Lörrach „Wir sind auf dem richtigen Weg“

Gabriele Hauger
Es gibt auch Grund zum Feiern: Schließlich wurde einiges für die Rechte von Frauen erreicht. Noch ist aber viel zu tun. Foto: pixabay

Heute ist Weltfrauentag. Aus diesem Anlass finden verschiedene Aktionen im ganzen Landkreis statt. In Lörrach hat die Frauenberatungsstelle ihren Sitz. Wir wollten wissen, welche Bedeutung die Institution diesem Gedenktag zumisst.

Warum braucht es einen Weltfrauentag?

Der internationale Weltfrauentag, der alljährlich am 8. März stattfindet, wurde 1975 von den Vereinten Nationen institutionalisiert. Dieser Tag gibt weltweit Anlass, auf weiterhin vorherrschende Ungleichheiten aufmerksam zu machen und politische Forderungen zur Stärkung der Gleichberechtigung zu stellen. Nach wie vor werden Frauen weltweit –zum Teil massiv – benachteiligt. So zeigen Statistiken, dass Frauen überproportional häufiger von häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie Armut und Hunger betroffen sind. Auch heute noch wird Frauen in einigen Ländern das Recht auf Bildung verwehrt. Der Weltfrauentag feiert die bisherigen Errungenschaften und zeigt auf, was es für eine freie und gleichberechtigte Zukunft braucht: ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung, ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, eine Schließung der Lohnlücke, eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit, Sichtbarkeit von nicht-binären Personen, und dem generellen Ziel, dass Frauen frei von Angst leben können. Laut der UN sind bei der Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter ein Mangel an Geldern das größte Hindernis, daher lohnt es sich, dass mehr in Gleichstellung investiert wird. Das diesjährige Motto des Internationalen Weltfrauentages lautet „Invest in women: Accelerate progress“ (zu deutsch: In Frauen investieren: Fortschritte beschleunigen).

Steffi Lais gibt am Frauentag, 8. März, 20 Uhr, in der Alten Halle Haagen in Lörrach ein Benefizkonzert. Foto: zVg

Es finden auch in Lörrach Aktionen statt. Wie präsentiert sich die Frauenberatungsstelle?

In diesem Jahr – wie in den Jahren zuvor auch – veranstaltet die Frauenberatungsstelle Lörrach ein Benefizkonzert mit Steffi Lais & Band. Hierbei ist das Konzert ein wichtiger Kanal, um auf die angesprochenen Ungleichheiten aufmerksam zu machen und Hilfsangebote durch unseren Info-Tisch aufzuzeigen. Das Benefizkonzert soll Menschen verbinden, die gemeinsam die bisherigen Errungenschaften der Vorkämpferinnen feiern, sowie mit ihrer Anwesenheit und Spenden gemeinsam für eine gerechtere Welt einstehen wollen.

Was sind hier vor Ort die dringendsten Probleme von Frauen, denen Sie in Ihrer täglichen Arbeit begegnen?

Zu uns kommen Frauen und Mädchen, die psychische, physische und/oder sexualisierte Gewalt erlebt haben oder immer noch erleben. Stalking, Morddrohungen oder Digitale Gewalt sind weitere häufige Themen. Auch hier vor Ort befinden sich Frauen noch immer in Abhängigkeiten, die Gewalt begünstigen können oder einen Ausbruch aus häuslicher Gewalt erschweren. Das können zum Beispiel finanzielle Abhängigkeit, Abhängigkeiten in Verbindung mit einem Aufenthaltstitel, gemeinsame Kinder, Einschüchterung durch körperliche Überlegenheit, aber auch berufliche Abhängigkeiten gegenüber Führungskräften sein. Als Beraterinnen können wir dabei psychosoziale Unterstützung für den Umgang mit Gewalterlebnissen, oder praktische Hilfen für einen Ausstieg aus gewaltvollen Beziehungen anbieten. Gesellschaftlich herrschen noch immer Vergewaltigungsmythen, die Frauen eine Teilschuld an einem sexuellen Übergriff geben. Auch reagiert das soziale Umfeld von Frauen, die es nicht aus einer Gewaltbeziehung herausschaffen, oftmals mit Unverständnis und Stigmatisierung der Betroffenen. Gewalterlebnisse können daher zu Scham- und Schuldgefühlen, sozialer Isolation und Selbstzweifel führen, welche wiederum erneute Gewalterfahrungen begünstigen können.

Was konnte die Frauenberatungsstelle seit ihrem Bestehen erreichen?

Die permanent steigenden Beratungszahlen in den letzten Jahren zeigen auf, dass sich mehr Mädchen und Frauen Hilfe suchen. Wir gehen davon aus, dass es vor allem mit einem erhöhten Bewusstsein für geschlechtsspezifische Gewalt in der Bevölkerung einhergeht und auf die starke Präsenz unseres Vereins zurückzuführen ist. Als Frauenberatungsstelle haben wir nicht nur den Anspruch, in Einzelberatungen strukturelle Ungleichheiten abzufedern, indem wir Mädchen und Frauen stärken, sondern politische, öffentlichkeitswirksame Arbeit für einen Wandel zu leisten. Für eine strukturelle Veränderung braucht es aber nicht nur das Engagement von feministischen Einrichtungen, es braucht ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, sowie eine starke zivilgesellschaftliche Mitwirkung. Diese ist dauerhaft wichtig, nicht nur am 8. März!

Haben Sie die Hoffnung, dass die junge Frauengeneration selbstbewusster wird und mit weniger geschlechtsspezifischen Problemen kämpfen muss?

Wir haben den Eindruck, dass weibliche Solidarität für junge Frauen selbstverständlicher geworden ist. Immer wieder erleben wir, dass Klientinnen mit befreundeten Mädchen oder Frauen zu einem Erstgespräch kommen und von diesen Begleitpersonen viel Rückhalt bekommen. Auch stellen wir fest, dass Klientinnen bereits informiert zu uns kommen: Fachbegriffe wie beispielsweise Gaslighting oder Täter-Opfer-Umkehr sind geläufiger geworden. Trotz allem kann es nicht die alleinige Aufgabe der Frauen sein, sich mehr zu schützen und selbstbewusster zu werden. Alle Menschen in unserer Gesellschaft sollten ihre Privilegien und Verhalten gegenüber anderen hinterfragen und sich für Gleichberechtigung aktiv einsetzen. Bisher hat laut der UN Women International noch kein Land der Welt die Gleichstellung der Geschlechter erreicht – auch Deutschland nicht. Nach Rechnung der UN müssen Frauen, Mädchen und die Gesamtgesellschaft noch 285 Jahre kämpfen, bis sie Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit erreicht haben. Das ist ein langer Weg. Das Gute ist, dass wir uns bereits auf dem Weg befinden. Und jede und jeder etwas dazu beitragen kann.

Freitag, 8. März, 20 Uhr, Alte Halle Haagen: Steffi Lais Band

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