Maulburg Verbraucher profitieren beim Wasserpreis

Harald Pflüger
Maulburgs Rechnungsamtsleiter Ingo Röslen. Foto: Harald Pflüger

Interview: Rechnungsamtsleiter Ingo Röslen zu den Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung auf die Gemeinde Maulburg

Maulburg - Um die Wirtschaft und den Konsum in Deutschland in der Corona-Krise wieder anzukurbeln, hat die Große Koalition entschieden, den Mehrwertsteuersatz im zweiten Halbjahr 2020 von 19 auf 16 Prozent zu senken – den ermäßigten Satz von sieben auf fünf Prozent.

Über die Steuersenkung und die Auswirkung auf Bürger und Kommune sprach unser Redakteur Harald Pflüger mit dem Rechnungsamtsleiter der Gemeinde Maulburg, Ingo Röslen.

Herr Röslen, im Rahmen des Konjunkturpakets wurde die Mehrwertsteuersatz befristet vom 1. Juli bis 31. Dezember gesenkt. Der reguläre Steuersatz sinkt von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte Steuersatz von sieben auf fünf Prozent. Gilt das auch für kommunale Einnahmen?

Nach derzeit gültiger Rechtslage sind bei der Gemeinde Maulburg für die Bürger nur die Wassergebühren sowie die Nutzung von Hallenbad und Alemannenhalle steuerpflichtig.

Plant die Gemeinde Maulburg den ermäßigten Steuersatz an ihre Bürger weiterzugeben?

Beim Wasserpreis gilt der Ablesezeitpunkt am Jahresende als Leistungsdatum. Der Wasserpreis ist auf 1,14 Euro pro Kubikmeter zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt. Somit profitieren die Maulburger für das vollständige Jahr 2020 vom niedrigeren Mehrwertsteuersatz.

Bei den derzeit geschlossenen Einrichtungen Hallenbad und Alemannenhalle ist eine Anpassung der Nutzungsentgelte nicht vorgesehen. Durch die lange Schließung fehlt dort bereits ein großer Teil der Jahreseinnahmen. Hinzu kommt, dass die Umrüstung des Automaten beziehungsweise die Anpassung der Entgeltordnungen und Verträge in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen.

Das Rathaus steht also vor ähnlichen Problemen wie der Einzelhandel, der beklagt, dass die befristete Senkung aufs Ganze mehr Kosten als Nutzen entfaltet.

 Neben der Softwareumstellung im Finanzwesen kommt hinzu, dass nun auch jede empfangene Rechnung auf Leistungsdatum und Steuersatz kontrolliert werden muss. Beim Hallenbad stellen uns die bereits gekauften Wertkarten vor Herausforderungen, da sich die abzuführende Mehrwertsteuer auf das tatsächliche Eintrittsdatum bezieht.

Für das Hallenbad – über die Eröffnung in der Saison 2020/2021 ist noch nicht entschieden – würde das bedeuten, die Automaten umzuprogrammieren, umzurüsten und mit Kleingeld für neue, „krumme“ Cent-Beträge auszustatten.

Ein Konzept für das Hallenbad wird derzeit noch erstellt. Stand heute soll es im September unter Auflagen geöffnet werden.

Aufwand und Nutzen sollten aber schon in einem gesunden Verhältnis stehen?

Selbst ohne Anpassung der Eintrittspreise ist für die Umprogrammierung des Automaten mit einem vierstelligen Betrag zu rechnen. Neben der korrekten Verbuchung des neuen Mehrwertsteuersatzes durch den Automaten kommen auch noch Maßnahmen für Zugangsbeschränkungen hinzu. Nach Anwendung der derzeit gültigen Corona-Verordnung dürfen sich im Schwimmerbecken maximal 25 und im Nichtschwimmerbecken maximal 18 Personen gleichzeitig aufhalten. Gruppen dürfen mit höchstens zehn Teilnehmern trainieren. Die Hygienevorschriften fordern darüber hinaus ein ständiges Desinfizieren. Trotz all dieser Umstände wollen wir den Bürgern, den Vereinen sowie den Schulen die Nutzung unseres Hallenbads ermöglichen.

Könnte auch bei Bestattungen die Mehrwertsteuersenkung an die Hinterbliebenen weitergegeben werden?

Die Gemeinde bietet keine steuerpflichtigen Bestattungsleistungen an. Eine Anpassung der Gebührensatzung, zum Beispiel aufgrund möglicher Einsparungen bei den Ausgaben, ist im Hinblick auf den minimalen Kostendeckungsgrad beim Friedhof nicht vorgesehen.

Auf der anderen Seite könnte die Gemeinde durch die Mehrwertsteuersenkung auch profitieren. Bei Bauprojekten dürfte angesichts der Investitionen einiges an Einsparungen drin sein, sofern bis 31. Dezember abgerechnet wird, ebenso wie bei größeren Anschaffungen.

Ein Beispiel hierfür ist der Hobbit-Wagen für den Waldkindergarten. Die Mehrausgaben für einen zusätzlichen Notausgang können nun über die geringere Mehrwertsteuer refinanziert werden.

Wie gewonnen, so zerronnen: Der Grund ist eine EU-Richtlinie von 2016. Sie verlangt, dass Kommunen immer dann umsatzsteuerpflichtig werden, wenn Geschäfte, Tätigkeiten, Veranstaltungen oder Leistungen von Eigenbetrieben grundsätzlich auch von privaten Unternehmen angeboten werden könnten. Ab 2021 muss gezahlt werden.

Im Zuge der Corona-Beschlüsse wurde die Frist zur Umstellung auf das neue Steuerrecht um zwei Jahre geschoben. Da viele Fallkonstellationen in Bezug auf die Besteuerung nach §2b Umsatzsteuergesetz, insbesondere bei der interkommunalen Zusammenarbeit, derzeit noch völlig offen sind, wird auch die Gemeinde Maulburg das neue Recht nicht vor dem 1.1.2023 anwenden.

Aber das ist wohl nichts angesichts der Auswirkungen der Corona-Krise auf die kommunalen Haushalte. Wie steht es derzeit um Maulburgs Finanzen?

Wie alle Gemeinden im Land leidet Maulburg unter dem Rückgang der Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer. Im Jahr 2020 fehlen – Stand Mai-Steuerschätzung – gegenüber der Planung rund 450 000 Euro und in den drei Folgejahren jährlich zirka 300 000 Euro. Hierfür sind vom Land auch keine Kompensationsmittel vorgesehen.

Im September steht eine außerordentliche Steuerschätzung des Bundes an mit der Tendenz, dass die Steuereinnahmen dann noch niedriger vorhergesagt werden.

Und wie sieht es bei den Gewerbesteuereinnahmen aus?

Bei der örtlichen Gewerbesteuer halten sich für 2020 die Vorauszahlungskürzungen insbesondere der größeren örtlichen Betriebe noch im Rahmen. Aufgrund einiger Nachzahlungen für Vorjahre liegt diese Steuer bislang noch gut im Plan. Da die Firmen jedoch 16 Monate Zeit haben, ihren Jahresgewinn nach Abschluss des Kalenderjahres zu versteuern, wird sich das Corona-Jahr insbesondere im Jahre 2022 sehr negativ auf die Gemeindefinanzen auswirken.

Aufgrund der dann vorliegenden tatsächlichen Betriebsergebnisse 2020 sind mit großer Wahrscheinlichkeit Teile der damals geleisteten Vorauszahlungen zurückzuerstatten. Zudem beziehen sich die neuen Vorauszahlungen 2022 dann ebenfalls auf die tendenziell schlechten Betriebsergebnisse des Jahres 2020.

Für die Gewerbesteuerausfälle planen Bund und Land die Gemeinden mit 1,88 Milliarden Euro zu entschädigen. Der Verteilungsschlüssel befindet sich derzeit noch in der Abstimmungsphase. Da nicht feststellbar ist, welche Rückgänge tatsächlich auf Corona zurückzuführen sind, wird es voraussichtlich zu einer pauschalen Ausschüttung kommen, welche sich an den durchschnittlichen Gewerbesteuereinnahmen der letzten drei Jahren der jeweiligen Gemeinde orientiert. Diese Sonderzahlungen sind in voller Höhe in den kommunalen Finanzausgleich einzubringen, so dass letztlich weniger als die Hälfte bei der Gemeinde verbleiben wird.

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