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Lörrach Von Arbeit und Nichtstun

Beatrice Ehrlich
Auch in seinem 30. Bühnenjahr spart Lüdecke nicht mit scharfsinniger Kritik.    Foto: Beatrice Ehrlich

Kultur: Frank Lüdecke holt im Burghof zum Rundumschlag aus

Lörrach - Lüdecke läuft, während er spricht. Wie ein unruhiger Tiger in Turnschuhen geht der Kabarettist auf der Bühne hin und her, von links nach rechts, von vorne nach hinten. Ein Barhocker, ein Gitarrenständer und ein Notenpult begrenzen den Aktionsradius, dazu kommt eine Box, aus der Begleitgeräusche eingespielt werden, zum Beispiel der durchdringende Sound eines benzinbetriebenen Laubbläsers.

Es wird kaum jemanden sonderlich überrascht haben, dass Frank Lüdecke auch im Jahr seines 30. Bühnenjubiläums zum Rundumschlag ausholt: auf Auswüchse des gesellschaftlichen Wandels, den desaströsen Zustand des Bildungssystems, die Regierenden und die von ihnen Regierten – uns. Politiker von rechts bis links zählt der aufmerksame Beobachter des politischen Geschehens auf, die er für ihren Job nicht geeignet hält. Sogar ein ganzes Lied hat er jenen gewidmet, die außer einer glänzenden Fassade wenig zu bieten haben. Dabei schert er nicht alle über einen Kamm. Statt es sich einfach zu machen à la „Wer den Söder disst, dem ist Beifall gewiss“, unterzieht Kabarett-Veteran den Berliner (und Münchner und Brüsseler) Politzirkus einer eingehenden Analyse.

Die Sorge um die Jugend ist Topthema im politischen Kabarett, so auch hier. Wie so viele andere treibt den vierfachen Vater Lüdecke das Thema Bildung um: Der Verlust von Inhalten auf dem Weg von der „Kreidezeit“ ins „digitale Zeitalter“. Mit Schrecken schaut er auf die mangelnden Ambitionen der jungen Leute: Umfragen zufolge wollen die meisten Beamte werden, besoldet und versorgt bis zum Lebensende, am liebsten wohl bei gleichzeitig erfolgender Beurlaubung.

Überhaupt, Arbeit: Wer sollte sich noch für sie erwärmen, wenn im Zweifelsfall das Geld auch so auf dem Konto eingeht? „Im Nichtstun sind wir doch alle gleich“, sinniert er und nennt prominente Beispiele vom (ehemaligen) Fußballstar bis zum (ehemaligen) Politiker, bei denen die regelmäßigen Bezüge ganz ohne Anlass in die Hunderttausende gehen.

Dem bedingungslosen Grundeinkommen erteilt er eine Abfuhr: Statt Wohlstand und Fortschritts wäre eine sich ganz in Kunst und Kreativität ergehende Gesellschaft zu befürchten – eine Schreckensvision. Wo doch die Deutschen auf der Arbeit am besten aufgehoben sind, oder doch nicht?

Wenig nette Worte findet er auch für seine Heimatstadt Berlin, Mekka für Künstler, Königin des Krankenstands und schwarzes Loch für so manche Steuermillion. Doch Lüdecke wäre nicht Lüdecke, wenn er alles wörtlich meinte, was er so im Laufe des Abends von sich gibt. Durch blitzschnelle Perspektivwechsel und beißende Ironie offenbart sich oft nicht gleich auf den ersten Blick, auf wessen Seite Lüdecke steht. Man muss fast aufpassen, wann man lacht.

Kein Wunder, dass die Reaktion aus dem Publikum manchmal nur leise und zögerlich erfolgt, ganz besonders, da dieses Mal, coronabedingt, die Reihen nur dünn besetzt sind.

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