Lörrach Tosca, Bühnenpräsenz und Social Media

Gabriele Hauger
Pantomimische Szenen standen am Anfang des Workshops und lockerten die Stimmung schnell auf. Foto: Gabriele Hauger

Oper ist langweilig? Kein bisschen. Wie spannend eine moderne Tosca-Inszenierung sein kann und was die Akteure alles beachten müssen, erfuhren Gymnasiasten bei einem Workshop der Compagnia Nuova im Burghof. Wir waren mit dabei.

Das Ensemble aus Berlin hat sich mit Opern in Kammermusik-Version einen Namen gemacht. Am Donnerstag kommt die Kompanie bereits das zweite Mal in den Burghof – diesmal mit ihrer modernen Tosca-Version. Zwei Tage zuvor boten Regisseurin Silvia Aurea De Stefano und Hauptdarstellerin Britta Glaser einen Workshop an. Angemeldet hatte sich eine elfte Klasse vom Weiler Oberrheingymnasium mit ihrer Musiklehrerin Birgund Meyer-Oehme. Für sie wie für die rund 20 Schüler bot sich ein faszinierender Blick hinter die Kulissen. Das Schöne: Statt reiner Theorie wurden die Jugendlichen selbst ganz schnell zu Akteuren – zur verzweifelten Tosca, zum flüchtigen Angelotti oder zum liebenden Cavaradossi.

Britta Glaser gibt wertvolle Foto: Gabriele Hauger

Aufwärmrunde

Erstmal geht es in die Aufwärmrunde. Dass Britta Glaser eine Pädagogik-Ausbildung hat, merkt man gleich. Sie versteht es, die zwischen Schüchternheit, Coolness und Belustigung schwankenden Schüler schnell aus sich herauszuholen. Das beginnt mit dem gemeinsamen Erkunden des Raums: Laufen, das Tempo variieren, aufeinander achten, sich anpassen, Schwingungen aufzunehmen, organisch werden. Klingt leicht, muss sich aber erst mal entwickeln.

„Präsenz! Körperhaltung!“

„Präsenz! Körperhaltung!“, ruft sie in den Raum, wenn ihr Blick auf einen etwas allzu lässig schlurfenden Schüler fällt. Dann werden die Jugendlichen zu Pantomimen. Freude, Trauer, ein Überfall, Liebe – in Sekundenschnelle gilt es, sich in einen neuen Gefühlszustand zu versetzen und diesen schlüssig darzustellen. Das macht sichtlich Spaß, schnell wird deutlich, wer keine Mühe hat, aus sich herauszugehen und wer noch eine Hemmschwelle überwinden muss.

Auch Verbeugen will gelernt sein. Foto: Gabriele Hauger

Zirkus-Szenen

Fast ausgelassen wird die Stimmung, als es gilt, eine Zirkus-Szene darzustellen – zur schmissigen Musik. Messerwerfer, Jongleure, Tiernummer – alles mit dabei, anerkennend beklatscht von den Mitschülern.

Was ist Oper?

Zwar hatte die Gymnasiasten über ihrer Lehrerin einige Grundkenntnisse zur „Tosca“. Doch gibt es da natürlich viel mehr zu erfahren. Das übernehmen Glaser und die Regisseurin gemeinsam. „Tosca ist ein echter Krimi. Und schockierend aktuell“, so die Sängerin. Doch zunächst einmal gilt es zu klären: Was ist Oper? Was ein Libretto? Wie sehe ich als Sänger auf der Bühne, was der Dirigent macht? Und schon ist man mitten drin in der speziellen Tosca-Fassung der Compagnia. Hier gibt es nämlich gar kein Orchester, sondern nur einen Pianisten. Die Rollen sind eingedampft auf fünf Sänger, die zum Teil doppelte Rollen spielen. „Da muss es beim Umziehen rasend schnell gehen“, erzählt die Tosca-Darstellerin.

Im Überwachungsstaat

Im theoretischen Teil wird die Handlungsebene der Puccini-Oper mittels einer kleinen Schautafel und Symbolen erläutert. Denn unkompliziert ist es wahrlich nicht. Das Liebesdrama hat Silvia Aurea De Stefano in einen Überwachungsstaat von heute verlagert. Aus dem Maler wird ein Videokünstler. „Wie immer gibt es einen Bösewicht“, erklärt sie. Hier ist es der gierige Polizeichef, der Tosca begehrt, zum regelrechten Stalker wird und die modernen Medien nutzt. Gelegenheit für Britta Glaser zu einem kleinen Exkurs über Social Media. „Wir sind alle sehr präsent, geben viel von uns preis, zum Teil regelrecht exhibitionistisch.“ Im Freiheitskämpfer Angelotti wiederum sieht sie Parallelen zu Navalny: eine selbstlose Aufopferung für die Sache der Demokratie.

Im letzten Workshop-Teil übernehmen die Schüler ausschnittsweise kleine Rollen. Szenen werden improvisiert, Tipps gegeben, Verbesserungen augenscheinlich. Gar nicht so einfach, die Angst und Hektik, die Überraschung und Eifersucht treffend darzustellen. „Der Rhythmus der Szene muss stimmen!“, ruft die Regisseurin. Immer wieder herrscht große Heiterkeit in diesen Opernstunden der etwas anderen Art.

Seit zwei Jahren bietet die Compagnia Nuova solche Workshops an – mit großem Zuspruch. Warum sie das tun? „Die Oper ist für uns Berufung und Leidenschaft. Junge Menschen sollen verstehen, wie lebendig und zeitlos Oper ist, kein bisschen verstaubt oder gestelzt.“ Gerade Tosca. Da stecke ja alles drin: von MeToo bis zu Autokratie. „Durch das Improvisieren der Konflikte in den Workshops steigen die Teilnehmer in die Handlung ein: Sie fühlen, verstehen, denken mit. Und jeder findet seine eigenen Antworten“, so die Regisseurin.

Von den Workshop-Teilnehmern jedenfalls dürfte die Tosca-Version der Profis mit Spannung erwartet werden.

  • Bewertung
    4

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading