Lörracher Fasnacht Wie war es bei der Zunftabend-Premiere?

Marco Fraune
Bei der „Määrlischdund“: LJ 2030 mit Norman Meier als Zukunfts-Lutz, Thomas Wagner als Susanne Baldus-Spingler (Mitte) und Philipp Buser als Bademeister Foto:  

Die Lörracher Narrenzunft hat am Mittwochabend die Stadtspitze ebenso aufs Korn genommen wie Birger Bär oder auch Natali Fessmann. Das Vier-Stunden-Programm bot eine bunte Mischung. Wie schlug sich Hubert Bernnat bei seinem ersten Zunftabend?

Die Narren haben Wort gehalten. Ein facettenreiches Programm, in dem vor allem lokale und grenzüberschreitende Themen enthalten sind, ist auf der Bühne über vier Stunden hinweg zu sehen. Aus Brandschutzgründen können dies pro Abend zwar nur 168 statt 218 Gäste verfolgen – doch die schunkeln beim Premierenabend am Mittwoch vor Fröhlichkeit mit musikalischer Unterstützung der „Nightshadows“ von Rolf Hauser. Von der Bühne schwappt die Freude an der Fasnacht in den Saal. Dabei werden den Besuchern politische und gesellschaftliche Probleme durch die Narrenbrille vor Augen geführt – also eben humorvoll.

Die Heizungsdebatte wird auf das beschauliche Brombakulum gemünzt. Foto: Daniel Hengst

Was sind die Höhepunkte des Zunftabends?

Stark präsentiert wird mit dem passenden Bühnenbild die „Hai-Zung“. Die Heizungsdebatte wird auf das beschauliche Brombakulum gemünzt, als gallisches Dorf wie in der Asterix-Erzählung geschildert. Die als Römer daherkommende Untere Baurechtsbehörde soll den mit Holz heizenden Brombachern helfen, die Energiewende zu schaffen. Eine klasse Kostümierung und deutliche Spitzen in Richtung Politik gehören dazu. Ein Beispiel: „Typisch Deutschland – das Geschlecht kann man frei wählen, aber die Heizung wird einem vorgeschrieben.“ Mit der Wärmepumpe könne viel Kohle gemacht werden, wenn man Gas gebe.

Birger Bär (Mitte) soll OB in Weil werden: Gabi Schupp (links) castet. Foto: Daniel Hengst

Das Potenzial zum Höhepunkt hätte das Stück „Määrlischdund“ gehabt. Die Märchenstunde bringt die „gekünstelte Intelligenz“ mit einem „Lutz-Kompensator 2030“ auf die Bühne, auch ein echter Hingucker. In Verwaltungskauderwelsch verfasste Texte werden für Bürger oder auch Verwaltungsangestellte übersetzt. So muss der Schweizer trotz des Fahrens auf der Radstraße nicht zahlen, da der Einkaufstourismus nicht gestört werden soll. Und der gut aussehende Bademeister muss sich um die „Vogesen-Schlümpfe“ kümmern, womit auf die Probleme im Freibad angespielt wird. Nicht fehlen dürfen – ebenso wie in anderen Sketchen stets aufflackernd – die Tempo 30-Schilder, von denen 60 aufgehängt wurden. Ein Versehen natürlich, da es doch 30 Schilder mit Tempo 60 gewesen sein sollten. Das Publikum wurde damit bestens unterhalten, leider dann mit einem humoristisch noch ausbaufähigen Ende beim Sketch konfrontiert.

Welche Rolle spielt die AfD?

Spätestens seit dem „Remigration“-Treffen mit AfD-Vertretern ist die Republik alarmiert. In Lörrach, wo auch dank der aus Italien stammenden Mitbürger ein fast südländisches Lebensgefühl aufkommen kann, zeigen die Zunftmeister mit dem Stück „Parlare italiano“, wie sehr Italiener seit Jahrzehnten mitten in der Gesellschaft angekommen sind – gerade im Rentenalter mit ähnlichen finanziellen Renten-Nöten wie ihre früheren deutschen Kollegen von Suchard oder der KBC konfrontiert sind. Gleichzeitig blicken sie singend und witzelnd auf das Stadtgeschehen – und auch auf Bau-Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic: „Die sieht noch viel Potenzial in jedem Areal.“ Sie würde noch gerne bauen lassen. Aber auch der Handwerkermangel und der deutsche Fußball dürfen als Themen nicht fehlen.

„Parlare italiano“: Philipp Buser als Giuseppe (v.l.), Andreas Glattacker als Cianluca und Karl-Heinz Sterzel als Toni Foto: Daniel Hengst

Die klare Kante gegen die AfD und Rechtsextremismus wird während des Abends immer mal wieder gezeigt – sowohl Oberzunftmeister Andreas Glattacker als auch Neu-Zunftmeister Bernnat beziehen deutlich Stellung. So will beispielsweise ein weißes Trikot mit braunen Flecken partout nicht von diesem Schmutz befreit werden.

Birger Bär und die Fessmann-Tram

Häufige Erwähnungen am Abend durften der dauerprotestierende Birger Bär sowie die sich stark für die Tram einsetzende Natali Fessmann für sich verbuchen – beide humoristisch gekonnt aufs Korn genommen. Bär wird als möglicher OB-Kandidat gecastet bei einem konspirativen Treffen auf dem Lindenplatz – und das mit dem Lörracher Urgestein Gabi Schupp, Tom Leischner und Bernhard Escher unter dem Titel „Königstransfer“. Bärs Wahlkampfmotto: „Make Weil great again“. Der Zollfreie-Tunnel wird übrigens zum Weinkeller und zum Schluss sollen 1000 frische Brötchen die Wähler überzeugen. Politisch deutlich unproblematischer ist da schon das Wirken von Natali Fessmann, die ihren Traum von der Tram erst einmal ausgeträumt hat. Eingebunden ist dies unter „D’Hofnarre“. Hier geht es um den Fachbereich Öffentlicher Humor und Heiterkeit, also die Spaßbeamten vom Lörracher Rathaus – und um die „trammatisierte“ Fessmann. Nicht nur sie sieht eine Schnellbuslinie durch die Tempo 30-Zone kritisch.

Wie schlägt sich der Neuling?

Wenig überraschend hat Hubert Bernnat, früherer Schulleiter, Heimat-Historiker und scheidender Langzeit-SPD-Stadtrat, sowohl als Moderator als auch als Schauspieler anspruchsvolle Akzente setzen können. Auf den Leib geschneidert war ihm selbstredend die Rolle als Coach für die nächste Generation von Stadträten, in der die erste Reihe der Berliner Politik mit der Lörracher Lokalpolitik vertraut gemacht wurde – inklusive fünfstündiger AUT-Sitzung. Der fraktionslose Bernhard Escher oder auch der protestierende Apotheker Birger Bär durften als Störenfriede nicht fehlen.

Als Gudrun Heute-Bluhm: Hubert Bernnat Foto: Daniel Hengst

Die drei Empörungsstufen eines Stadtrats, wenn er einen Antrag einreicht, führte Bernnat mit den Punkten an: „Die Bürger haben mich angesprochen“, „Die Telefone sind heiß gelaufen“ sowie „Im Stadtteil brodelt es“. Besonders die Themen Ortsteile, Fahrradstraße, Trämli, Grüner Turm, 30er-Zone sowie Finanzen würden sich auf der Karte mit den Brodelzonen finden, wusste Bernnat zu berichten – hier in der Doppelrolle als aufspießender Narr und leidgeprüfter SPD-Fraktionschef.

Lohnt sich ein Zunftabend-Besuch?

Definitiv ist ein Zunftabend-Besuch keine vergeudete Zeit. Einsätze der Souffleuse gehörten bei der Premiere zwar dazu, doch das wird sich sicher noch weiter einspielen, ebenso wie sporadische Tonprobleme. Die starke Fokussierung auf das lokale Geschehen mit Akteuren, die mit ihrem Wirken während des Jahres Steilvorlagen für die Narren bieten, ist die Stärke des Zunftabends 2024. Neuling Bernnat stellt zudem einen Glücksfall dar, da er sowohl rhetorisch als auch intellektuell einiges aufbieten kann. Dass bei einem vierstündigen Abend nicht jeder Gag gleich gut zünden kann, versteht sich von selbst. Die Besucher dürfen sich also auf unterhaltsame Zunftabende freuen, auch wieder auf die Marktweiber – dieses Mal unter anderem mit der Bewertung der Bahn, dass es keinen Fahrplan mehr gebe, sondern eine Abfahrtsempfehlung mit Gleisempfehlung.

Es herrschte gute Stimmung am Premierenabend. Foto: Daniel Hengst

Passend zur insgesamt lokalen Stärke der Ausrichtung ist auch das letzte Stück des Abends zu bewerten, „Casino Royale“, wo die Stadt neue solvente Pächter für die Villa Aichele sucht. Ein Nagelstudio fällt letztlich ebenso unten durch wie ein Döner-Laden. Abschließend weiß Kämmerer Peter Kleinmagd, aus der (Finanz-)Not eine Tugend zu machen. Die Villa wird zum Casino. Der passende Song dazu: „Wir zocken.“

Die Schauspieler
Philipp Buser, Andreas Glattacker, Karl-Heinz Sterzel, Hubert Bernnat, Norman Meier, Thomas Wagner, Nico Vogt, Fabian Weis, Andreas Kühn, Hans-Werner Schuldt,

Weitere Zunftabende
1. bis 3. Februar, 6. bis 10. Februar, Rotssuppe am 12. Februar

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