Scharfe Waffen und Gedächtnis im Rathaus-Untergeschoss
Lörracher VerwaltungScharfe Waffen und Gedächtnis im Rathaus-Untergeschoss
Marco Fraune 21.09.2023 - 14:06 Uhr
Stadtarchivar Jürgen Schaser kümmert sich in Abgrenzung zum Dreiändermuseum um die „Flachware“ der historischen Zeugnisse. Trotz Digitalisierung ist vieles im Archiv noch echte Handarbeit.
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An heißen Sommertagen sind die Räume im Untergeschoss des Rathauses ein passender Ort zur Abkühlung. Eisige Stimmung herrscht hier bei einer Stippvisite im Rahmen der Sommertour der Stadt mit der Presse aber keineswegs. Jürgen Schaser, seit März 2016 im Lörracher Stadtarchiv tätig und seit November 2021 der Leiter, empfängt die Gruppe vielmehr mit Freundlichkeit und viel Freude, das Innenleben des „Gedächtnisses der Stadt“ näher zu beschreiben.
„Puls der Zeit“
So befanden sich Stand 2022 hier 4174 laufende Regalmeter im Gesamtbestand, was im Vergleich zum Vorjahr nochmals 71 Meter mehr sind. Damit die passenden Akten auch gefunden werden, wird ganz klassisch mit Aktenzeichen gearbeitet. Schaser: „Ein Aktenzeichen ist eine der schärfsten Waffen, die man einsehen kann.“
Dieses System der Recherche sei wichtig. Und der Vorzug: Aktenzeichen funktionieren auch im digitalen Zeitalter. „Sie sind nicht so alt, wie sie klingen. Aktenzeichen sind noch nicht tot“, vielmehr befinde man sich am „Puls der Zeit“.
Ziel und Umsetzung
Viele Digitalisierungsvorhaben werden laut Schaser durch das Archiv auch unterstützt. So bei den 100 Meter Bauakten – wobei weiterhin über vier Kilometer solcher Akten im Rathaus liegen. „Mein Ziel wäre, wenn wir 100 Prozent des Bestands digital hätten – als Sicherheitsverfolgung und nicht als Ersatz.“ Dies sehen die Regelungen aber nicht vor. Wie lange Akten tatsächlich vorgehalten werden müssen, ist klar definiert. Nur inhaltlich wertvolle Akten landen im Langzeitarchiv.
Und die Zeit, bis das Rathaus saniert wird oder dafür eine andere Lösung gefunden wird, will Schaser zugleich nutzen, weiter die Digitalisierung voran zu treiben. „Wir haben ja noch ein paar Jahre.“ Doch der Prozess müsse sich noch beschleunigen.
Was ist mit Mails?
Gleichzeitig stellt sich aktuell für jeden Mitarbeiter stets die Frage, ob Mails in der Akte landen müssen oder nicht. „Es ist spannend, wie E-Mails in den Akten landen“, weiß auch OB Jörg Lutz. Eine durchgehende Aktenführung sei in dieser Zeit herausfordernd, da hybrid gearbeitet werde. In Mails gibt es mittlerweile auch den Button „senden und ablegen“.
Spannende Aufgaben
Klassisch kommt da schon der Lesesaal im Stadtarchiv daher. Kurz vor Corona wurde noch ein zweites Lesegerät angeschafft, danach lag der Betrieb aufgrund der Pandemie lange auf Eis. „Tendenziell nehmen die Anfragen zu“, weiß der Archivar. Eine neue Entwicklung ist, dass weniger Bürger direkt im Lesesaal sitzen, sondern vielmehr eine Antwort beziehungsweise gewünschte Dokumente per Datendownload oder per Post übermittelt werden.
Die Themenvielfalt und die Tätigkeitsspanne seien bei der Archivarbeit außergewöhnlich hoch, da sämtliche Bereiche der Lörracher Historie, aber auch der Gegenwart Gegenstand von Anfragen seien können, freut sich der Experte über eine spannende Tätigkeit. Dazu zählt für ihn neben der Pflege, Erweiterung und Bestandserhaltung der stadthistorischen Sammlungen auch die Beratung der Verwaltung oder auch die Mitarbeit beim Stadtbuch oder Stolperstein-Recherchen.
Themen, die besprochen werden, sind vor allem die Bauakteneinsicht, historische Melde- und Standesamtsanfragen, Zeitungsrecherchen, allgemeine Fragen zur Stadt-Geschichte, städtischen Personen und Gebäuden sowie sämtliche Fragen zur Stadt Lörrach.
Die Zahlen
2022 kamen 448 private Benutzer in den Lesesaal, 1068 Archivalien wurden vorgelegt und 845 schriftliche archivfachliche Auskünfte erteilt. Hinzu kamen noch die internen Vorgänge: 503 interne Anfragen gab es 1377 relevante Akten wurden festgestellt und 1226 Akten vorgelegt beziehungsweise zur Bearbeitung ausgeliehen.