Lörrach Seelische Tiefen klangvoll ausgelotet

Tonio Paßlick
Der Motettenchor bewies ein Höchstmaß an Konzentration und fein nuancierte Ausdruckskraft. Foto: Tonio Paßlick

Goldener Herbst: Motettenchor mit dem neuen Dirigenten Joss Reinicke in der St. Fridolinskirche

Von Tonio Paßlick

Lörrach. „Jeder Dämmerung wohnt ein Leuchten inne“. Mit diesem Satz führte der Motettenchor Lörrach in sein zweites Konzert mit dem neuen Dirigenten Joss Reinicke in der St. Fridolinskirche in Stetten ein. Nach dem verheißungsvollen Auftakt im Mai strömte das Publikum am Sonntag erwartungsvoll in die trotz einiger Parallel-Veranstaltungen bis auf den letzten Platz gefüllte Kirche. Und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil.

Die Handschrift des jungen Dirigenten setzte der Chor mit frappierender Intensität um: seelische Tiefen in subtilen, bezaubernd schlichten Klängen auszuloten und die unterschiedlichen Farben der textlichen Gemütsbeschreibungen in zarten und zugleich dynamischen Wellen zu gestalten.

Dafür hatte Joss Reinicke auch ein anspruchsvolles Programm ausgewählt, das ein Höchstmaß an Konzentration und differenzierter Vorstellungs- und fein nuancierender Ausdruckskraft erforderte. Und mit Lena Geiger eine hochveranlagte Sopranistin und mit Anne Sophie van Riel (Viola) und Julian Beutmiller (Orgel) zwei junge Instrumental-Solisten eingeladen, die über stupende technische Ressourcen verfügten, um einen berückend schlichten Klang mit zuweilen komplexen harmonischen Wendungen zu formen.

„Hör mein Bitten“

Das einführende Anthem „Hör mein Bitten“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy galt besonders in der viktorianischen Zeit als eine von Mendelssohns bekanntesten geistlichen Kompositionen. Der Chor übernahm in einem Dialog mit der Sopranistin keine begleitende, sondern eine agierende Rolle. Mal lieferte er einen harmonischen Klangteppich, mal griff er unmittelbar die solistische Aussage auf. Gleich zu Beginn ergreifend die wunderbaren Spannungsbögen, die wechselnden Wellen dialogischer Klangführungen und die anrührend schlichte Stimmgebung von Lena Geiger: wie ein gemeinsamer Atem von Chor und Solo-Stimme.

Die „Missa sacra op 147“ offenbarte die Spannungen, von denen Robert Schumanns Leben im Zeitalter der Romantik, des Sturm und Drangs geprägt war. Gut geeignet, um auch die zwiespältigen Empfindungen von Vergänglichkeit und Hoffnung auf friedvolles Schicksal nachzuempfinden. Das Kyrie beginnt sphärisch, am Ende ein geläutertes Agnus Dei: Chor, Sopran und Orgel entfalteten eine ungewöhnliche und faszinierende klangliche Farbenpracht mit berührenden Piano-Stellen. Das Sanctus geriet zur schlichten Andacht für die empfindsame Seele. Bei aller vordergründigen Klarheit konnte der Organist dabei die komplexen Verschränkungen und manchmal aus dem Takt schreitenden rhythmischen Akzente souverän bewusst machen.

Hindemiths „Trauermusik“

Ähnlich intensiv gelang dies bei Paul Hindemiths „Trauermusik“. Anne Sophie van Riel „sang“ ihre Viola so anrührend auf der Empore, dass Chor und Empore zu einem klanglichen Raum verschmolzen.

Die Stimmung war bereitet für den atmosphärischen Höhepunkt des Konzertes. Das titelgebende „Lux Aeterna“ des lettischen Komponisten Eriks Ešenvalds war tatsächlich wie angekündigt „ein Juwel“. Die für baltische Komponisten typische Auflösung von Quinten und reibenden Harmonien in harmonische Entspannung und „leuchtende Emotionen“ ist geeignet, jede Melancholie aufzuhellen. Vor allem in der wunderbaren Leichtigkeit, mit der sie der Motettenchor interpretierte.

Raffiniert die Umklammerung von Puccinis „Aeternam“ durch zwei Sätze aus der Suite Nr 2 in d-moll von Johann Sebastian Bach.

Schließlich das „Geistliche Lied op 30“ für Chor und Orgel: Melancholie und Hoffnung, unter dem Eindruck von Studien an Palestrinas altem Kompositionsstil: Brahms hat sein Geistliches Lied, nur etwa sechs Minuten lang, selbst so geschätzt, dass er ihm eine eigene Opuszahl gab. Wieder ebbten die Klänge in zartester Stimmführung aus, wieder war die Orgel Hülle und Inspiration zugleich.

Nach langem Beifall verabschiedete sich der Chor mit dem „Herbstlied“ von Mendelssohn-Bartholdy.

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