Lörrach Sechs Minuten lang alles erlaubt

SB-Import-Eidos
Wortgewandt: Burghof Slam Sieger Jonas Balmer Foto: Toni Kostic

Kultur: Poetischer Burghof Slam

Lörrach. „Stell dir mal vor“, trug Jonas Balmer vor, „es stehen immer zwei Miniaturelefanten dort, wo du nicht gerade hinschaust“. Allein logistisch eine enorme Herausforderung. In der rechten Hand hielt der junge Slam-Poet aus Basel seinen Text, der sich mit der menschlichen Vorstellungskraft beschäftigt, und mit der linken setzte er ihn begleitend gedankliche Punkte in die Luft. Sechs Minuten über trug er so Realistisches, Unrealistisches und Surrealistisches in die Fantasie des Publikums ein.

Im ersten Burghof Slam nach der Sommerpause trafen sich am vergangenen Sonntag wieder fünf junge Poeten aus der Schweiz und Deutschland mit ihren selbstgeschriebenen Texten zum literarischen Wettstreit. In der Regel läuft ein Poetry Slam so ab, dass mehrere Lyriker gegeneinander antreten und das Publikum über den Applaus in zwei oder drei Runden seinen Sieger kürt. So auch an diesem Abend. Erlaubt ist, die eigenen Texte innerhalb von sechs Minuten ohne Verkleidung und Requisiten vorzutragen. Dabei treffen Reime auf Nichtgereimtes und Prosa auf Storytelling, während Aktuelles aufgeworfen, Vergangenes hochgeholt, womöglich Zeitloses geschaffen wird.

Einen Liebesbeweis an das Sprachenlernen brachte Valo Christiansen aus Bochum mit. Sie erörterte unter anderem, wie sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten die Wahrnehmung schärfen und bereichern. Und wie wir über die Sprache Verbindung zu anderen Menschen aufbauen Aus Zürich angereist war Lukas Becker: Bildgewaltig rekonstruierte er die Lebensgeschichte eines 15-jährigen Geflüchteten, der Leim inhaliert, um erneut zu fliehen.

Nachdem sie das Publikum mit ihrem Text „Ungepflegt“ überzeugte, in dem sie ihre Ausbildung als Pflegefachkraft reflektiert und die Umstände und das medizinische System gleich mit behandelt, zog neben Balmer und Becker auch die aus Marburg angereiste Leah Weigand in das Finale ein. In ihrem Finaltext „Oldtimer“ erzählt Weigand von ihrem Großvater, der in seinen Taschen „ein Taschenmesser, einen Kamm, vier weiche Maoam und eine Mundharmonika“ hatte. Neben Erinnerungen an die gemeinsame Zeit lenkt die Poetin den Blick auch auf ältere Menschen insgesamt, die Zeugen von vergangenen Zeiten, die diese in ihren Erinnerungen aktualisierend mit sich führen.

Für eine „progressive Sprachpraxis“ warb Jonas Balmer in seinem Finalbeitrag. Das bevorzugte Mittel seiner Wahl sind Wortspiele – mit diesen lasse sich Sprache „liebevoll verwirren“, referiert er. Auch weil Sprache von Tag zu Tag mehr ein Schlachtfeld von persönlich verletzender und autoritär erzwungener Kommunikationspraxis werde. Mit Wortspielen dringe in den starren Bedeutungszusammenhang ein wenig in die Irre führender Humor. Mit seinem Text schafft es der Poet schließlich auch die Zuhörer zu überzeugen und setzt sich im „Zwei-Sekunden-Powerapplaus“ durch.

Als Moderator des Abends führte Johannes Elster eloquent und unterhaltsam durch den Slam.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading