Lörrach „Verraten unser Berufsethos“

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„Dass hier Jugendlichen Chancen verbaut werden, das Jugendamt sich nicht mehr verantwortlich sieht und das Schulamt in der sozialpädagogischen Einschätzung ganz andere Wege geht, macht auf mich den Eindruck, als wolle man der Jugendsozialarbeit die Expertise absprechen“, sagt Jürgen Rausch, hier mit Jasmin Leber und Volker Weiß (r.) Foto: Sarah Zimmermann

Sozialarbeit: SAK zieht die Reißleine in der Zusammenarbeit mit Schul- und Jugendamt

Lörrach - Jürgen Rausch verhehlt seine Unzufriedenheit nicht. „Wenn wir verantwortlich arbeiten wollen, können wir das unter den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr tun, ohne unser Berufsethos zu verraten“, sagt der Geschäftsführer des Sozialen Arbeitskreises (SAK) Lörrach. Grund für diesen Unmut sind die Änderungen beim Projekt „Fit für Arbeit“ (FifA), mit dem der SAK schulverweigernde Jugendliche bei der Integration in die Regelschule unterstützt hat. Jetzt hat sich der SAK daraus zurückgezogen.

Das Projekt „FifA“ war eine Kooperation zwischen der Albert-Schweitzer-Schule, der Leopold-Förderschule, der Tüllinger Höhe und der Gewerbeschule Lörrach. Seit gut zwölf Jahren unterstützte der SAK mit einem Sozialarbeiter und einem Arbeitserzieher das Lehrerteam. Die beiden deckten die arbeitserzieherischen und die sozial- und freizeitpädagogischen Angebote ab. Das war bislang in der Beauftragung durch das Jugendamt erfolgt. Zustande gekommen war das Projekt auf Initiative des damaligen Schulamtsleiters Helmut Rüdlin.

„Es kann nicht sein, dass wir für die Pflichtaufgabe des Staates Spenden sammeln müssen“

Das Schulamt war auch in Zusammenarbeit mit dem SAK und dem Jugendamt bisher für das Projekt zuständig. Das, so Rausch beim gestrigen Pressegespräch, sei aber „Schnee von gestern“. Denn mit dem neuen Projekt „Fit in Schule“ (FiS) wird künftig vom Schulamt ein anderer Schwerpunkt gesetzt.

Anstatt wie bisher über zwei Jahre hinweg schulpädagogisch durch die SAK-Mitarbeiter betreut zu werden, sollen schulmüde Jugendliche jetzt eine „begleitete Auszeit“ von sechs bis maximal zehn Wochen nehmen, in der sie beschult und dann direkt wieder in ihre Regelschulklasse integriert werden.

„Dass hier Jugendlichen Chancen verbaut werden, das Jugendamt sich nicht mehr verantwortlich sieht und das Schulamt in der sozialpädagogischen Einschätzung ganz andere Wege geht, macht auf mich den Eindruck, als wolle man der Jugendsozialarbeit die Expertise absprechen“, legte Jasmin Leber, Leiterin des Fachbereichs Schule im SAK, dar.

Volker Weiß, Sozialarbeiter beim SAK, ergänzte, dass Zeit das A und O in der Arbeit mit den Schülern sei. „Es ist auch wichtig, ein Vertrauensverhältnis zu den Schülern aufzubauen“, beschrieb er seine Erfahrungen.

Im Rahmen des „FifA“-Projekts wurden schulmüde und schulverweigernde Jugendliche in drei Räumen beim SAK in kleinen Gruppen und auf praxisbezogene Art und Weise regelschultauglich gemacht. Dazu wurden auch die SAK-internen Unternehmensbereiche wie Garten, Bau und Gastronomie eingebunden. „Die jungen Leute hatten Erfolgserlebnisse“, sagte Weiß und ergänzte, dass die meisten der vom SAK betreuten Schüler ihre Schulpflicht anschließend erfüllt hätten.

Zeit ist das A und O in der Arbeit mit Schülern

Wie es aber mit den derzeit acht betreuten Schülern ab Januar, wenn der SAK aus dem Projekt ausgeschieden ist, weitergeht, und wo diese überhaupt unterkommen, das wisse man bisher nicht.

Ein Knackpunkt ist auch die Finanzierung. Diese war laut Rausch in der Vergangenheit bereits nur unzureichend geregelt. Künftig aber solle das Finanzierungsrisiko gänzlich zu Lasten des SAK gehen.

Vom Staatlichen Schulamt sei geraten worden, Spenden zu sammeln, um die beiden zuständigen Mitarbeiter weiter nach Tarif bezahlen zu können. „Es kann nicht sein, dass wir für eine Pflichtaufgabe des Staates Spenden sammeln müssen“, verdeutlicht Rauch. Zumal nicht einmal umfassend über die Inhalte des neuen Konzepts informiert worden sei

So sei es aus Sicht des SAK notwendig geworden, hier die Reißleine zu ziehen. Jetzt wolle man gemeinsam mit dem Baubereich und Handwerksbetrieben voraussichtlich bis zum Frühjahr ein Konzept erarbeiten, wie die schulpädagogische Betreuung durch den SAK als externe Leistung erbracht werden könne. „Wir werden nicht nur jammern und uns zurückziehen“, machte Rausch deutlich.

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