Lörrach Wölblinstraße: Anwohner kommen nicht zur Ruhe

Adrian Steineck
Eine Häuserzeile macht derzeit bundesweit Schlagzeilen: Die Bewohner der Wölblinstraße 21 bis 29 sollen ihre Wohnungen räumen. Der freiwerdende Wohnraum soll für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Foto: Adrian Steineck/Adrian Steineck

Wie geht es den betroffenen Mietern? Unsere Zeitung hat sich umgehört.

Menschenleer liegt die Wölblinstraße an diesem Vormittag da. Auf einer Mülltonne sitzt ein Rabe und krächzt heiser. Die Fenster sind geschlossen. Vielerorts sind die Jalousien heruntergezogen. Lediglich aus einem Fenster heraus lehnt eine Seniorin und spricht mit jemandem, der vor ihr steht. Es ist ein Journalist einer überregionalen Tageszeitung, die ihren Sitz in Berlin hat. Eigentlich würde sie sich freuen, wenn sie nach Schopfheim ziehen könnte, dort hat sie eine Schwester, verrät die Seniorin. Aber überrascht, ja, das war sie schon von dem Schreiben, das sie vergangene Woche erreicht hat. Darin kündigt die Städtische Wohnbaugesellschaft Lörrach als Vermieterin an, dass ihr Mietverhältnis zum Ende des Jahres gekündigt werden soll. Die Wohnungen sollen dann für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden.

In einem Pressegespräch am Mittwoch haben der Lörracher Oberbürgermeister Jörg Lutz und Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Städtischen Wohnbau, Stellung zu dem Vorgehen bezogen (wir berichteten). Dort hieß es auch, dass den betroffenen Mietern eine bezahlbare Wohnung in einem Quartier ihrer Wahl angeboten würde.

Wohnbau ist vor Ort

Während des Gesprächs mit der Seniorin verlassen zwei Vertreter der Wohnbau Lörrach das Haus. Sie führen gerade Gespräche mit den betroffenen Mietern, um ihnen Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Ob das denn sein müsse, dass man hier in der Hoffnung auf emotionale Mieterreaktionen ältere Menschen in die Öffentlichkeit zerre, wird man als Medienvertreter gefragt. „Keine Sorge, ich weiß schon, was ich sage“, meint die Seniorin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ich weiß, Sie sind ein Fan der Wohnbau“, meint daraufhin der Wohnbau-Vertreter. Gegenüber unserer Zeitung sagt er, dass ihm die betroffenen Mieter leid täten. Man suche mit jedem das Gespräch und probiere so gut wie möglich, Perspektiven aufzuzeigen. Wie es am Mittwoch im Pressegespräch hieß, habe bereits die erste betroffene Mieterin mit ihrer Familie mithilfe der Wohnbau Lörrach eine neue Bleibe gefunden.

Die betroffenen Mieter haben in den vergangenen Tagen einen regelrechten Medienauflauf erlebt. Kamerateams haben Interviews geführt, haben auch in den Wohnungen gedreht. Vom Boulevardmagazin „Brisant“ über die SWR-Landesschau bis hin zu den „Tagesthemen“ wurde am Mittwoch berichtet. Das bundesweite Fernsehpublikum konnte sehen, wie es in der Wölblinstraße aussieht.

Mieter startet Petition

Das geht an die Substanz. „Ich glaube, die Leute wollen gerade nicht mehr darüber reden“, sagt Samuel Multner. Der 34-Jährige ist Künstler und hat gemeinsam mit seiner Mutter eine Wohnung in einem der betroffenen Häuser. Er hat auch schon anderen Zeitungen Rede und Antwort gestanden, von der Lokalzeitung bis zum deutschlandweit erscheinenden Boulevardblatt. Wie ist das, wenn auf einmal ein Kamerateam vor der Tür steht? „Auf jeden Fall war es eine positive Erfahrung“, sagt er. Dadurch sei ihm und den anderen Mietern Gehör verschafft worden. „Als kleiner Bürger hat man sonst keine laute Stimme“, sagt er.

Multner hat auch eine Petition gestartet. Er geht derzeit von Wohnung zu Wohnung und sammelt Unterschriften. „Hier will keiner wirklich weg“, schildert er seinen Eindruck. Er selbst wohnt erst seit fünf Monaten gemeinsam mit seiner chronisch kranken Mutter hier, nachdem die beiden drei Jahre auf eine Wohnung gewartet haben. Er hofft, mit der Petition ein „kleines Zeichen“ setzen zu können. „Man muss auch als kleiner Bürger nicht alles akzeptieren“, sagt er. Multner moniert vor allem, dass die Mieter nicht gewusst hätten, dass die betreffenden fünf Häuser ohnehin abgerissen werden sollen.

Enttäuschung ist da

Zu den ebenfalls öffentlich gehörten Stimmen gehört Manfred Asal. Der 81-Jährige ist für die „Tagesthemen“ interviewt worden. In der Sendung vom 22. Februar betont er, Verständnis für die Notwendigkeit der Unterbringung von Flüchtlingen zu haben. Er sei auf niemanden böse, aber „mordsmäßig enttäuscht“. Auch Samuel Multner ist in dem „Tagesthemen“-Beitrag zu Wort gekommen.

Auch am Donnerstag kommt die Wölblinstraße nicht zur Ruhe. Ein kleines Kamerateam ist eingetroffen und macht Aufnahmen. Ein Passant, der nicht Anwohner der Wölblinstraße ist, macht seinem Unmut Luft. „Das ist eine Frechheit, was Lörrach mit seinen Bürgern macht“, sagt er.

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