Lörrach Worum es im Leben wirklich geht

Die Oberbadische
Will heute den Lörracher Marktplatz erobern: Tom Odell Foto: Die Oberbadische

Stimmen I: Tom Odell über seine Erfolge, Dramatik im Leben und was einen guten Song ausmacht

Lörrach. Der britische Pop-Barde Tom Odell kommt heute auf den Lörracher Marktplatz. Sein erstes Album „Long Way Down“ war ein Senkrechtstarter. Groß und dramatisch klingen seine Lieder, die Authentizität bleibt dabei dennoch nicht auf der Strecke. Katharina Ohm unterhielt sich mit ihm.

Frage: Was war Ihr erster Gedanke, nachdem Sie erfahren haben, dass Ihr Album „Long Way Down“ die Platinauszeichnung erhalten hat?

Es war großartig, weil ich dafür sehr hart gearbeitet habe. Das war ein langer Weg. Ich finde es unglaublich, dass die Leute meine Musik mögen. Ich war mir da im Vorhinein nicht sicher.

Frage: Sie beschreiben Ihre Lieder als dramatisch. Mögen Sie Dramatik?

Ja (überlegt). Es ist mir selbst aufgefallen, dass alle meine Songs eigentlich unabsichtlich voller Dramatik sind. Mein Leben hat sich schon immer dramatisch angefühlt, und meine Songs spiegeln das wider. Dramatik scheint mir zu folgen, ich weiß nicht warum. Tatsächlich ist es für mich eher mühsam, wenn in meinem Leben nichts los ist.

Frage: Also mögen Sie es?

Ich mag es sicherlich nicht langweilig. Ich mag aufregende Leute um mich herum. Ich bin in einer Vorstadt in West Sussex aufgewachsen, da ist einfach nichts los. Als ich da weggezogen bin war es auch aus Sehnsucht nach mehr Aufregung in meinem Leben. Vielleicht zieht mich das Drama deswegen an, ich weiß es nicht.

Frage: Sie haben sich ein Sabbatjahr in Manhatten genommen, um sich auf ihr zweites Album „Wrong Crowd“ zu konzentrieren. Gab es ein spezielles Erlebnis, nachdem Sie wussten: Davon soll mein Album handeln?

Es war eigentlich nur ein halbes Jahr. Ich bin in Manhattan gestartet und später nach Los Angeles weitergezogen. In Amerika, speziell in New York, hat es niemanden interessiert, wer ich bin. Ich habe meine Anonymität zurückbekommen. Es war schön, dass ich mich wieder in Bars setzen, mich normal mit Menschen unterhalten konnte. Die Zeit hat vor allem mir selbst gutgetan.

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Als ich in New York war und den Song „Wrong Crowd“ geschrieben habe, das war eher am Ende meines Schreibprozesses für das Album, da habe ich zum ersten Mal realisiert worum es in dem Lied wirklich geht. Da war für mich klar, worum das Album gehen soll.

Frage: Wo wir gerade bei dem Song „Wrong Crowd“ sind: (deutsch etwa: „Falscher Freund“): In diesem Lied besingen Sie eine Abschiedsszene von Ihrem Bruder und Ihrer Mutter. Das klingt so als könnte das Ereignis tatsächlich stattgefunden haben?

Der Song ist fiktional. Ich habe zum Beispiel keinen Bruder. Es war mehr so, dass ich mich mit der Idee identifizieren kann. Ich glaube, es gibt viele Musiker, die das Gefühl kennen, von falschen Freunden umgeben zu sein.

Besonders wenn man seinen Platz in der Gesellschaft sucht: Politisch gesehen, oder wenn man überlegt, mit welchen Leuten und Ideen man sich umgibt. Darum geht es in dem Song wirklich. Das Gefühl, dass jede Entscheidung in diesem Zusammenhang unzulänglich ist.

Frage: Das Musikgefühl im ersten Album war eher ruhig, mit viel Klavier, während das zweite Album wesentlich rhythmischer war. Was hat sich verändert?

In den zwei Jahren nach dem ersten Album habe ich häufiger mit einer Live-Band gespielt. Ich habe wahnsinnig viel Musik gehört, viel mehr als früher, und wurde dadurch neu beeinflusst und inspiriert. Ich wollte meine Musik ausarbeiten, etwas Drama hinzufügen. Ich fand es sehr interessant, mit neuen Instrumenten zu arbeiten.

Frage: Wenn Sie einen neuen Song schreiben, was ist zuerst im Kopf, die Melodie oder der Text?

Das ist immer unterschiedlich. Oft kommt der Text zuerst, manchmal entsteht plötzlich eine Melodie beim Klavierspielen. Aber es gibt Momente, wo beide miteinander auftauchen. Das ist der beste Weg, weil man dann nicht versucht Text und Melodie künstlich zusammenzufügen.

Frage: Was ist wichtiger für einen Song: Der Inhalt oder das Gefühl?

Das hängt meiner Meinung vom Künstler ab. Bob Dylan zum Beispiel: Da ist die Musik nicht so wichtig, und man hört eher dem Text zu, weil er so wundervolle Poesie schreibt. Ganz anders Taylor Swift. Da geht es eher darum welche Gefühle die Musik beim Hören auslöst. Dadurch wird es aber nicht weniger hochwertig. Ich mag beides: das Gefühl und den Text. Für mich ist es eine stetige Auseinandersetzung, was genau einen brillanten Song ausmacht. Wahrscheinlich die Kombination: Wenn man jeweils einen richtig guten Text und eine richtig gute Melodie hat, aber beide nicht zusammenpassen, ist es sinnlos.

Frage: Wann wissen Sie, dass es ein guter Song ist?

Manchmal schreibe ich abends einen Song und finde ihn schrecklich und am nächsten Tag toll. Ich glaube, was einen guten Künstler von einem durchschnittlichen unterscheidet, ist das Wissen, wann ein Song gut ist und wann nicht. Diese Fähigkeit ist wahnsinnig wichtig für die Karriere. Ich arbeite manchmal Wochen an Songs und merke erst dann, dass sie total schlecht sind. Dafür braucht man mehr als nur musikalische Bildung, dafür muss man etwas Besonderes in sich haben: Die Frage ist immer „Fühlst du den Song?“

Frage: Zu Beginn Ihrer Karriere sind Sie zu von Bar zu Bar getingelt. Was hat Sie durch diese Zeit motiviert?

Ich weiß es nicht, wahrscheinlich das Gleiche, was mich auch jetzt antreibt: Ich liebe es einfach! Songs zu schreiben, um sie dann live zu performen. Die Herausforderung ist wundervoll. Es ist mir egal, ob ich für 1000 Leute spiele oder für 20.

Frage: Welches Programm können wir in Lörrach erwarten?

Ich freue mich riesig auf Lörrach. Es wird ein Mix aus beiden Alben und eine tolle Show, weil meine Live-Band aus wirklich großartigen Musikern besteht: Ich kann nur sagen: Kommt vorbei und findet es raus!   Stimmen-Festival: Tom Odell, heute Abend, 20 Uhr, Marktplatz, Vorgruppe: Robeat; Karten auch in unseren Geschäftsstellen

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