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Maulburg Maulburger filmt „Wunder von Bern“

Gerald Nill
Der Maulburger Filmemacher Lorenzo Oschwald hat den Wahlsieg des schweizerischen SP-Kandidaten Islam Alijai hautnah mit seiner Kamera begleitet. Der 26-Jährige hat seine Leidenschaft für das Filmemachen schon als Jugendlicher entdeckt. Foto: Gerald Nill

Als am 22. Oktober der praktisch chancenlose 37-jährige SP-Kandidat Islam Alijaj sensationell in den Schweizer Nationalrat gewählt wurde, war der 26-jährige Filmemacher Lorenzo Oschwald aus Maulburg hautnah dabei.

Der Filmemacher dokumentierte, wie ein sprachbehinderter, rollstuhlfahrender Muslim mit albanischen Wurzeln die Stimmen in der konservativen Schweiz gewinnt.

Oschwald, der zuletzt als Förderer des Schopfheimer Kinos „Scala“ sowie als einer von drei neuen Geschäftsführern im „unverpackt“-Laden in Erscheinung trat, ist breit aufgestellt und scheint den richtigen „Riecher“ zu haben. Und er ist gut vernetzt. Als ihn vor einem Jahr ein Studienkollege anrief und ihm den Dreh über einen Schweizer mit schlechtesten Wahl-Voraussetzungen anbot, da zögerte Lorenzo Oschwald nicht lange und sagte zu.

Filmemacher aus Passion

Der Wiesentäler entdeckte seine Leidenschaft fürs Filmemachen bereits vor zehn Jahren, als er in der Schule ein Gedicht visuell interpretierte. „Ich wollte nach der Schule eigentlich Film an der Hochschule studieren oder eine entsprechende Ausbildung beginnen.“ Beides klappte nicht, weshalb „Plan C“ griff. Das Studium der Werbung und Marktkommunikation in Stuttgart entpuppte sich im Nachhinein als Glücksfall.

Heute sitzt der Maulburger als Werbefachmann in seinem kleinen Studio mit dem klangvollen Namen „Carmona Media“ in Steinen. Das Filmen ließ ihn ohnehin nicht los. So entstanden während des Studiums ein Low-Budget-Spielfilm und eine Dokumentation über einen Obdachlosen auf Zeit. „Wenn man etwas gerne macht, fällt es einem leicht“, sagt Oschwald über seine autodidaktische Befähigung als Filmer.

Mit dem Enthusiasmus des Idealisten trat er in Vorleistung, als Studienkollege Ansgar Wörner die Fäden zum krassen Außenseiter der Schweizer Nationalratswahlen knüpfte, dessen Campaigner (Wahlkampforganisator) er kennt. „Islam ist von Geburt an sprachbehindert und an den Rollstuhl gebunden“, zählt der Wiesentäler die Nachteile auf, die den Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) eher zum Anti-Kandidaten machten. Sein Name Islam und seine Religion machen es in der konservativen Schweiz auch nicht leichter. Aber Islam habe einen wachen Geist. „Er nimmt Raum ein, ist sympathisch und charmant“, berichtet Oschwald.

Wahlsieg als Kraftakt

26-Mal fuhr der Maulburger Filmemacher im Laufe eines Jahres nach Zürich, dem Wohnort des Hauptdarstellers, drehte dort rund 50 Stunden Filmmaterial, das nun in eine 90-minütige Dokumentation münden soll.

Ja, er habe gepokert und auf den Sieg des krassen Außenseiters gehofft, gibt er zu. Fasziniert habe ihn dabei, wie der stark gehandicapte Kandidat „seine Mission erfüllt, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte und Chancen erfahren“. Als Islam dann beim Listen-Wahlverfahren der SP auf den praktisch aussichtslosen elften Platz gesetzt wurde, war das gesamte Team niedergeschlagen. Der Film erzählt, wie Islam einen Kraftakt vollbringt. „Er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um möglichst viele Menschen für sich zu mobilisieren.“ Wann immer möglich, ist Oschwald mit der Kamera dabei, filmt möglichst natürlich Szenen bei Wahlkampfauftritten in Bern oder auch einfach im Zoo mit der Familie. „Ich habe nie ins Geschehen eingegriffen und keine Szenen gestellt“, erklärt der Filmemacher. „Das Leben führt die Regie.“

Dramatisch spitzt sich die Dokumentation auf den Wahltag zu, als Islam im Kreise seiner Familie, Förderer und des Wahlkampfteams die unglaubliche Nachricht erfährt: Er hat es tatsächlich in den Nationalrat geschafft. Man sieht das strahlende Gesicht des Mannes im Moment des Triumphes. „Ich glaube, er konnte seinen Wahlsieg zuerst gar nicht realisieren“, berichtet der Augenzeuge mit der Kamera.

Budget auf Spendenbasis

Jetzt beginnt die Arbeit am Computer, der letzte Teil des Filmemachens, damit eine 90-minütige Dokumentation entsteht, die aktuell bereits einer großen Streaming-Plattform angeboten wird. „Voice of my people“ lautet der Arbeitstitel des Streifens. Wer weiß, vielleicht ist die unglaubliche Geschichte dieses Wunders von Bern eines Tages auch im „Scala“ zu sehen.

Noch bis zum 7. Dezember läuft ein Crowdfounding, bei dem 20 000 Euro für das Budget eingesammelt werden sollen. Knapp die Hälfte ist inzwischen beisammen.

Nähere Infos und eine Vorschau zum Film gibt es im Internet: https://www.kickstarter.com/projects/ansgarwoerner/voice-of-my-people

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