Lörrach Vom Meister der leisen Dramatik

Die Oberbadische
Ein großer Erzähler: Peter Stamm. Mit seinem neuen Doppelgänger-Roman kommt der Autor nach Lörrach.          Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Literatur: Peter Stamm liest am Donnerstag in Lörrach

Von Jürgen Scharf

Lörrach/Basel. Das Doppelgänger-Motiv ist in der Literatur, vor allem in der Romantik, bekannt und beliebt. Man denke nur an Dostojewski, E.T.A. Hoffmann oder José Saramago. Natürlich dürfte Peter Stamm, der es literarisch schon immer mit den Doppelgängern hat, für seinen neuen Roman, den er bereits im Literaturhaus Basel vorstellte, das Thema des Wechsels der Identität gründlich recherchiert haben. In Stamms Büchern geistert das Motiv des Doppelgängers sowieso immer herum: als Spiegelmotiv, als das Bild vom Selbst, vom eigenen Ich.

Bekanntlich baut unser ganzes Selbstbild auf Erinnerungen auf, und so erinnert sich Peter Stamm an seinen erfolgreichen, vor 20 Jahren erschienenen Debütroman „Agnes“, der in Baden-Württemberg Schullektüre ist und verfilmt wurde. Der „Meister der leisen Dramatik“ denkt in seinem neuen Roman „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“ aber auch an sein Leben zurück. Dabei benutzt Stamm autobiografische Fakten, gerade weil heute in einer Welt der Fiktionen das Schriftstellerische angesagt sei. Aber es ist doch keine Autobiografie, da verwahrt er sich, obwohl es viele Parallelen gibt, etwa ein Nachtportier im Buch vorkommt, in dem sich der Ich-Erzähler wiedererkennt (und wie man weiß, hat der Autor ja in jungen Jahren auch als Nachtportier gejobbt, um sich sein Studium zu verdienen).

Da kommt einiges zusammen in diesem Roman, sind viele Fährten gelegt, raffiniert Fäden gesponnen, in diesem kurzen dichten Stück Prosa. Auch als der Autor das zweite Kapitel liest, rätselt der Zuhörer immer noch über Manches, und selbst die Moderatorin Christine Lötscher gesteht, dass sie das Buch zweimal gelesen hat und immer wieder Neues entdeckt. Das kommt daher, weil Peter Stamm viel zwischen den Zeilen schreibt. Es sind präzise komponierte Sätze – wie immer bei ihm.

Die Versuchsanordnung, die er mit seinen Figuren vornimmt, ist sicher auch so etwas wie ein Spiel. Der Schriftsteller wollte hier ganz konkret visualisieren, wie man sich fühlt, wenn man seinem Alter Ego gegenübersteht. Stamm sagt selber, er habe ein Buch über ein Buch geschrieben, eine Art „Mega-Agnes“, das man versteht, ohne „den Erstling Agnes gelesen zu haben“. Nicht ganz unschuldig an diesem neuen Roman sind die baden-württembergischen Schüler, die ihn immer gedrängt hätten: „Schreiben Sie eine Fortsetzung von Agnes“. Und irgendwann hat er Spaß daran bekommen, nicht mehr realistisch zu sein.

Und so hat man in diesem Roman viele Themen zwischen Realität und Fiktion beieinander, große Themen philosophischer und existenzieller Art über Identität, aber auch eine Liebesgeschichte über die Unmöglichkeit der Liebe.

Eigentlich erstaunlich, was in diesem schmalen Buch mit dem schönen Titel so alles an verdichtetem Erzählen steckt. Man staunt nur so über dieses „lebendige Schreiben“ des großen Erzählers Peter Stamm.   Peter Stamm liest am Donnerstag, 19. April, um 20 Uhr in der Lörracher Buchhandlung Osiander aus seinem neuen Roman „Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt“.

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