Lörrach Zwischen Quote und Leistung

Die Oberbadische
Vier Frauen diskutieren (v. l.): Stefanie Froescheis, Anke Leumann-Runge, Doris Maull, Monika Neuhöfer-Avdic und Esther Roth. Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Debatte: „Frauen wählen – 100 Jahre! “

Von Willi Vogl

Lörrach. „Freiheit, Bildung, Wohlstand für alle“, gab Gustav Struve am 21. September 1848 auf dem Alten Lörracher Rathaus als Parole aus. Die Wahlfreiheit für Frauen hatte der Revolutionär damit aber noch nicht im Blick. Die wurde erst am 5. Januar 1919 für die badischen Frauen und kurz danach in der gesamten deutschen Republik Realität.

Heute wird Deutschland von einer Kanzlerin regiert, und auch der Landtag in Stuttgart wird von einer Frau geleitet.

Welche Schritte auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern notwendig sind, diskutierten vier Frauen am Sonntag im Theaterhaus Tempus fugit unter dem Motto „Frauen wählen – 100 Jahre! Frauen an die Macht?“. Auf dem Podium saßen Esther Roth, Leiterin kulturelles.bl des Kanton Basel Landschaft, Lörrachs Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic, die Apothekerin und Unternehmerin Anke Leumann-Runge sowie Stefanie Froescheis, Schulleiterin der Gewerbeschule Lörrach. Moderiert wurde das Gespräch von Doris Maull vom SWR.

Was ist zu tun, um Frauen stärker an die Macht zu bringen, fragte Maull.

Persönliche Erfahrungen

Roths Vorgänger hatte 34 Jahre die Geschicke der Abteilung bestimmt – eine Frau auf dieser Position konnte man sich ohnehin nicht vorstellen. Auch die Apothekerin Leumann-Runge hatte in einer reinen Männerriege von Unternehmern anfänglich zu kämpfen. Allerdings könne es auch ein Vorteil sein, als 28-jährige Frau zunächst unterschätzt zu werden.

Neuhöfer-Avdics Einstieg als Bürgermeisterin war durch die weibliche Doppelspitze ihrer Vorgängerinnen von Anfang an gut eingeführt. Froescheis sieht in einer Kombination von Beharrlichkeit und Sinn für Humor eine gute Strategie mit kritischen Situationen umzugehen. Konsens zwischen den Diskutantinnen in der Überzeugung, man müsse als Frau besser vorbereitet sein, um mit den Männern gleichziehen zu können.

Geschlechterklischees

Im Hinblick auf Geschlechterklischees und den Tausch traditioneller Rollen stellte Roth fest, dass es beide Ehepartner nicht leicht hätten. Auf die häufige Frage an ihren Partner, wie es ihm als Hausmann und Kinderbetreuer gehe, antworte er: „Ja es geht mir gut, ich arbeite ein bisschen, wenn es die Zeit erlaubt.“ Diese Aussage klinge nicht gerade glücklich und unterscheide sich nicht von denen der Frauen, die ebenfalls in notwendiger Absprache mit dem Ehepartner die häusliche Rolle übernehmen.

Neuhöfer-Avdic hat gern Kinder, möchte in ihrer Funktion als Arbeitgeberin Vorbild auch für junge Mütter im städtischen Dienst sein und ist davon überzeugt, dass gute Organisation und Betreuungsangebote einen gangbaren Kompromiss zwischen Karriere- und Familienplanung ermöglichen.

Was für den öffentlichen Dienst vor allem bei großen Arbeitgebern verträglich für alle Parteien zu organisieren ist, stellt sich bei kleinen Wirtschaftsunternehmen als Bedrohung für ein harmonisches Arbeitsklima dar. So möchte Leumann-Runge den Teilzeitmüttern, die in den Beruf zurückkehren, kinderfreundliche Arbeitszeiten, den restlichen Vollzeitkräften jedoch nicht nur ungeliebte Randzeiten zumuten.

Herausforderung Kinder

Das „Risiko Kind“ sei immer ein Problem. „Sowohl der Ausfall eines Mannes als auch der einer Frau kann organisatorisch zu einer Katastrophe führen“, beschreibt Froescheis auch kurzzeitige Unterrichtsausfälle. Um hier mehr Gerechtigkeit zu erreichen, plädiert sie für Strukturen, die mehr Gleichbehandlung anstreben: „Erst dann ist es für den Arbeitgeber egal, ob er einen Mann oder eine Frau engagiert“. Bleibt der biologische „Nachteil“ des Kinderkriegens. Erfahrungen mit Kinderbetreuung könnten jedoch laut Neuhöfer-Avdic auch zu einem Wettbewerbsvorteil bei Einstellungen führen.

Frauenförderung

In der Frage nach gezielter Frauenförderung gab es teils divergierende, teils sich deckende Positionen. Roth plädierte für ein Netzwerk unter Frauen. Neuhöfer-Avdic hingegen liebt es, auch in gemischten Teams zu arbeiten und sieht gleichzeitig die Gefahr, dass die Besetzung von Positionen mit Frauen ohne Quote im Abwärtstrend ist. „Quote ist wichtig, aber ich muss zeigen, dass ich keine Quotenfrau bin“, skizzierte Froescheis ein damit verbundenes Problem.

In den Schluss-Statements wurde nochmals deutlich, dass sich hinsichtlich des traditionellen Rollenverständnisses und der Angebote in der Kinderbetreuung in den vergangenen Jahrzehnten bereits einiges getan hat. Gleichzeitig sehen sich die Diskutantinnen als Vorbilder und Gestalterinnen auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading