Lörrach Wo das Wort noch Bedeutung hat

(chs)
SWR-Redakteur Henning Hooss (links) mit Schauspieler Vincent Leittersdorf. Foto: Christoph Schennen

Hörspielreihe: Mit den Ohren sieht man besser. Vincent Leittersdorf zu Gast.

Lörrach - In der Reihe „Mit den Ohren sieht man besser“ war am Sonntag der Schauspieler Vincent Leittersdorf zu Gast in der Lörracher Bar „Drei König“. Eine Leidenschaft des gebürtigen Berliners ist das Hörspiel. Seit 15 Jahren arbeitet Leittersdorf als Sprecher für diverse Rundfunkanstalten. SWR-Redakteur Henning Hooss hatte für die Matinee drei Hörstücke ausgewählt, in denen sowohl dessen komödiantisches Talent zum Vorschein kommt als auch die Fähigkeit, in einer Tragödie zu glänzen.

Zunächst war ein 20-minütiger Ausschnitt aus „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ (2015) zu hören, in der Leittersdorf einen gregorianischen Priester namens Ter Haigasun spielt. Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Roman von Franz Werfel, dessen Werke kurz nach dem Erscheinen von den Nationalsozialisten verboten wurden. Das Stück thematisiert den Völkermord an den Armeniern 1915 und 1916. Vincent Leittersdorf hatte das Buch bereits gelesen und als „Weltliteratur“ ausgemacht, als Kai Grehn ihn für das Hörspiel engagieren wollte. Leittersdorf kannte den Autor und Regisseur vom Theaterstück „Der Berg über den kein Vogel fliegt“, das 2009 am Theater Basel uraufgeführt wurde und in dem Leittersdorf den verunglückten Bergsteiger, spielt, der in 7 000 Meter Höhe ums Überleben kämpft. Um knirschenden Schnee zu simulieren, kamen die beiden auf die Idee, dass der Bergsteiger sich in Kies legt. „Es gab Dinge, die man gemeinsam errungen hat, und deswegen entschied ich mich bei „Musa Dagh“ mitzuspielen“, so Leittersdorf. Er schätzt die Arbeitsweise Grehns, der für seine Hörspiele zu den Orten der Handlung fährt (bei „Musa Dagh“ war es die Türkei).

Für den Schauspieler ist das Hörspiel die „letzte Insel, wo das Wort eine Bedeutung hat“. Schade sei es, dass in immer kürzerer Zeit die Hörspiele produziert werden müssten, obwohl das Hörspiel besser werde, je mehr Variationen man aufnehmen könne.

Verzweifelter Lotse

Eine ganz andere Rolle ist die des Lotsen, die Vincent Leittersdorf in „Menschliches Versagen“ (2012) von Lukas Holliger gespielt hat. Auch daraus war ein Ausschnitt zu hören. Das Hörspiel zeichnet die Ereignisse der Kollision zweier Passagierflugzeuge am Bodensee nach, bei der am 1. Juli 2002 71 Menschen, darunter 49 Kinder, ums Leben kamen. In einer Montage werden Zitate aus Unfallberichten, Prozessakten und Schlagzeilen der Boulevardmedien mit fiktiven Szenen zusammengeführt.

Eine Mitschuld an der Kollision trägt der Lotse, der innerhalb kürzester Zeit falsche Entscheidungen trifft, was zu dem fatalen Unglück führt. Fortran ringt der namenlose Fluglotse um sein Leben – und mit sich selbst. Man spürt die Verzweiflung des Flughafenmitarbeiters, der sich schwere Vorwürfe macht. Durch die dramatische Stimmung empfindet der Hörer Mitleid mit seinem tragischen Schicksal, bei dem der Lotse zudem seine eigene Familie, die unter den Flugzeuginsassen war, verliert.

Gekonnt verkörpert Vincent Leitersdorf in diesem sehr dichten Hörspiel den niedergeschlagenen Mann, den er mit einer höheren Tonlage spricht als „Ter Haigasun“.

Eine weitere Facette seines schauspielerischen Könnens wurde dann beim Podcast „Akte 88“ (2018) deutlich, die in der Februar-Matinee vorgestellt wurde (wir berichteten). Zu hören war Folge 2, bei der Leittersdorf den durchgedrehten Sprecher gibt. Die abstrusen Ansichten der Verschwörungstheoretiker liefern die „Akte 88“-Regisseure einem comichaft-übertriebenen Kommentator aus.

Wenn man diese Rolle mit den anderen beiden vorgestellten Rollen hört, kann man kaum glauben, dass es sich dabei um ein und desselben Sprecher handelt.

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