Lörrach Tumringer gegen Neubaugebiet-Belastung im Ort

Marco Fraune
Zahlreiche Tumringer kamen in den Gemeinderat, um ihre Sorgen zu artikulieren. Foto: Bernhard Konrad

Der Gemeinderat stimmt dem nächsten Bebaungsplan-Verfahrensschritt zu.

Ein proppevoller Sitzungssaal gehört bei Gemeinderatssitzungen nicht zum Alltag. Anders am Donnerstagabend: Gefühlt halb Tumringen steht und sitzt im Zuhörerrund. Die Sorge um das eigene Haus, Belastungen durch den Baustellenverkehr und auch andere Sicherheitsaspekte treiben die Bürger um – was in insgesamt 15 Wortmeldungen dann deutlich wird. Prominentester Fragesteller: Der Ex-Landrat Walter Schneider, der Antworten der Verwaltung auf die offenen Fragen vermisst und einen kleinen Teil eines Gutachtens zerpflückt.

Die Entscheidung

Um das Votum vorweg zu nehmen: Dem nächsten Verfahrensschritt für den Bebauungsplan Tumringen-Nord stimmt der Gemeinderat bei 15 Ja- und vier Nein-Stimmen bei acht Enthaltungen zu. Doch damit ist der Weg für das neue Baugebiet noch keineswegs frei, wie selbst aus den Äußerungen der Befürworter deutlich wird. Speziell die Grünen-Fraktion schwankt zwischen dem Bedarf an neuem Wohnraum und der damit aber einhergehenden Versiegelung einer großen Grünfläche. „Wann kann man es noch stoppen?“, fragt daher auch deren Fraktionschefin Margarete Kurfeß.

Der Verfahrensschritt

Noch ist alles möglich. Schon zum Auftakt der Bürgerfragen, die sich denen im Ausschuss für Umwelt und Technik vor einigen Tagen ähneln (wir berichteten ausführlich), macht Oberbürgermeister Jörg Lutz genau dies deutlich. Inhaltlich werde in dieser Gemeinderatssitzung nicht diskutiert, es gehe nur um den weiteren Verfahrensschritt – konkret auch der Möglichkeit für die Bürger, ihre Bedenken formell bald einzubringen. Sechs Wochen Zeit gibt es dafür, ergänzt Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic, die zugleich noch an den Punkt Wohnraumbedarf erinnert.

Artenschutz, Hangsituation, Starkregen, Kanalisation, Gewerbebestand, Verkehr: All diese Themen kommen im Gemeinderat erneut zur Sprache – von Seiten der Bürger und auch in den Äußerungen der Räte. Stadtbau-Experte Stephan Färber liefert dabei nochmals die bekannten fachlichen Grundlagen. Speziell, dass bei Starkregen das Wasser geordneter abgeführt werden soll, nennt er. Ebenso wie die geplante Einbahnstraßenregelung für den Baustellenverkehr.

Das geplante Neubaugebiet Foto: Kristoff Meller

Der Baustellenverkehr

Die Belastung durch die Laster treibt die Menschen im Ort um, wird dann erneut deutlich. Um ihre Gesundheit und ihr Leben sorgt sich Ursula Ernst, die unterhalb des geplanten Neubaugebiets wohnt. „Ich habe Angst um mein Haus“, erklärt Bernd Vogtsberger. Andere Tumringer verweisen ebenso auf die prekäre Verkehrslage auf und an der Luckestraße, speziell Fußgänger und Schulkinder seien hier gefährdet. Hinzu kämen die Folgen durch die Belastungen der Straße und Kanäle sowie der angrenzenden Häuser, wo Rissbildungen und mehr befürchtet wird.

Alt-Landrat Schneider fragt

Wie ein roter Faden zieht sich dabei die Infragestellung der gutacherischen Grundlagen. Hier ein Problembewusstsein zu wecken, sieht auch Alt-Landrat Schneider als Tumringer Bürger als seine Aufgabe an. Es gelte daher, eine Alternativen-Prüfung zum Baustellenverkehr vorzunehmen. Statt durch den Ort müsse dieser besser im oberen Bereich durch den landwirtschaftlichen Wege führen, hin zur neuen Verkehrsinsel an der Freiburger Straße, so der Bürger-übergreifende Tenor.

Und hier können die Tumringer auch auf Veränderungen hoffen, wie später aus den Äußerungen des Stadtoberhaupts deutlich wird. „Wir nehmen die Bedenken ernst“, sagt Lutz, alle Fragen seien Gegenstand des weiteren Verfahrens. „Wir schauen intensiv, ob man den Baustellenverkehr anders lösen kann.“ Auch die geologischen Gutachten werde die Stadt genau untersuchen. Doch es gebe eben auch den Bedarf für Wohnraum in Form von Einfamilienhäusern.

Wohnraum versus Natur

Grundsätzlich wird es bei der Äußerung der BUND-Sprecherin Amandine Tupin, die der Innenverdichtung bei der Wohnraumschaffung mehr Priorität einräumt und die wichtigen Naturflächen erhalten will. „Bauen ist nicht die Lösung für die so genannte Wohnungsnot“, so ihre klare Positionierung. Ähnlich sieht es der Hauinger Hartmann Schäfer, der ebenfalls an die demografische Entwicklung erinnert, also dass bald Wohnraum frei werde.

Das sagt die Politik

Fraktionsübergreifend herrscht Verständnis für die Bürger-Bedenken. „Wir werden alles tun, um die Verfahren seriös durchzuführen“, versichert Fritz Böhler (Grüne), der unterstreicht: „Wir wollen und werden nicht um jeden Preis bauen.“ Angesichts teils zugespitzter Äußerungen aus der Tumringer Bürgerschaft rät Hubert Bernnat (SPD) zum verbalen Abrüsten. Seine Fraktion stimme für das Verfahren, da die Verdichtung richtig sei. Fraktionsmitglied Christiane Cyperrek sieht diese mittlerweile aber nicht mehr als zeitgemäß dort an. Es gehe nur um den Vorentwurf und den nächsten Schritt im Verfahren, erklärt Petra Höfler (CDU). „Viele Bedenken müssen aber noch ausgeräumt werden.“ Es gelte, nun gründlich alles zu prüfen, ergänzt auch Bau-Experte Thomas Denzer (Freie Wähler). „Irgendwie einen Konsens“ müsse man finden. Weil er verkehrlich nicht mitgehe, stimmt Bernhard Escher gegen den nächsten Verfahrensschritt. Matthias Koesler (FDP) erkennt hingegen die positiven Aspekte des Neubaugebiets, das damit auch die Infrastruktur profitiere, in Form von Kindern für die Kita oder auch die Grundschule.

Auf dem Prüfstand

Nach den zahlreichen Wortäußerungen aus Reihen der Bürgerschaft und der Politik ist klar: Anregungen, Bedenken und Hinweise wird es wohl viele im weiteren Verfahren geben. Speziell der Baustellenverkehr steht dabei auf dem Prüfstand, aber angesichts eines veränderten Blickwinkels ist auch die Zustimmung zur Schaffung der 27 geplanten Wohneinheiten noch nicht gesichert.

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