Markgräfler Musikherbst Voll Bock auf Barock

Jürgen Scharf
Großartige instrumentale Leistungen zeigte das Landesjugendbarockorchester beim Auftritt in Grenzach. Foto: Jürgen Scharf

Ein schönes Geburtstagsgeschenk für die 70-jährige Kirche St. Michael in Grenzach war das Konzert mit dem Landesjugendbarockorchester am Montagabend.

„Bock auf Barock“ haben die Jugendlichen, die sich im Landesjugendbarockorchester Baden-Württemberg zu Konzertprojekten zusammenfinden und barocke Programme einstudieren, die auch mal das Randrepertoire berücksichtigen.

„Altes neu entdecken“

„Altes neu entdecken“ überschrieben sie ihren Abend in der Grenzacher Kirche St. Michael auf Einladung des Vereins für Heimatgeschichte im Rahmen des Markgräfler Musikherbstes. Man hörte eine erfrischende Mischung aus Traditionsbarock (Vivaldi) und unbekannten Komponisten aus der Blütezeit der Dresdner Hofkapelle, deren Noten in einem Schrank in Dresden aufgestöbert worden waren.

Nun ist es ja wohl so, dass das Publikum gerne in ein Barockkonzert geht, wenn auf dem Programm bekannte Altmeister stehen: Bach, Händel, Telemann. Doch geht es auch hin, wenn gänzlich unbekannte Namen wie Ignazio Balbi auftauchen? Gibt’s den überhaupt? Wikipedia weiß nicht viel über ihn. Aber dieser Dresdner Schrank hat hochinteressante unbekannte Werke wie eine Ouvertüre von Balbi ans Tageslicht befördert.

Originale und Nacbbauten

Die jungen Musiker, die sich mit der Alten Musik auseinandersetzen, haben diese Raritäten mit viel Freude und Elan dargeboten. Auffallend, dass dieses vom Landesmusikrat geförderte Orchester ohne Dirigent spielt, aber mit Gerd-Uwe Klein (der aus Steinen stammt) einen künstlerischen Leiter hat, der wissend und eloquent durchs Programm führt und die frühere Aufführungspraxis und historische Situation zur Entstehungszeit mit verständlichen Worten erläutert.

Der Abend auf alten Originalinstrumenten und originalgetreuen Nachbauten begann mit einem der „Dresdner Concerti“ – eine Analogie zu Bachs Brandenburger Konzerte liegt nahe – von Johann David Heinichen für Oboe und Violine, leider nur einsätzig. Denn schon hier zeichneten die beiden Solistinnen Mai Johannson auf der Barockoboe und Elisabeth Zimmermann auf der Geige ein farbiges Bild der Dresdner Musikkultur jener Jahre.

Ob eine Franz Benda zugeschriebene Sinfonie für Streicher und Basso Continuo wirklich von ihm stammt, von seinem Lehrer oder vom Konzertmeister der Hofkapelle, Johann Georg Pisendel, sei dahingestellt – es ist reife Schaffenskunst, ein Beispiel lebhafter und durchaus eigenständiger Erfindungsgabe, dem das jugendliche Ensemble voll gerecht wurde.

Schwungvolles Spiel

Überhaupt haben diese baden-württembergischen „Ba-Rocker“ ein schwungvolles Spiel hingelegt, einen tollen Paukisten an der authentisch mit Fellen bespannten Barockpauke vorgestellt – die nicht zu überhören war – und im Vivaldi-Konzert d-Moll RV 406 mit Yuna Dierstein eine veritable Cellosolistin ins rechte Licht gerückt.

Die Jugendlichen von heute spielen Vivaldi genauso schön wie seinerzeit die Mädchen des Ospedale in Venedig. Das Orchester stand den Solistinnen als adäquater Partner zur Seite.

Zum Schluss gab es einen weiteren unbekannten Namen: Im Wald mag man schon einmal einen Hirsch angetroffen haben, aber auf einem Programmzettel sicher noch nie einem Hirschberger begegnet sein. Besagter Albericus Hirschberger hat mit dem Raitenhaslacher Concerto Nr. 1 in C-Dur einfache, aber wirkungsvolle Musik hinterlassen, die es lohnt, wiederentdeckt zu werden, und nicht im Schrank zu verstauben sollte. Schon allein der Repertoirewert war beispielhaft.

Wie sich die jungen Alte-Musik-Fans dieser musikalischen Schätze angenommen haben, war hörenswert, engagiert und inspirierend; ihre Interpretationen wirkten natürlich und klar und verwiesen auf ein gründliches Studium der Notentexte in den intensiven Probenwochen. Das Publikum erklaschte sich dann noch einen Pisendel als Zugabe.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading