Lörrach Wenn Brüder zusammensitzen, ist alles gut

Tonio Paßlick
Das Berliner Musikprojekt „Sistanagila“ Foto: Tonio Paßlick

Das Konzert der iranisch-israelischen Gruppe „Sistanagila“ wurde am Freitagabend im Foyer des Burghofs zum Statement.

Als sich der persische Tombak-Virtuose Jawad Salkhordeh und der israelische Saxophon- und Synthesizer-Spieler Omri Abramov nach ihrer fulminanten Improvisation „Synergie“ in die Arme nehmen, wird im begeisterten Beifall deutlich, dass es nicht nur um Musik geht: „Lasst uns all diese Konflikte nehmen und schöne Kunst daraus machen“, sagte Band-Gründer Yuval Halpern, bevor nach emotionalen Standing Ovations noch zwei Zugaben gespielt wurden.

Wehmut und Hoffnung

Auch der Burghof konnte bei der Planung nicht ahnen, was in den Tagen vor dem Konzert in Israel geschehen würde. Aber sechs Tage nach dem Massaker und der Angst vor einem Flächenbrand in Nahost atmete das Berliner Musikprojekt „Sistanagila“ nicht nur Hoffnung und Wehmut. Der Titel des zweiten Albums Urub, Sonnenuntergang auf Persisch, bezeichnet auch den Zeitpunkt, an dem man sich zusammensetzt. Denn „Hine ma tov …“, singt Halpern auf hebräisch: „Alles ist gut, wenn Brüder zusammensitzen.“ Nicht nur Wunsch, sondern Fanal und Gebet.

Der Name ist Programm

Begonnen hatte die Geschichte des Quintetts im Internet. Auf dem Portal „Couchsurfing“ wurde der Informatiker Babak Safian auf Yuvals Profil aufmerksam und überzeugte ihn, der antiisraelischen Stimmung im Iran von Ahmadinedschad mit einer israelisch-iranischen Band zu begegnen. Und die gemeinsame Sprache der Musik als Brücke, als Form des Dialogs vorzuschlagen.

Der Name war Programm: „Hava Nagila“ ist ein hebräisches Volkslied und „Sistan“ eine iranische Provinz. Für den Bandnamen suchten sie einen Begriff, der in beiden Sprachen heimisch ist. In Sistanagila fanden sie einen Neologismus, der die israelische mit der iranischen Welt verbindet.

Zu den Musiker gehören auch der iranische Gitarrist Hemad Darabi und der Kontrabassist Avi Albers Ben Chamo. Sie praktizieren den Dialog, indem sie einander neugierig lauschen und miteinander improvisieren und arrangieren.

Im Dezember 2012 wurden dann die ersten Konzerte gegeben. Sie bedienen sich dabei sowohl folkloristischer und religiöser Melodien aus Klezmer, sephardischer und traditionell persischer Musik als auch moderner und klassischer Kompositionen. Die unterschiedlichen Melodien und Motive, neu arrangiert mit Einflüssen von Flamenco und Jazz bis hin zu progressivem Metal, verschmelzen zu einer so noch nicht gehörten Musik.

Eigene Geschichte

Jeder Musiker bringt seine eigene musikalische Geschichte mit.

Gitarrist Darabi und Kontrabassist Avi Ben Chamo finden dabei den Freiraum für eigene Kompositionen, Jawad Salkhodeh zaubert mit der Becher-Trommel Tombak die unglaublichsten Rhythmen auf das Fell, Omri Abramov wechselt auf dem Saxofon zwischen Klezmer und Jazz, und Yuval Halperns Stimme zwischen Rock und sephardischer Romantik.

Der israelische Kontrabassist Avi Albers Ben Chamo hingegen begann seine Berliner Karriere mit einer Straßen-Jazzband, beschäftigte sich dann intensiv mit klassischer Musiktheorie und lässt sich gerne vom Bachschen Kontrapunkt inspirieren.

Fragen einer Mutter

Halpern moderiert und hält sich mit politischen Statements zurück. Aber er räumt ein, dass ihn die aktuellen Ereignisse um die Fassung bringen könnten. Bei „Shabbat Shalom“ dürfen sich seine Emotionen in der sanften und zugleich ausdrucksstarken Kopfstimme zeigen. In dem Lied fragt eine Mutter „Was ist passiert?“ In den vier orientalischen Jahreszeiten beschreiben die Instrumente und Melodien wie bei Vivaldi elementare Urgewalten wie Wind und Kälte.

Hoffnung in Musik

Das Ensemble schöpft aus den Inspirationen ihrer jeweiligen Quellen. Bei Nurit Hirschs modern und jazzig interpretierter Komposition „Osse Shalom“ im 7/8-Takt schnippt das inspirierte Publikum mit. Das melancholische „La Rosa Enflorece“ steht für die Traditionen der sephardischen Juden. Aber auch Hoffnung liegt in Liedern wie „Jamila“ mit seinen Flamenco- und Swing-Rhythmen. Wo könnte sie schöner zu fassen sein als in dieser Musik?

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