Lörrach Weiche Faktoren, harte Fakten

Bernhard Konrad
Gruppenblid mit Hans-Peter Wessels, Jürgen Rausch, Jörg Lutz, Jürgen Trefzer, Rainer Liebenow, Saskia Schenker und Andreas Wüst (von links) Foto: Bernhard Konrad

Wirtschaftsforum: Warum dem sozialen Zusammenhalt eine tragende Rolle für unsere Gesellschaft zukommt

Die Ausgangsfrage des Lörracher Wirtschaftsforums: „Was hält unsere Region im Kern zusammen?“ lässt sich zwar nicht mit einem Satz beantworten. Sicher ist: Der soziale Zusammenhalt spielt eine Schlüsselrolle. Das ist die Kernaussage der Veranstaltung, zu der die Stadt, „metrobasel“ und die Sparkasse Lörrach-Rheinfelden am Mittwochabend eingeladen haben.

Von Bernhard Konrad

Lörrach. Ein gewisses Maß an Sicherheit, Verlässlichkeit und Perspektive sei für die Bürger elementar, so OB Jörg Lutz, Regula Ruetz (Direktorin „metrobasel“) und Rainer Liebenow (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse) in der Einladung zum Forum. Dass „Eigeninteressen“ in Wirtschaft und Gesellschaft oft mehr Bedeutung beigemessen würden als dem Gemeinwohl, führe zur Verschärfung von Konflikten und Abschottung – was wiederum positive Entwicklungen erschwere. Alle drei betonen, dass die Stabilität der Gesellschaft und grenzüberschreitende Zusammenarbeit die wichtigsten Erfolgsfaktoren unserer Dreiländerregion seien.

Obwohl die Raumschaft über ein vergleichsweise hohes Wohlstandsniveau verfügt und vieles auf den ersten Blick reibungslos und geschmeidig vonstatten geht, ist der soziale Zusammenhalt auch im Dreiländereck Anfechtungen ausgesetzt.

Sozialer Zusammenhalt unter Druck

Wie stark „soziale Kohäsion“ als stabilisierender Faktor der Bürgergesellschaften beiderseits der deutsch-schweizerischen Grenze unter Druck gerät, wurde zuletzt im zweiten Jahr der Pandemie offenkundig, wie Andreas M. Wüst, Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule München, in seinem Impulsreferat beschrieb. Er skizzierte Erkenntnisse aus einer Studie der Bertelsmannstiftung: Während im ersten Pandemie-Jahr der Zusammenhalt noch zunahm, waren mit der Zeit mehr und mehr Risse festzustellen: Ein Prozess, der etwa durch wachsende wirtschaftliche Unsicherheit und breit gestreute Thesen von „Schwurblern“, so Wüst, forciert und von zunehmenden Vertrauensverlust in politische Institutionen begleitet wurde. Wüst: „Corona hat die Mitte der Gesellschaft getroffen.“

Unabhängig von Krisensituationen wie der Pandemie oder dem Ukraine-Krieg führten Veränderungsprozesse durch Globalisierung, Individualisierung, Digitalisierung, Klima- und demografischen Wandel zu Verunsicherungen. Zuversicht sowie Vertrauen in die Politik und ihre Institutionen nähmen tendenziell ab, Zukunftsängste dagegen zu – und dies mit sinkendem Einkommen der Bürger um so mehr.

Interessanterweise schätzen zahlreiche Menschen ihre individuelle Lage besser ein als die Situation im allgemeinen. Unterm Strich hätten Ungleichheiten aber zugenommen: Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei angespannt, zu einem Bruch sei es aber nicht gekommen.

Wüst wies angesichts gegenwärtiger Entwicklungen auf die Notwendigkeit einer klugen Sozialpolitik hin, denn diese zeige nachweislich Effekte.

In der von Jürgen Rausch, Vorstandsvorsitzender des SAK Lörrach, moderierten Diskussion sagte Hans-Peter Wessels (Präsident „metrobasel“) die Region sei mehr als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum. Grenzüberschreitende Begegnungen sollten selbstverständlicher werden. Gleichzeitig räumte er das Trennende der Grenze ein. Indes sah Jürgen Trefzer, CEO von ARaymond, bereits ein harmonisches Miteinander Menschen in der Region gegeben, in der eher politische Interventionen aus Berlin, Bern oder Paris Irritationen hervorrufen würden.

Thema „Gerechtigkeit“ wichtiger denn je

Saskia Schenker, Direktorin des Arbeitgeberverbands Basel, bedauerte, dass in der öffentlichen Debatte extreme Positionen immer lauter formuliert würden – zu Lasten der „Mitte“ und differenzierter Betrachtung. Die relativ zufriedene Mehrheit werde weniger wahrgenommen.

Indes wies Jörg Lutz darauf hin, dass Bürger in Gesprächen mit ihm das Thema „Gerechtigkeit“ wichtiger denn je sei: „Es gibt Menschen, die zu kämpfen haben. Wir müssen hinschauen, wo es Probleme gibt und etwa Quartiersarbeit und Netzwerke stärken.“ Von zentraler Bedeutung sei auch, dass – über die Region hinaus – eine „Vision von Europa“ entwickelt werde.

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