Lörrach Vom Revolutionär bis zur Prinzessin

Die Oberbadische
Das Familiengrab der Industriellenfamilie Koechlin. Zweite von rechts Gertrud Herbster. Foto: Regine Ounas-Kräusel

Tourismus: Thematischer Rundgang auf Friedhöfen / Gertrud Herbsters letzte Stadtführung

Bei ihrer Stadtführung über den Lörracher Hauptfriedhof und den jüdischen Friedhof berichtete Gertrud Herbster über wichtige Persönlichkeiten aus der Stadt, etwa den Gastwirt und Revolutionär Markus Pflüger, den Ratsschreiber Walter Jung oder die Industriellenfamilien Koechlin, Aichele und vom Hove. Es war nach 23 Jahren Gertrud Herbsters letzte Führung.

Von Regine Ounas-Kräusel

Lörrach. Lörrach habe keinen „Prominentenfriedhof“ mit pompösen Grabstätten, sagte Herbster: Es seien vor allem einfache Leute gewesen, die viel für Lörrach getan hätten.

Sie startete im alten Teil des Hauptfriedhofs. Dort zeigt ein Steinmäuerchen den Grundriss der historischen Abdankungshalle an. Sie stand ursprünglich auf dem Friedhof, der sich seit 1610 an der Stelle des heutigen Hebelparks befand. 1864 weihte die Stadt den heutigen Hauptfriedhof an der Brombacher Straße ein und versetzte diese Kapelle dorthin.

Im Jahr 1955 wurde die neue Abdankungshalle mit Krematorium an anderer Stelle auf dem Hauptfriedhof eingeweiht: ein Rundbau von schlichter Eleganz.

Historische Grabstätte

Während der Pestzeit entstand ein weiterer Friedhof an der Stadtkirche. Auch am Standort von Karstadt lag eine historische Grabstätte. Als das Gasthaus „Hirschen“, das vor Karstadt dort stand, eines Tages einen Anbau brauchte, fand man im Boden das Skelett einer jungen Frau mit reichen Grabbeigaben. Die „Lörracher Prinzessin“, deren Identität nie bestimmt werden konnte, wurde im Museum ausgestellt und weckte das Interesse vieler Bürger.

Von Pflüger bis Jung

Im Plauderton vermittelte Gertrud Herbster ihr reiches Wissen über Persönlichkeiten der Stadtgeschichte. Markus Pflüger (1824 - 1907) bezeichnete sie als einen der innovativsten Köpfe.

Der Hirschen-Wirt war Wegbereiter der 1848er Revolution. Er initiierte den Bau der Wiesentalbahn und des heutigen Markus-Pflüger-Heims in Wiechs. Sein Ehrengrab wurde von einem Sturm zerstört.

Zwei Grabstätten mit großen weißen Grabplatten sowie einem weißen Engel erinnern an die Familien Koechlin und Aichele/vom Hove, die als Gründer und Anteilseigner die Lörracher Textilfirma KBC und die Tuchfabrik, heute TTL, groß machten.

Herbster führte zu den Gräbern von Bürgermeistern, Abenteurern, Handwerkern und anderen Persönlichkeiten wie Walter Jung (1923 - 2004), Ratsschreiber und leidenschaftlicher Kenner der Stadtgeschichte. „Als Müpfi“ schrieb er in unserer Zeitung jahrelang seine alemannischen „Sermönli“ über Ereignisse, die Lörrach beschäftigten.

Gedanken an die Opfer

Der alte und der neue Teil des Friedhofs sind durch einen Rad- und Fußweg getrennt. Verbunden sind sie über eine Lindenallee, die beim Ehrenmal für die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege endet. Mehr als 800 Namen sind dort vermerkt.

Im neuen Friedhof steht auch der Gedenkstein für die Opfer des Wiesehochwassers von 1882. Es zerstörte die Holzbrücke an der Teichstraße und riss vier Erwachsene und neun Kinder in den Tod. Gertrud Herbster wies auch auf besondere Bestattungsformen hin, etwa auf das muslimische Gräberfeld.

Der jüdische Friedhof

Der jüdische Friedhof liegt hinter einer Mauer direkt neben dem städtischen Friedhof. Nach jüdischem Glauben werde jede Grabstätte nur einmal belegt, damit die Seelen aufsteigen können, wenn eines Tages der Messias komme, berichtete Gertrud Herbster.

An den Gräbern erinnerte sie an die Verbrechen der Nationalsozialisten an den jüdischen Bürgern Lörrachs. Sie berichtete auch von zwei Geschwistern, die der Deportation nach Gurs nicht entkamen, weil die Schweiz sie nicht als Flüchtlinge aufnahm. Höchstwahrscheinlich wurden sie in Auschwitz ermordet.

In den 1990er Jahren erwachte die israelitische Kultusgemeinde zu neuem Leben, jüdische Menschen aus der früheren Sowjetunion wanderten zu. Seitdem wurde auch der Friedhof erweitert. Lörrachs erster jüdischer Friedhof entstand schon 1670 am Schädelberg.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading