Lörrach Steine für die Ewigkeit

Die Oberbadische

Neuer jüdischer Friedhof in Lörrach: Einblicke in Bräuche, Sitten und in ein tragisches Familienschicksal

Der diesjährige Europäische  Tag der jüdischen Kultur findet morgen unter dem Motto „Brücken“ statt. Auf der Suche nach den Spuren der jüdischen Kultur in Lörrach haben wir uns  auf den jüdischen Friedhof begeben, den Landesrabbiner  Moshe Flomenmann zum Gespräch gebeten und in der Innenstadt  nach  weiteren jüdischen Kulturgütern Ausschau gehalten.

Händewaschen, Kippatragen, Steinelegen – Die Bräuche und Rituale, die auf jüdischen Friedhöfen gepflegt werden, unterscheiden sich vollkommen von christlichen Grabstätten. Stadtführerin Gertrud Herbster gibt bei einem Rundgang über den jüdischen Friedhof in Lörrach, Einblick in den Totenkult des Judaismus.

„Ein Teil der jüdischen Friedhofskultur zeigt sich darin, dass fast keine Blumen oder Kränze auf den Gräbern zu finden sind“, sagt Herbster und ergänzt: „Zur Verehrung der Toten legen die Besucher stattdessen kleine Steine auf die Gräber.“ So zeigen sich die einzelnen Totenstätten kahl und grau. „Früher konnten sich viele Menschen keine Blumen leisten. Der Friedhof ist kein Wettbewerbsort, an dem Menschen finanziell gegeneinander konkurrieren. Zudem sind Blumen vergänglich, das Grab ist jedoch für die Ewigkeit gemacht“, nennt der Badische Landesrabbiner, Moshe Flomenmann, als Grund für dieses Ritual. „Beit olam“, „Haus der Ewigkeit“, lautet unter anderem der Begriff mit dem die jüdische Kultur den Friedhof bezeichnet. Daher sei eine Umbettung oder zeitliche Beschränkung der Ruhezeit undenkbar, wie die Stadtführerin erklärt. „Die Grabstätte gilt als unverletzlich. Es darf keine Veränderung am Leichnam vorgenommen werden. Auch Exhumierungen als Beweismittel in Streitfällen sind nicht gestattet“, erzählt Herbster.

Der neue jüdische Friedhof wurde im Jahre 1891 angelegt und umfasst etwa 2000 Quadratmeter. „Im Gegensatz zum alten Judenfriedhof am Fuße des Schädelbergs, der im Jahr 1935/36 von den Nazis schwer beschädigt wurde, blieb der neue jüdische Friedhof an der Brombacher Straße von einer Zerstörung verschont“, schildert die Stadtführerin. Die ältesten Grabsteine stammen aus dem Jahr 1895. Urnengräber findet man auf dem Friedhof jedoch keine, weil Feuerbestattungen im Judentum unüblich seien.

Ein weiteres Ritual ist es sich vor dem Verlassen des Friedhofs am Brunnen die linke und die rechte Hand je drei Mal zu waschen, um sich „von der geistigen Unreinheit durch den Besuch bei den Toten zu befreien“, erzählt Flomenmann. Weiter ist der Besuch der israeltischen Begräbnisstätten am Sabbat nicht gestattet.

„Männer müssen darauf achten beim Betretten des Friedhofs eine Kippa – eine kleine kreisförmige Kopfbedeckung aus Stoff oder Leder – zu tragen“, sagt Herbster. Ebenso ist es Tradition, die Beerdigten so auszulegen, dass ihre Füße in Richtung Jerusalem und der aufgehenden Sonne zeigen: „Deswegen sind die Gräber hier alle gen Osten ausgelegt“, erklärt die Stadtführerin.

Der Friedhof erzählt viele tragische Schicksale, wie beispielhaft jenes der Familie Grunkin: Die in Lörrach lebenden Geschwister Marie und Josef wurden im Jahr 1940 zusammen mit ihrer Mutter in das französische Internierungslager Gurs transportiert. Aus dem Elend des Lagers schrieben die Geschwister viele Briefe an ihre in der Schweiz verheiratete Schwester Rosa, schilderten ihre Not und baten um Hilfe, vor allem für die alte Mutter. Es gelang dann auch, die Mutter im Frühjahr 1941 in die Schweiz zu holen, doch alle Gesuche an die Eidgenössische Fremdenpolizei, auch für die Geschwister eine Einreisebewilligung zu erhalten, wurden abgelehnt. Schließlich wurden die beiden in die Konzentrationslager Auschwitz und Buchenwald deportiert, in denen sie ermordet wurden. Erst nach dem Tod von Rosa im Jahr 2012, wurden Mutter und Geschwister auf dem jüdischen Friedhof in Lörrach, zwar nicht physisch, jedoch geistig wieder vereint.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading