Lörrach Wider die Unterdrücker

Die Oberbadische
Foto: Sean Goldthorpe Foto: Die Oberbadische

Tanz: „#JeSuis“ mit der Aakash Odera Dance Company im Burghof

Von Gabriele Hauger

Lörrach. Eine Stunde geballter Emotionen! Die Choreografie „#JeSuis“ der Aakash Odera Dance Company entwickelt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Ein Kaleidoskop an starken Bildern, verwirrenden, teils provozierenden Klängen, dazu dynamische, mitreißende, entfesselte Tänzer faszinierten am Mittwochabend vor leider nicht allzu großem Publikum im Lörracher Burghof.

Der preisgekrönte britische Tänzer Aakash Odera greift mit diesem Werk – einer Mischung aus Tanz und Theater – die Frage nach der Existenz des Menschen auf. Vor allem die Vielschichtigkeit von Unterdrückung, die Menschen erfahren müssen, wird in starken Rhythmen und Bewegungen aufgegriffen.

Im Zentrum des Geschehens steht der in seiner Größe und seinem an die 30er, 40er Jahre erinnernden Militärmantel sehr bedrohlich wirkende machtvolle Unterdrücker. Um ihn herum Verzweifelte, Ausgestoßene, Hoffende, Ängstliche. Vier Frauen und zwei Männer durchleben unterschiedlichste Formen der Repression.

Unweigerlich wecken die verschiedenen Szenerien Assoziationen. Was wird Menschen alles angetan? Da wartet eine Frau verzweifelt auf ein Dokument, einen Stempel, der alles entscheidet. Da sind Zitate aus der Nazi-Zeit (so wird Charlie Chaplins „Diktator“-Filmrede in Auszügen abgespielt). Da wird für Freiheit und Gerechtigkeit demonstriert. Da werden Gefangene misshandelt, wird Redefreiheit abgewürgt, wenn der Wärter den Aufbegehrenden das Mikrofon wegreißt.

Doch die Szenen zitieren nicht nur Historisch-politisches wie Flucht, Vertreibung, Migration oder Demokratiefeindlichkeit. Es geht zudem um zwischenmenschliche Repression, Dominanz, Einsamkeit, Verlassenheit.

Das Stück entwickelt große Dynamik, und das zuweilen fast verzweifelte Aufbegehren der Tänzer, oftmals in synchronen Gruppenauftritten, ihr wildes Drehen, Gestikulieren, die fliegenden Haare der Frauen, das Ganze in stets düster-bedrohlichem Licht mit expressivem Schattenwurf – ergreifend.

Nicht alle Bilder sind eindeutig definierbar – das sollen sie auch gar nicht sein. Vielmehr geht es dem Choreografen um das Menschliche an sich, um unser Dasein mit all unseren Ängsten und Hoffnungen. Bewusste Abstraktionen lassen Spielraum für eigene Gefühle, für innere Filme, die unweigerlich abgespult werden.

Ganz tief berührt wird der Zuschauer indes, wenn lautes Meeresrauschen erklingt, wenn die Körper der Tänzer verrenkt am Boden liegen, wenn eine Frau vergeblich um ihr Leben kämpft und mit einem Scheinwerfer suchend ins Publikum geleuchtet wird – wo sind sie, die Überlebenden? Aakash Odera läuft aber auch bei solch eindeutigen Bezügen niemals Gefahr, plakativ zu werden, trotz aller ungeheuren Aktualität zum großen Thema Migration, die er in seine Choreografie packt, und die auf emotionale Weise eine Flut von Bildern, wie wir sie täglich in den Medien sehen, evoziert.

In düstrem Verfangen bleibt der Abend indes nicht. Dem Unterdrücker stellen sich die sechs Tänzer entgegen, umringen ihnen, stampfend, mit unbeirrter Hartnäckigkeit stehen sie da – und scheinen am Ende zu siegen, wenn auch ohne großen Triumph „Je Suis“, ich bin – ein grandioser Appell an die Besinnung auf die Menschlichkeit, an das Recht auf Freiheit.

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