Lörrach/Weil am Rhein Der lange Kampf um die „Zollfreie“

Siegfried Feuchter
Die Zollfreie Straße (hier vor dem Tunnelportal in Alt-Weil) wird angenommen. Täglich fahren tausende Fahrzeuge über diese direkte Verbindungsstraße nach Lörrach über Schweizer Hoheitsgebiet. Foto: Siegfried Feuchter

Vor zehn Jahren wurde die direkte Verbindung zwischen Weil am Rhein und Lörrach über Schweizer Territorium eingeweiht.

Am Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2013 kamen Tausende Menschen, vor allem aus Weil am Rhein, Lörrach und Riehen, zur sogenannten Bürgerbegehung. Die Menschen konnten durch den 388 Meter langen Tunnel laufen, das Bauwerk besichtigen oder sich bei Führungen näher über das 4,1 Kilometer lange Straßenbauprojekt informieren. Die Baukosten beliefen sich einschließlich des neuen Lörracher Anschlusses insgesamt auf rund 60 Millionen Euro. Die Straße hat die beiden Städte Weil am Rhein und Lörrach näher zusammenrücken lassen.

„Denkwürdiger Tag“

Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, ein engagierter Kämpfer für die Straße, sprach von einem denkwürdigen Tag und einem historischen Ereignis. Denn die Realisierung dieser Straße war eine unendliche Geschichte. Mit Blick auf das jahrelange erbitterte politische Ringen zwischen Zollfreie- Gegnern und Zollfreie-Befürwortern sowie auf jahrelange Debatten über das Für und Wider der Straße meinte Lörrachs damalige Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm bei der Eröffnung der Straße: „Wer hätte das gedacht!“

Vor zehn Jahren bei der Bürgerbegehung zur Eröffnung der Zollfreien Straße freuten sich über die Fertigstellung (v.l.): Riehens damaliger Gemeindepräsident Willi Fischer, Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz und Lörrachs damalige Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm. Foto: Siegfried Feuchter

Bevor am 4. Oktober vor zehn Jahren Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer, Basels Regierungsrat Baschi Dürr, Landrätin Marion Dammann, die beiden Oberbürgermeister von Weil am Rhein und Lörrach, Wolfgang Dietz und Gudrun Heute-Blum, sowie Riehens Gemeindepräsident Willi Fischer offiziell die 4,1 Kilometer lange Straße, die 735 Meter durch die Schweiz führt, für den Verkehr freigeben konnten, war es ein langer Weg.

Unendliche Geschichte

Als das Großherzogtum Baden 1852 mit der Eidgenossenschaft den ersten Staatsvertrag über die Errichtung eines badischen Bahnhofs in Basel unterzeichnete, sicherte die Schweiz dem Nachbarland das Recht auf eine zollfreie Durchfahrt zu, also eine direkte Straßenverbindung zwischen Weil am Rhein und Lörrach.

Es dauerte aber bis 1977, ehe ein zweiter Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Eidgenossenschaft zur Realisierung einer Zollfreien Straße abgeschlossen wurde. Mit dem Straßenbauprojekt sollten auf der Fahrt von Weil am Rhein und Lörrach oder umgekehrt zeitraubende Umwege über zwei Zollübergänge gespart sowie Fahrten durch Wohngebiete vermieden werden.

Die Gegenleistung

Die Zusicherung der Schweiz war eine Gegenleistung. Denn Weil am Rhein hatte es ermöglicht, dass auf seiner Gemarkung eine große Gemeinschaftszollanlage errichtet werden konnte und hatte dafür 30 Hektar Land bereitgestellt. Anfang der 1980er Jahre wurde die Zollanlage in Betrieb genommen.

Doch die Zollfreie Straße als Fortsetzung der Bundesstraße B 317, die über Lörrach hinaus ins Wiesental führt, war noch längst nicht gebaut. Zwar wurde in Weil bis 1998, also ein Jahr vor der Landesgartenschau, die sogenannte Südumfahrung bis zur Schweizer Grenze fertiggestellt, doch in den Folgejahren verzögerte sich das Projekt. Es gab heftigen Widerstand, vor allem aus der Schweiz, mit zahlreichen Einsprüchen auf allen juristischen Ebenen. Es bildeten sich Bürgerinitiativen auf Schweizer und auch auf deutscher Seite wie zum Beispiel „Regio ohne Zollfreistraße“ (RoZ). Die Gegner machten sich für den Schutz der Natur entlang der Wiese stark. Die Straße zerschneide eine wertvolle Landschaft und ein Auewäldchen, argumentierte der Bund für Umwelt und Naturschutz. Zudem führten die Gegner die schwierigen geologischen Verhältnisse am Gebiet Schlipf ins Feld und befürchteten einen Hangrutsch. Die Bürgerinitiative Pro Zollfreie mit deren Initiatorin Elsa Ruser aus Tüllingen machte sich dagegen für den Bau der Straße stark, da gerade für die Tüllinger die Verkehrsbelastung enorm war.

Widerstand formiert sich

Die Auseinandersetzung eskalierte in den Nullerjahren, als es unter der Führung des Basler Arztes und Umweltaktivisten Martin Vosseler am Wieseufer Protestcamps, Baumbesetzungen und Ankettungen gab. In der Folge positionierten sich auf Schweizer Seite immer mehr Politiker im Kanton Basel-Stadt gegen die „Zollfreie“, während die deutsche Seite auf die Erfüllung des Staatsvertrags pochte.

„Wir wollen und müssen das Projekt weiterführen“, hatte Lörrachs Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm bei einer Sondersitzung des Großen Rates in Basel betont, während Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz als hartnäckiger Verfechter dieser Straßenverbindung über Schweizer Hoheitsgebiet auch schärfere Töne anschlug: „Wirklich gute Nachbarschaft sieht anders aus.“ Er wie auch zahlreiche andere Politiker auf deutscher Seite sahen die Basler Regierung in der Pflicht, diesen Vertrag zu erfüllen. Unterstützung gab es von Riehener Seite. Deren damaliger Gemeindepräsident Michael Raith forderte für seine Gemeinde eine dauerhafte Entlastung vom Individualverkehr.

Unabhängig der unterschiedlichen Auffassungen zur Zollfreien Straße wurde nach dieser Sondersitzung, in der keine Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte erreicht wurde, in einer gemeinsamen Erklärung die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bekräftigt und für wichtig erachtet.

Alle Klagen abgewiesen

Der Streit hatte sich sich zugespitzt, als Anfang 2006 eine kantonale Volksabstimmung initiiert wurde. Die Basler Kantonsregierung hatte zuvor das Bauvorhaben gestoppt, jedoch ohne Erfolg. Denn das Schweizer Bundesgericht kassierte am 23. Januar 2006 den Einspruch gegen die Rodungsbewilligung. Die Bevölkerung Basels sprach sich zwar mit über 58 Prozent der abgegebenen Stimmen für den Erhalt des Wieseufers aus, doch zuvor waren schon Fakten geschaffen worden. Am 6. Februar 2006 wurden nämlich 110 Bäume gefällt, begleitet von massiven Protesten der Zollfreie-Gegner. Nachdem alle Klagen von Schweizer Gerichten abgewiesen waren, war der Weg für den Bau dieser umstrittenen Straße frei.

2007 konnte die Straßenbauverwaltung des Landes als Bauherrin und Finanzier des rund 60 Millionen teuren Gesamtprojekts mit dem Bau des Tunnels auf Schweizer Gebiet beginnen. Das alte Riehener Schwimmbad oberhalb der Wiese wurde verlegt und als Naturbad wiedereröffnet. Sechs Jahre später war die Zollfreie Straße nach jahrzehntelangem Kampf weitgehend fertiggestellt, sodass sie am 4. Oktober 2013 für den Verkehr freigegeben werden konnte.

Großes Fest für Bürger

Tags zuvor am Tag der Deutschen Einheit gab es auf der Zollfreien Straße im und im Bereich des Tunnels ein großes Fest für die Bürger unter dem Motto „Weil am Rhein und Lörrach auf neuen Wegen“. Tausende kamen, um dieses Ereignis zu feiern. Vereine beider Städte waren mit Verpflegungsständen präsent, die Stadtmusiken spielten an den Tunnelportalen auf und die Menschen aus dem Dreiland, vor allem aus Weil am Rhein, Lörrach und Riehen, begegneten sich symbolträchtig.

Für Weils OB Wolfgang Dietz hat sich rückblickend der Einsatz gelohnt, wie er schon zum fünfjährigen Bestehen der Straße sagte: „Die Selbstverständlichkeit, mit der die Straße heute akzeptiert ist und angenommen wird, ist ein Beleg ihrer Sinnhaftigkeit für unsere Region.“

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