wir nach Italien gereist, um an einem internationalen Wertungsspiel teilzunehmen. Nun steht unser Auftritt kurz bevor. Die Nervosität steigt. Wird alles so klappen, wie wir es einstudiert haben? Auch die Solostellen? Wir machen uns gegenseitig Mut. Noch ein paar Einspielübungen und ein letzter Blick in die Notenmappe. Moment – da stimmt doch was nicht. Ach du Schreck! Eine Seite fehlt. Die tragende Stimme vom ersten Kornett ist unvollständig.

Bestimmt können Sie auch von solchen Schreckmomenten erzählen. Neben der Orchestererfahrung hatte ich vor drei Wochen außerdem noch eine „Schlüsselerfahrung“. In Gedanken verloren, ziehe ich die Haustüre zu und im gleichen Moment merke ich, irgendetwas stimmt nicht. Doch es ist zu spät. Der Schlüssel fehlt. Er steckt – aber leider von innen.

Neben solchen zwar aufregenden, aber relativ harmlosen Schreckmomenten gibt es natürlich auch existenziellere Erfahrungen. Wie die von Maria Magdalena. Mit verweinten Augen kommt sie früh am Morgen zum Grab. Sie steht immer noch unter Schock. Ihr Freund und Lehrmeister ist tot. Der, durch den ihr Leben eine positive Wendung genommen hat. Der, der ihr wieder Hoffnung gegeben hat. Jetzt ist alle Hoffnung begraben. So nähert sie sich dem Grab. Aber irgendetwas stimmt da nicht. Der Grabstein ist weggerollt. Ein Blick ins Grab. Ach du Schreck! Der Leichnam fehlt. Maria ist verzweifelt. Was haben sie mit ihrem Herrn gemacht?

Da wird sie angesprochen: „Wen suchst du? Warum weinst du?“ „Der Gärtner!“, denkt Maria. Mit verweinten Augen schaut sie ihn an. „Sag, hast du ihn weggetragen?“. Da hört sie ihren Namen: „Maria“. Jetzt erst erkennt sie ihn: „Mein Meister!“ Mitten in der Verzweiflung erlebt Maria ihren persönlichen Schlüsselmoment. Eine vertraute Stimme spricht sie mit ihrem Namen an und ruft sie aus der Verzweiflung heraus. Es ist nur eine kurze Begegnung. Auch nach dieser Begegnung wird es nicht wieder sein wie vorher. Aber Maria schöpft wieder Hoffnung. Sie ist immer noch geliebt. Sie wird immer noch gebraucht. Das Leben triumphiert über den Tod.

Schlüsselmomente ereignen sich manchmal gerade in Krisensituationen. Da, wo Sicherheiten ins Wanken geraten. Da, wo ich merke, dass vieles doch nicht selbstverständlich ist. Dass ich nicht alles unter Kontrolle habe. Dass das Leben zerbrechlich ist. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in solchen Momenten die Stimme hören, die Sie bei Ihrem Namen nennt und sagt: Juliane, ich sehe dich. Ich sehe deine Verzweiflung. Ich bin da. Du bist geliebt. Du wirst gebraucht. Es geht weiter.

Das Orchester konnte übrigens in voller Besetzung auftreten. Denn einer hat sich nicht unterkriegen lassen. Er ist gerannt – bis zum Hotel und zurück. Das fehlende Notenblatt wurde rechtzeitig gefunden. Auch meine Wohnung konnte ich nach einigen Stunden wieder betreten – rechtzeitig, bevor der nächste wichtige Termin anstand. Wie ich das geschafft habe, verrate ich aber nicht.

Ich wünsche Ihnen frohe und gesegnete Ostertage!

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