Lörrach Tage des Hinsehens auf Leiden und Sterben

Die Oberbadische
An den Kartagen sind öffentliche Tanzveranstaltungen gesetzlich verboten. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Feiertagsgesetz: Wolfgang Dreher: „Viele beschweren sich, weil sie die Hintergründe des Verbots nicht kennen“

Von Carl Sieber         und Asia Lomartire

Lörrach. Hin und wieder werden Forderungen laut, das gesetzlich verordnete Tanzverbot an Karfreitag und an anderen Feiertagen (siehe Info-Kasten) abzuschaffen. Doch selbst Betreiber von Lörracher Diskotheken und Clubs sehen das Verbot gelassen.

Das sagt die Kirche

Gudrun Mauvais, Pfarrerin an der evangelischen Matthäusgemeinde: „Die drei kirchlichen Kartage im engen Sinne sind Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag (und nicht, wie oft zu hören ist, Ostersamstag). An Gründonnerstag erinnern wir Christen uns daran, wie Jesus mit seinen Jüngern zum letzten Abend-Mahl zusammensaß und dabei Brot und Wein in der Deutung auf sich selbst und sein Leiden und Sterben bezog.

An Karfreitag gedenken wir Christen der Kreuzigung Jesu. Oft nennen wir ihn auch Stiller Feiertag. Mir persönlich sind diese intensiven und so unterschiedlich begangenen Kartage sehr wichtig: Gründonnerstag trifft sich Gemeinde oft abends in den Kirchen oder Gemeindehäusern zu einem einfachen Abendessen in Gemeinschaft. An Tischen wird gegessen, sich unterhalten, gesungen und gebetet. Dabei wird an Jesu Mahl mit seinen Freunden gedacht. Es geht gesellig zu. Von daher gilt dann ab 18 Uhr abends bis Karsamstag ein öffentliches Tanzverbot. Übrigens schweigen nach kirchlicher Tradition auch die Glocken bis Ostern.

Es tut uns Menschen gut, den Alltag zu unterbrechen und Zeit des Innehaltens einzulegen. Leiden, Sterben und der Tod, die uns Christen an diesen Tagen auf Jesus bezogen sind, gehören zu unserem Menschsein, zu unserer conditio humana, dazu.

An Karfreitag geht es nicht nur um Jesus, sondern jede und jeder von uns kennt, da bin ich mir sicher, mindestens eine Person in seiner näheren Umgebung, die gerade an einer schlimmen Krankheit leidet oder in der vergangenen Zeit verstorben ist. Die Kartage mit dem öffentlichen Tanzverbot legen darauf den Zeigefinger. Es sind Tage des Hinsehens auf Leiden, Schmerzen, Sterben.

Die Möglichkeit zum Innehalten und zum Unterbrechen des Alltags halte ich für jeden Menschen, der hier in Deutschland lebt, für sinnvoll, egal welcher Religionsgemeinschaft er angehört oder ob er gar keiner angehört. Mit dem Tanzverbot in diesen für uns Christen besonderen Tagen kommt eben auch das kulturelle Erbe unseres Landes in den Blick: Wir sind – historisch betrachtet – im Christentum verwurzelt.

Ich denke, wichtig ist bei der ganzen Diskussion zu unterscheiden zwischen öffentlichen Veranstaltungen und Diskotheken, die damit ihr Geld verdienen und privaten Veranstaltungen. Und bei dem Verbot geht es mit den gesetzlichen Regelungen um die öffentliche Seite. Der Staat erfüllt da seine Pflicht, alle Bürger und die Gesellschaft zu schützen.“ Bärbel Schäfer, evangelische Dekanin im Kirchenbezirk Markgräflerland: „Ich habe schon immer gerne getanzt. Trotzdem sah ich das Verbot nicht als ein Eingriff in meiner persönlichen Freiheit. Es ist ein Tag des kollektiven Gedächtnisses und so soll es auch sein.“ Schäfer beklagt, dass viele junge Leute gar nicht mehr wissen, warum es dieses Tanzverbot gibt und sagt: „Verbote lösen Diskussionen aus, und ich als 68er Kind will keine Verbote. Zudem finde ich es sinnvoller, wenn Gemeindepfarrer in der Gruppe das Verbot ansprechen und besprechen, warum es da ist. Die Tage mit gemeinschaftlichen Ritualen gehen verloren, daher möchte ich nicht, dass auch der ’stille Tag’ verloren geht. 364 Tage sind wohl genug zum Feiern, auch eine Sauna macht mal zu, und es wird akzeptiert. Die Diskussion entsteht, weil es sich um die Kirche handelt, die als Spaßverderber gilt.“ Michael Spath, katholischer Pfarrer in der Kirchengemeinde Lörrach und Inzlingen: „Wir leben in einer christlich geprägten Gesellschaft. Zu viele genießen die Vorzüge dieser Kultur, ohne an ihre Hintergründe zu denken, oder diese zu würdigen. Daher finde ich dieses Gesetz stimmig, da es uns diese Tage der Ruhe ermöglicht, in denen wir an die Passion und das Leiden Christi denken können. An das Leiden und Sterben von Jesus Christus zu denken ist wichtig. Ich finde es nicht schlimm, wenn sich dieses Verbot auf die wichtigsten Gedenktage bezieht, damit die Menschen auch heute noch den Bezug zu den Ursprüngen unserer Gesellschaft haben. Wir leben zwar in einer multikulturellen Gesellschaft, jedoch müssen wir unsere Traditionen würdigen. Ich glaube, dass auch die Menschen bei uns, die einer anderen Religion angehören, diese Tradition würdigen sollten. Sie würden sich dies in ihrer Heimat sicher auch von uns wünschen.

Das sagen die Wirte

Patrick Götz ist Betreiber des Clubs „Room 14“ in der Teichstraße: Sein Club bleibt an Karfreitag komplett geschlossen, auch wenn der Barbetrieb ohne Tanz möglich wäre. Für ihn stellt das Tanzverbot an Karfreitag kein Problem dar. Götz sagt: „Einen Tag im Jahr kann man das durchaus hinnehmen und den Club geschlossen lassen. Ich betreibe den Club jetzt drei Jahre, und bis jetzt hat es mir nicht geschadet, dass wir an Karfreitag geschlossen haben.“

Wolfgang Dreher ist Betreiber der „Notlösung“, einem Club mit Bar, Lounge und Disco, Konzerten und DJ-Programm in der Marie-Curie-Straße: Dreher wurde selbst katholisch erzogen und sagt: „Natürlich beeinflusst ein solcher Tag das Geschäft, wenn man mit Musik und Tanz arbeitet. Aber ich finde das Tanzverbot an Karfreitag dennoch nicht tragisch. Wir haben an Gründonnerstag sowie an Karfreitag offen, aber es wird wie vorgeschrieben nicht getanzt. Es herrscht Barbetrieb und leise Hintergrundmusik. Viele junge Erwachsene beschweren sich allerdings, weil sie die Hintergründe des Verbotes nicht kennen.“

Das sagt die Polizei

Dietmar Ernst, Pressesprecher der Polizei, betont, dass sich die Lörracher Diskotheken an Karfreitag vorbildlich verhalten und es noch keine Beschwerden gegeben hat. Bei einer Missachtung des Tanzverbots würde die Polizei laut Ernst folgendermaßen vorgehen: „Zunächst verweist die Polizei alle Teilnehmer des Platzes. Danach wird nach einem Verantwortlichen gesucht. Verantwortlich sind die Organisatoren einer öffentlichen Tanzveranstaltung.

Der Gastgeber erhält eine Geldbuße in Höhe von 1500 Euro, und die Veranstaltung wird sofort beendet.“

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