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Lörrach Stolpersteine in Lörrach verlegt

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In der Feldbergstraße 32 wurden drei Stolpersteine verlegt. Foto: zVg

Erinnerungskultur: Schicksale an drei Orten vor Augen geführt / Einzelschicksale aufgearbeitet

Insgesamt zehn „Stolpersteine“ sind jetzt an drei Orten in Lörrach vor den ehemaligen Wohnorten der jüdischen Opfer in den Boden eingelassen worden. Es handelte sich um die dritte Verlegung in der jüngeren Historie.

Lörrach. Die Zeremonie begann am späten Freitagnachmittag in der Carl-Maria-von- Weber-Straße 2 in Stetten. Lars Frick, Fachbereichsleiter Kultur und Tourismus, hob die Bedeutung des Gedenkens und der Aufarbeitung der Einzelschicksale hervor. In dem Eckhaus, damals mit der Adresse Riehenstraße 1, wohnten im Jahr 1940 Elise und ihr Sohn Gustav Willstätter. Die Urgroßenkelin von Max Willstätter, Jaszmin Rosenfeld, war bei der Verlegung anwesend und hielt eine Ansprache (wir berichteten).

Die Familie Grunkin

In der Feldbergstraße 32 sagte OB Jörg Lutz: „Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus ist für uns als Stadt und Gesellschaft eine wichtige Aufgabe. Wir gedenken den Menschen, die von dem verbrecherischen Regime verfolgt wurden. Es sollte uns stets eine Mahnung sein.“ An dieser Adresse, ehemals Karlstraße 32, wurden Stolpersteine für Fanny Grunkin, ihre Tochter Marie und ihren Sohn Joseph verlegt. Fanny Grunkin, geboren 1878 in Russland, war mit ihrem Ehemann Wolf 1904 nach Deutschland eingewandert. Sie hatten vier Kinder: Georg (*1903), Rosa (*1910), Joseph (*1908) und Maria, Rufname Marie (*1913). Der Ehemann verstarb 1934.

Grunkins war wichtig, dass alle Kinder eine gute Berufsausbildung erhielten. Joseph absolvierte eine kaufmännische Lehre und war trotz Beschäftigungsverbots bis Dezember 1938 bei einer Eisenhandlung angestellt. Nach seiner Entlassung war er offenbar als Gelegenheitsarbeiter im Straßen- und Gleisbau tätig. Am 22. Oktober 1940 wurde er aus Riedöschingen nach Gurs deportiert.

Maria absolvierte in Basel eine Ausbildung zur Damenschneiderin, sie machte sich daraufhin mit ihrer Schwester Rosa selbstständig. Rosa heiratete 1938 nach Riehen. Trotz der umfassenden Berufsverbote führte Maria Grunkin den letzten jüdischen Betrieb in Lörrach und verdiente den Lebensunterhalt für sich und ihre verwitwete Mutter Fanny bis zu ihrer Deportation im Oktober 1940.

In Gurs lebten Fanny und Maria mit 50 anderen Frauen in einer Baracke. Rosa und ihr Mann stellten mehrere Anträge auf Einreise in die Schweiz, die für die Mutter von der kantonalen Behörde genehmigt wurde. So konnte sie das Lager Gurs am 20. April 1941 verlassen und zog zur Familie ihrer Tochter nach Riehen, wo sie 1956 im Alter von 78 Jahren verstarb.

Maria Grunkin beschreibt in zahlreichen Briefen an ihre Schwester die plötzliche Abreise aus Lörrach, beklagt den Verlust ihres Eigentums und schildert die menschenunwürdigen Bedingungen im Lager Gurs. Im Lager lernte sie den Metzger Franz Wrobel kennen, im April 1941 verlobten sie sich. Marie war im Lager wieder als Schneiderin tätig. Im Juli 1942 schreibt sie, dass sie nicht mehr mit einer Ausreise in die Schweiz rechnet. Am 6. August 1942 wird Maria über das Sammellager Drancy nach Auschwitz abtransportiert und sofort nach der Ankunft am 12. August 1942 in den Gaskammern ermordet.

Joseph Grunkin wurde als Zwangsarbeiter auch außerhalb des Lagers Gurs eingesetzt, teilweise über private Arbeitsverträge „in der Freiheit“, wie er in einem Brief an die Schwester Rosa schrieb. Am 1. September 1942 wurde jedoch auch er nach Auschwitz deportiert. Er musste Zwangsarbeit in verschiedenen Lagern leisten, wurde am 1. Dezember 1944 ins KZ Buchenwald transportiert. Bei der Befreiung des Konzentrationslagers durch die Amerikaner am 11. April 1945 ist Joseph Grunkin nicht mehr dort. Sein Schicksal ist ungewiss. Am 31. Dezember 1945 wurde er für tot erklärt.

Stadtarchivar Jürgen Schaser und Sonja Raupp, Fachbereich Kultur und Tourismus, lasen Ausschnitte aus den letzten Briefen von Maria und Joseph Grunkin vor.

Die Familie Beck

In der ehemaligen Herrenstraße 10 vor dem heutigen Hochhaus am Markt wurden im Anschluss zum Gedenken an Elise, Ludwig, Walter Nathan und Heinrich Beck sowie an Emilie Heilbronner fünf Stolpersteine verlegt. Lars Frick, Fachbereichsleiter Kultur und Tourismus der Stadt Lörrach, las den Brief der Nachfahrin Ronia Beecher aus New York vor, die nicht persönlich an der Stolperstein-Verlegung teilnehmen konnte. Ronia Beechers Großmutter Judith Geismar, geborene Beck, und Ludwig Beck waren (Halb-) Geschwister, Daniel Beck war der Vater von beiden.

Die Familie Beck lässt sich in Lörrach bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisen und gehört somit zu den drei ältesten jüdischen Familien in Lörrach. Um 1735 kamen sie aus dem Elsass nach Lörrach. Ludwig Beck, geboren am 2. Juli 1869, war gelernter Metzger und betätigte sich als Viehhändler. Sein Wohn- und Geschäftssitz war die Herrenstraße 10. Aus Ludwigs Ehe mit Elise Beck, geborene Heilbronner, gingen zwei Söhne hervor: Walter Nathan und Heinrich. Von allen unmittelbaren Familienangehörigen sollte nur Heinrich die Shoah überleben. Ihm gelang 1938 die Flucht in die Vereinigten Staaten.

Zu den tief beunruhigenden Nachrichten, die Heinrich Beck erreichten, gehörte ohne Zweifel das Pogrom vom 9./10. November 1938, im Zuge dessen sein Vater und sein Bruder in Lörrach verhaftet wurden und in der Nacht des 10. auf den 11. November in das Konzentrationslager Dachau verbracht wurden. Knapp zwei Jahre später, am 22. Oktober 1940, wurden Vater, Mutter, sein Bruder Walter und seine Tante Emilie Heilbronner in der Herrenstraße 10 von der Gestapo abgeholt und in den unbesetzten Teil Frankreichs deportiert. Im Lager Gurs starben Vater Ludwig und Bruder Walter nur wenige Wochen nach ihrer Einlieferung an den erbärmlichen Lagerbedingungen.

Emilie Heilbronner wurde am 8. August 1942 über das Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert. Elise Beck sollte ihr auf diesem Weg 20 Tage später folgen. Beide wurden in Auschwitz ermordet.

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