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Lörrach Tanz der Freiheit

Die Oberbadische
Szene aus „Carmen.Maquia“ Foto: zVg/Marius Fiskum Foto: Die Oberbadische

Tanz: Ballet Hispánico mit Carmen-Interpretation und Gipsy-Hommage

Von Gabriele Hauger

Lörrach. Diese Carmen trägt kein rotes Rüschenkleid, keine Blume im Haar, ist keine Klischee-Zigeunerin. Elegant, grazil, im langen Schwarzen, agiert sie zwischen ruhiger Gelassenheit und hohem Tempo; dies großteils zur berühmten Bizet-Musik, die in der Orchester-Aufnahme lustvoll interpretiert und mächtig vorangetrieben wird.

Die in Europa bisher selten präsente Kompanie Ballet Hispánico aus den USA, die sich auf Kultur und Erbe der Spanier und Latinos fokussiert, gastierte am Mittwoch erstmals im gut gefüllten Lörracher Burghof. Mit „Carmen.Maquia“ lieferte sie – bestechend getanzt – eine Art Handlungsballett, das dem bekannten Stoff neues Leben einhauchte.

Zwei Männer, eine Frau. Ein uraltes Thema, dessen Version von Georges Bizet mit ihren wunderbaren, populären Melodien, noch immer fasziniert. Das Ballet Hispánico bietet mit der Choreografie von Gustavo Ramirez Sansano eine moderne Interpretation, die den Handlungsfaden aber beibehält. Ihr Tanz ist eine Mischung aus edler Klassik, moderner Tanzsprache und Elementen aus Flamenco und Folklore, die aber nie ins Klischeehafte drängen, sondern immer wieder gebrochen und aufgepeppt werden. Das Ensemble glänzt mit konzentrierter, ausgefeilter Körpersprache und viel Ausdruck, in schönen Gruppenbildern.

Ein bisschen Humor und Ironie sind auch dabei. Wenn zum Beispiel der eher schauspielerisch als tänzerisch umgesetzte Kampf zwischen Carmen und ihrer Rivalin in eine Art Frauencatchen mit Kinnhaken ausartet oder die Männer in Gockel-Manier ein wenig tumb auf die weiblichen Neckereien reagieren.

Und es gibt sie natürlich genauso: Die zutiefst emotionalen Liebesszenen der Carmen, mal mit dem einen, dann mit dem anderen Mann. Ganz hingegeben scheint sie Don José hörig zu sein, umschlingt ihn mit ihrem Körper, lockt ihn mit ihren Händen, Blicken, Gesten. Um sich kurz darauf ebenso intensiv dem schillernden Torero zuzuwenden. Nicht lasziv, nicht plump-erotisch, sondern eher subtil und sehr selbstbewusst, spinnt sie die Fäden, lässt sich von keinem vereinnahmen. Fast wünschte man sich ein bisschen mehr Drama und Verzweiflung, als Carmen die Karte aufdeckt, die ihr den eigenen Tod ankündigt.

Strahlend weiß ist das Bühnenbild, das ganz ohne plüschige Zigeunerromantik auskommt und umso mehr den Blick auf das Tänzerische und die Musik lenkt. Mit seinen luftigen, verschiebbaren Elementen ist es eingerahmt von Stofffahnen, die von Picasso inspiriert sind. Als Spanier war dieser fasziniert von der Stierkampf-Kultur mit ihrer Mischung aus Eleganz und Tod. Die schwarzweiß-Symbolik zieht sich in den Kostümen fort: beim schneidigen Torero, bei Don José, beim Ensemble.

Richtig unter die Haut geht dann die Schlussszene: Wenn Don José aus Eifersucht zum Mörder wird, das schwarze Blut das reine Weiß zerstört und er weinend, zuckend, verzweifelt, dem Irrsinn nahe, zurück bleibt. Stille – vor großem Applaus.

Im Eingangsstück des Abends von Ramón Oller „Bury me Standing“ wird musikalisch und tänzerisch die Kultur der Sinti und Roma aufgegriffen. Sehnsuchtsvoll rau die Stimme der Sängerin, erotisch dazu der männliche Solotanz. In Gruppen, einzeln, als Pas de Deux, mit originellen Hebungen, wenn an Jesus Leidensweg erinnernd die Frauen in Kreuzform von den Männern getragen werden – jede Szene entwirft ein neues Bild. Neben sinnlicher Körperlichkeit gibt es auch augenzwinkernde Szenen mit bigotten, zänkischen Damen, auf den Knien rutschend, exaltiert gestikulierend. Immer wieder wird das Thema einer (übertriebenen) Religiosität aufgegriffen.

Mitreißendes Flamencoklatschen und -stampfen gehört natürlich auch zu dieser Kultur mit all ihrem Temperament und ihrem Drang nach Freiheit, der wiederum den Bogen zur autonomieliebenden Carmen schlägt.

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