Lörrach Eine Stimme der Verstummten

Adrian Steineck
Zwei Schülerinnen überreichen Margot Wicki-Schwarzschild einen Blumenstrauß. Foto: Adrian Steineck

Zeitzeugin: Holocaust-Überlebende erzählt Schülern ihre Geschichte

Lörrach - Mit Margot Wicki-Schwarzschild war am Dienstagvormittag eine Zeitzeugin des Holocaust, der organisierten Ermordung von sechs Millionen Juden während der Zeit des Nationalsozialismus, in die Aula des TonArt auf dem Campus Rosenfels gekommen. Was die 88-Jährige den Schülern berichtete, sorgte für Betroffenheit und Nachdenklichkeit.

„Es wird uns nicht mehr lange geben“, sagte Wicki-Schwarzschild zu Beginn und bezog sich damit auf die Generation, die den Holocaust er- und überlebt hat. Es sei ihr ein Anliegen, „denen eine Stimme zu geben, die verstummt sind“, und die junge Generation an jene „schmerzhafte, unheilvolle Zeit“ der nationalsozialistischen Diktatur in den Jahren 1933 bis 1945 zu erinnern.

Im Jahr 1931 in Kaiserslautern geboren, wuchsen sie und ihre jüngere Schwester wie selbstverständlich in zwei Religionen auf. „Mein Vater war jüdischen Glaubens, meine Mutter katholisch“, erinnerte sich Wicki-Schwarzschild. Richard, der Vater, der sich damals in erster Linie als Deutscher und an zweiter Stelle als Jude begriffen habe, spielte in der liberalen Synagoge von Kaiserslautern die Orgel.

„Es wird uns nicht mehr lange geben. Geben Sie weiter, was Sie heute gehört haben.“

Doch bald brachen andere Zeiten an. So sei es immer wieder vorgekommen, dass Menschen die Straßenseite wechselten, wenn die Familie auf sie zukam, und dass Nachbarn, mit denen sie sich gut verstanden, den Kontakt abbrachen. „Aber meine Eltern haben uns Kinder so lange wie möglich geschont“, sagte die Zeitzeugin. Diese Schonung aber war spätestens dann unmöglich geworden, als im Zuge der Reichspogromnacht im November 1938 der Vater ins Konzentrationslager Dachau gebracht wurde. Er kam zwar zurück, musste aber verschweigen, was er erlebt hatte.

Am frühen Morgen des 22. Oktober 1940 wurde die gesamte Familie von der Gestapo in das französische Camp de Gurs in den Pyrenäen verschleppt. Wie es dort aussah, unterstrich die 88-Jährige mit Zeichnungen, die andere Lagerinsassen gefertigt hatten: „Schlamm, Krankheiten und Hunger zählten zu unseren ständigen Begleitern“, legte Wicki-Schwarzschild, die ihre Erinnerungen auch veröffentlicht hat, dar. 1941 wurde sie gemeinsam mit Mutter und Schwester ins Camp de Rivesaltes verlegt, laut ihren Worten ein „Zwischenlager“, bis die Todeslager im Osten betriebsbereit waren.

Im November desselben Jahres kamen die beiden Schwestern in ein Heim der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes in Pringy in der Haute-Savoie. Der Vater konnte eine Wohnung bei Carcassonne mieten und holte die Familie zu sich. Doch 1942 folgte die erneute Deportation nach Rivesaltes, wo die Familie getrennt wurde. Der Vater wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Mutter konnte mit Hilfe von Friedel Bohny-Reiter, einer Schwester vom Schweizerischen Roten Kreuz, und mit einer Fotografie ihrer Kommunion sich und ihre Töchter vor der Deportation retten.

Die Schüler von Hans-Thoma- und Hebel-Gymnasium, sowie von der Theodor- Heuss-Realschule, die dem Vortrag die gesamte Zeit über in gebannter Stille lauschten, erhielten im Anschluss die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ob sie verziehen habe, was damals vorgefallen ist, wollte jemand wissen. „Verzeihen ist ein großes Wort, aber ich habe mich mit dem Schicksal versöhnt“, sagte Wicki-Schwarzschild und appellierte an ihre jungen Zuhörer: „Geben Sie weiter, was Sie heute aus erster Hand gehört haben.“

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