Lörrach Vom Dunkel ins Licht

Beatrice Ehrlich
 Foto: Beatrice Ehrlich

Tempus fugit inszeniert Astrid Lindgrens Mio mein Mio als Großproduktion im Burghof.

Lörrach - Manchmal muss einer zum Helden werden, damit er sich selbst erkennt und wirklich eins wird mit dem eigenen Ich. So wie Mio, die Hauptfigur der jüngsten Großproduktion des Freien Theaters Tempus fugit in Zusammenarbeit mit dem Burghof Lörrach.

Mio ist der Name des von Astrid Lindgren erdachten, von seinem Vater geliebten Königssohns, der sich aufmacht, es mit dem bösen Ritter Kato und den Mächten der Finsternis aufzunehmen. Ein Kampf, den er am Ende gewinnt. Doch bis dorthin ist es ein weiter Weg: Er erzählt vom Großwerden, aber auch von der Flucht weg von dem, was belastet und quält: das Fehlen der Eltern, der Spott der anderen Kinder, das Gefühl, nicht dazuzugehören.

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Das eindrückliche Anfangsbild verheißt Unheil: Viele Menschen, eng an eng in der Form eines Bootes, das in unbekannte Gewässer aufbricht. Einer steht als Ausguck am Bug, und die vielen, die noch hinzuströmen – eine Gruppe Kinder von links, eine Gruppe Kinder von rechts – finden auf zauberhafte Weise noch Platz, indem sie sich zwischen die dunkel gekleideten Stehenden schlängeln. Sie verschwinden zwischen ihnen und werden unsichtbar. Schließlich sind alle Darsteller in einem kompakten, dunklen Körper vereint. Keiner wagt sich hinaus aus den gemessenen Auf- und Ab- Bewegungen des dunklen Objekts, das nun mit leben erfüllt scheint.

Das Gegenbild ist am Schluss des gut zwei Stunden langen Stücks zu sehen: Bunte Farben dominieren jetzt das Bild. Alle, Jung und Alt, wirbeln und tanzen ausgelassen durcheinander. Alle Last scheint von den kindlichen Darstellern abgefallen zu sein – und dies nicht nur wegen der überaus gelungenen Premiere.

Grundton der Melancholie

Was ist dazwischen geschehen? Bo Wilhelm Olsson heißt der traurige Waisenjunge, der dem Ruf seines Vaters ins „Land der Ferne“ folgt. Dort durchläuft er eine wunderbare Wandlung, hin zu Mio, den umsorgten Königssohn, der hier nun alles hat, was ihm so lange abging: Achtung, Liebe, Zuwendung, einen Vater mit dem man sich sehen lassen kann und viele Freunde. Sogar ein eigenes Pferd, ein prächtiger Schimmel namens Miramis, gehört ihm jetzt.

Inszenatorische und schauspielerische Meisterleistung

Dass die Entwicklung des Mio so stimmig erscheint, ist eine inszenatorische und schauspielerische Meisterleistung: Stefanie Klimkait und Elias Füchsle spielen die Hauptrolle des Bo/Mio durchgehend zu zweit, jeder auf seine Weise enorm ausdrucksstark und dennoch so aufeinander eingespielt, dass man den Wechsel vom einen zum anderen fast nicht wahrnimmt. Oft sind beide zusammen auf der Bühne, gehen voneinander weg und weiten so den Bühnenraum. Die vielen Selbstgespräche spiegeln lebhaft das Gedankenspiel des Protagonisten, der sich oft seiner Sache nicht ganz sicher zu ein scheint, bis zum Schluss, als er sich mit aller Macht dem Bösen entgegenwirft. Immer an seiner Seite: Jum-Jum (Yusuf Röben), sein bester Freund, der ihn an seinen Klassenkameraden Benka von einst erinnert.

Auch sein Gegenspieler aus Lindgrens Kinderbuch, der grausame Ritter Kato, wird von zwei Schauspielern verkörpert. Sabrina Lössl und Ric Weisser verleihen ihm mit stummfilmhaften Fratzen plakative Bösartigkeit, die noch bedrohlicher wird durch die unheimlichen Wesen, die ihn umgeben: düstere Vögel mit schlaff hängendem, grauem Gefieder, die immer dann auftauchen, wenn von Kato die Rede ist.

Nicht nur sichtbar stehen Vögel sinnbildlich für das Dunkle, dem das Helle in Form eines weißen, optimistisch gespreizten Federkleids entgegentritt. Das Klagelied des Trauervogels (gespielt und gesungen von Esther Kammüller zusammen mit dem fabelhaften Kinder- und Jugendchor unter Leitung von Abélia Nordmann und Andrea Nydegger) zieht sich auch als musikalisches Leitmotiv durch die im Grundton überwiegend melancholische Inszenierung.

Auf der Seite des Guten stehen alle anderen Tiere und Pflanzen im Stück, wie bei Astrid Lindgren, in deren Büchern die belebte Natur auch oft eine Rolle spielt. Sie werden auf bezaubernde Art und Weise chorisch in Szene gesetzt von Grundschülern der Hebelschule Lörrach, der Astrid-Lindgren-Grundschule Hauingen, der Waldorfschule und der Pestalozzi-Schule Lörrach. Als sich am Ende alle auf der Bühne versammeln, Darsteller, Chor, Musiker, Regisseurin Karin Maßen und ihr großes Team an Helfern wird deutlich, dass bei einer solchen Mammutinszenierung die Probenarbeit bei der nach und nach alles zusammenkommt, nicht zuletzt die parallel zum Probenprozess geschaffene Musik von David Lichtensteiner, ebenfalls ein Groß-Ereignis gewesen sein muss. Für die Aufführung, die am Ende dieses Weges des Zusammenwachsens steht, bekommt das gesamte Mio, mein Mio-Team begeisterten Applaus.

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