Lörrach Weltbekannter Lörracher

Jürgen Scharf

Kultur: Der Rheinfelder Thomas Blubacher hat ein Buch über den Theatermann Karl Küchlin verfasst

Eine Sensation am Rheinknie: 1929 schwingt die legendäre Josephine Baker in Basel ihr Bananenröckchen und wird vom Publikum gefeiert. Sie ist ein Megastar jener Zeit, verlangt eine sagenhafte Gage von 3500 Franken pro Abend – so viel, wie ein normaler Basler im Jahr verdient.

Von Jürgen Scharf

Basel/Lörrach. „Bananen- und Straußenfederntanz, alles ist da“, schreibt damals die Presse und erwähnt, dass die Tänzerin und Sängerin „unter einem zauberhaften Blütenrock und mit anmutigem Stimmlein... hawaiisch-englisch-sentimentale Weisen“ singt. Einen Skandal ruft ihr Schweizer Gastspiel trotz ihrer „animalischen Unverdorbenheit“, so ein Kritiker, im angesagten „Küchlins Variété Theater“ nicht mehr hervor.

Küchlin-Theater wurde von Lörracher gegründet

In den Jahren 1945 und 1950 tritt die mit Federn und Plüschbananen um die Hüfte wippende Charlestontänzerin wieder auf dieser Bühne auf. Eine von vielen Revuestars und Unterhaltungskünstlern, die das Küchlin Theater, das bis 1950 existierte und seither ein Kinobetrieb ist, in seiner langen Ära gesehen hat.

Wer weiß heute noch, dass dieses Basler Weltvariété, in dem ein Maurice Chevalier, die Comedian Harmonists, der große Clown Grock, die für ihre schönsten Beine der Welt bewunderte Mistinguett und Filmstars wie Hans Moser, Heinz Rühmann, Theo Lingen und Hans Albers aufgetreten sind, von einem Lörracher gegründet wurde: Karl Küchlin.

Von dem aus einer Küfer- und Bierbrauerfamilie stammenden Küchlin, der als Waisenbub hinaus in die weite Welt zog, um sein Glück zu machen, und 1912 in Basel einen Theaterpalast von internationalem Flair errichten ließ, erzählt der Rheinfelder Autor Thomas Blubacher in seinem kürzlich herausgekommenen neuen Buch „Basels Weltvariété: Karl Küchlin und sein Theater“.

Es ist die Lebensgeschichte dieses hochgeachteten Theaterimpresarios und Pioniers in der Unterhaltungsbranche, dem der Erfolg nicht in den Schoß gefallen ist, angelehnt an den amerikanischen Traum „Vom Tellerwäscher zum Millionär“.

Auf gut 200 Seiten schildert Blubacher den Lebensweg Küchlins und die bewegte Geschichte seines Theaters, das fast 1000 Sitzplätze umfasste, mit Stehplätzen sogar 1500.

Küchlin kümmerte sich väterlich um die Künstler

Bis 1918 leitet Karl Küchlin sein Theater selbst, dann zieht er sich in den Verwaltungsrat zurück und zieht die Fäden im Hintergrund, schließt die Verträge und Engagements ab, ist die graue Eminenz.

„De Babbe Küchlin“ ist, wie ihn Blubacher beschreibt, ein „menschlicher Patriarch“, der sich väterlich um seine Künstler kümmert, ein allseits verehrter Theaterchef mit einem ausgezeichneten Ruf in der Branche, der sogar bis Paris, New York und Berlin dringt, wo man mit Respekt von ihm spricht.

Im Jahr 1932, in der Jubiläumsspielzeit, drei Jahre vor seinem Tod, wird „Papa Küchlin“ bei einer glanzvollen Festvorstellung als Ehrengast begrüßt und gefeiert. Mit seiner Frau sitzt er „still und bescheiden“ in der Loge, ein wahrer Nestor der Variété-Direktoren.

Küchlins Ziehbruder war Max Laeuger

Doch es dauert einige Jahre, bis Küchlin zum Gründer der Unterhaltungsstätte, die seinen Namen trägt, wird. Früh hat er seine Eltern und den Bruder, der in der Wiese ertrank, verloren, wird von der Nachbarsfamilie Laeuger aufgenommen.

Der später berühmte gleichaltrige Keramiker und Architekt Max Laeuger wächst mit ihm als eine Art „Ziehbruder“ auf. Und dieser Laeuger gestaltete später die heute denkmalgeschützte Fassade des Variététheaters.

Bevor er zum erfolgreichen Geschäftsmann wurde und Karriere im Gastgewerbe und der Unterhaltungsbranche machte, war Karl Küchlin Metzgerlehrling. 1885 kauft er die frühere Brauerei seiner Familie in Lörrach zurück und eröffnet hier eine „Bayerische Bierhalle“. In Freiburg leitet er die Wirtschaft Gambrinushalle mit angeschlossener Variétébühne und veranstaltet dort täglich Unterhaltungsprogramme in seinem Saal „Colosseum“.

Alles kam, was Rang und Namen hatte

Um 1900 kommt Küchlin nach Basel, betreibt dort das Cardinal-Theater, bevor er sein eigenes in der Steinenvorstadt baut. Auf alten Fotos sieht man noch diesen prachtvollen Jugendstilbau mit dorischen Halbsäulen und einem Saal mit amphitheater-ähnlich ansteigenden Rängen und dem in den Theaterfarben Dunkelrot und Gold gehaltenen Zuschauerraum mit Vergoldungen und Blätterwerk an den Logen, der heute noch aussieht wie vor 100 Jahren.

Und hier ist dann für viele Jahrzehnte alles aufgetreten, was in der Zirkus-, Variété-, Revue- und Illusionisten-, Musik- und Theaterwelt Rang und Namen hatte: Humoristen, Tänzer, Fakire, Zauberer und Soubretten.

Die Shows, die dort gezeigt werden, sind so spektakulär wie später die von Siegfried und Roy in Las Vegas. Einen Elefanten von der Bühne verschwinden zu lassen, war ein besonderes Spektakel.

Variété für die notleidenden Lörracher

Küchlin und seine nachfolgenden Theaterleiter wussten, wie man den Laden voll kriegt, mit Operette, Schwänken, Revuen, Gastspielen und Can Can-Tänzerinnen. Man darf auch daran erinnern, dass der Theaterchef eine soziale Ader hatte und im Ersten Weltkrieg Wohltätigkeitsveranstaltungen in seinem Varieté für die notleidende Lörracher Bevölkerung macht. Er ist wohl im Herzen ein Lörracher geblieben.

In der Nazi-Zeit wird das Basler Variététheater zu einer Auftrittsstätte für verfolgte jüdische Theaterleute und Kabarettisten. Nach dem Krieg gastieren dann die einstigen UFA-Filmstars in Helvetiens schönstem Variététheater.

Es ist also ein Stück Basler Kulturgeschichte und dazu noch ein Stück Lörracher Familiengeschichte der Küchlins, die Thomas Blubacher in seinem Buch aufblättert. Man lernt endlich diesen Lörracher kennen, der weltberühmt, aber in seiner Heimatstadt nahezu unbekannt und nach dem noch keine Straße benannt ist.

Info:  Thomas Blubacher: „Basels Weltvariété. Karl Küchlin und sein Theater“, 224 Seiten, Zytglogge Verlag, 31,50 Euro Buchvorstellung: Freitag, 15. Juli, 18 Uhr, Dreiländermuseum Lörrach, Gespräch mit Museumsleiter Markus Moehring

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