^ Lörrach: Sehnsucht nach Merkmalen kollektiver Identität - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörrach Sehnsucht nach Merkmalen kollektiver Identität

Die Oberbadische
Die Deutschen haben von jeher ein inniges Verhältnis zum Wald. Auch in Lörrach wird der Wald von den Bürgern sehr geschätzt. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Vortrag: Ex-Hebel-Gymnasiast Johannes Zechner referiert über „Die Deutschen und der Wald“

Lörrach. „Die Deutschen und der Wald“: Zu diesem Thema hat kürzlich das Hebel-Gymnasium im Rahmen der Vortragsreihe „Cum tempore“ seinen ehemaligen Schüler Dr. Johannes Zechner in die Aula des „TonArt“ eingeladen. Auch in Lörrach mit seinem großen Waldbestand ist der Stadtwald immer wieder ein öffentlich diskutiertes Thema.

In seinem Vortrag zur ideengeschichtlichen Bedeutung des „deutschen Waldes“ schlug der Historiker einen weiten Bogen von der Romantik um das Jahr 1800 über den Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 sowie die Entwicklung in der Nachkriegszeit bis heute.

Das politische Bewusstsein der romantischen Dichter und Denker wie Ludwig Tieck, Joseph von Eichendorff sowie der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm war bestimmt von den Nachwirkungen der Französischen Revolution 1789, dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 und den Kriegen gegen Frankreich 1813 bis 1815. Das im Wald gesehene Ideal natürlicher Harmonie stand dabei gegen die Realität religiöser, sozialer und territorialer Spaltungen.

Gemeinsam war den städtischen Intellektuellen die Sehnsucht nach Merkmalen kollektiver Identität sowie die Abgrenzung gegenüber Frankreich. Die „deutsche Eiche“ und der „deutsche Wald“ boten willkommene und vieldeutige Sinnbilder, um ungeachtet historischer Erschütterungen eine althergebrachte Beständigkeit des Volkes zu behaupten. Damit können die Kriege gegen Napoleon als Geburtsstunde des deutschen Waldnationalismus gelten, heißt es in einer Mitteilung.

In den Jahren der NS-Herrschaft von 1933 bis 1945 erreichte die politische Inanspruchnahme der Baumnatur ihren Kulminationspunkt, als dieses Denkmuster unter anderem die Besatzungs- und Vernichtungspolitik rechtfertigen sollte. Dabei wurde der „deutsche Wald“ zur Projektionsfläche für eine Vielzahl modernitätskritischer, nationalistischer, rassistischer und biologistischer Denkmuster: Gegenbild zu Fortschritt und Großstadt, deutscher Ursprung und deutsche Heimat, germanisches Heiligtum und rassischer Kraftquell, Vorbild sozialer Ordnung und Erzieher zur Gemeinschaft.

Die beiden wichtigsten Propagandisten der nationalsozialistischen Waldanschauung waren der Reichsforstmeister und Reichsjägermeister Hermann Göring sowie der Chefredakteur der Parteizeitung „Völkischer Beobachter“ Alfred Rosenberg.

Nach 1945 half der Wald als vermeintlich unpolitisch-romantisches Idyll, nach dem Schock von Kriegsniederlage und staatlicher Teilung eine Zuflucht im Schatten deutscher Bäume zu finden. Weil in den ersten Nachkriegsjahrzehnten Vergangenheitsbewältigung nahezu ausblieb, konnten einzelne weniger belastete weltanschauliche Muster ungeachtet des politischen Systemwechsels gesellschaftlich weiterwirken.

Noch die bundesrepublikanischen Veröffentlichungen zum „Waldsterben“ in den 1980er Jahren bezogen sich sehr stark auf die romantischen Waldbilder von Gedichten, Märchen und Malerei. Der Begriff „Waldsterben“ wurde in den Nachbarländern eher ungläubig aufgenommen, trotzdem wurde dieser Ausdruck sowohl in die englische als auch in die französische Sprache übernommen.

In der abschließenden Fragerunde wurden die genannten Themenbereiche zwischen Referent und Zuhörern weiter vertieft.

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