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Maulburg Von der Rinderzählung bis zum Karzer

Kathryn Babeck
Christof Schwald (links), Regina Grethler und Werner Meier kümmern sich um historische Hinterlassenschaften Foto: Kathryn Babeck

Der Geschichts- und Kulturverein Maulburg hat das Gemeindearchiv entstaubt und professionell geordnet. Die Dokumente legen Zeugnis von der landwirtschaftlichen Vergangenheit der Gemeinde ab und ermöglichen erstaunliche Aktualitätsbezüge.

Von der S-Bahn-Haltestelle läuft man die Hermann-Burte-Straße zum Rathaus entlang. Der aufmerksame Beobachter fragt sich, warum kein Hinweisschild zur NS-Vergangenheit des Dichters und Malers angebracht wurde. Der Keller des Rathauses, einst Schule, beherbergt zwei Archive. Geht man die Treppen hinunter, befinden sich auf der linken Seite die Dokumente, Schriften und Gemälde des Dichters und Malers.

Gedächtnis der Gemeinde

Auf der anderen Seite des Flures hat der Geschichts- und Kulturverein Maulburg das Gemeindearchiv instand gesetzt. Der Verein hat vier Arbeitsgruppen: Denkmalpflege, Kunst und Kultur, Archivierung und Kooperation Schule. 15 aktive Mitglieder sind es, davon gehören acht dem Vorstand an, sagt Christof Schwald, erster Vorsitzender. 1996 feierte Maulburg sein 1200-jähriges Bestehen. Da sei schon viel Material für das Archiv gesammelt worden, fügt Schwald hinzu.

16 volle Container

Vor allem Werner Meier hat hier intensiv für Ordnung gesorgt. Meier war bis 1991 Ratsschreiber in Maulburg und kennt sich mit der Aktenverwaltung aus. Als er angefangen habe im Bereich Archivierung zu arbeiten, erzählt Meier, hätte es in der Verwaltung geheißen: „Erst den Vertrag unterschreiben, dann können Sie ins Archiv runter gehen und schauen.“ Er habe damals kaum die Türe aufgebracht, als er die Kellerräume betreten habe. Viele Dinge seien nicht archivwürdig gewesen. In 16 Container habe er Unnützes entsorgen lassen. „Seit 1960 gibt es in den Kommunen eine verbindliche Aktenführung“, erläutert Meier sein Vorgehen. Die habe er hier auch eingeführt.

460 Rinder gezählt

Er läuft zum hintersten Regal mit dem ältesten Aktenbestand, zieht willkürlich ein in Leder gebundenes Buch heraus und schlägt es auf. So erfährt man, dass am 3. Dezember 1877 in Maulburg eine Viehzählung stattgefunden hat. 396 rot– oder gelbscheckige Rinder waren es, 28 schwarzbraune oder graue mit hellerem Rücken. Der Rinderbestand belief sich auf insgesamt 460 Tiere. Heute seien es nur noch drei Vollerwerbs- und einige Nebenerwerbslandwirte, so ordnet Schwald den Aktenfund in das Hier und Jetzt ein.

Verwaltungsreform

Dann holt Meier sechs Karten, die in braunen Leinen eingebunden sind, aus den Schränken. Sie stammen aus dem Jahr 1832. Man sieht, dass sie aufwendig mit zahlreichen Vermessungsgehilfen erstellt wurden. Damals gab es in Baden eine tief greifende kommunale Reform. Bürgermeister und Gemeinderäte wurden nun in geheimer Wahl von allen Gemeindebürgern für sechs Jahre gewählt und die Bürgerrechte ausgeweitet. Auf der einen Karte sieht man, Maulburg gehörte damals zu Baden, Adelhausen hingegen zu Vorderösterreich. Bei der Wiese sind eine Auenlandschaft und eine Sandbank eingezeichnet. Auf der „ Schlagetter Matt“, das Gelände gehört heute der Firma Endress und Hauser, sind Felder eingetragen. Das sei früher Hochwassergebiet gewesen, sagte Schwald. Erst in den 1960er Jahren baute man einen Entlastungskanal, später ein Rückhaltebecken und schlussendlich gab es durch den Bau der Bundesstraße einen Hochwasserdamm.

Feldhütertagebuch

Ein Feldhütertagebuch von 1893 zieht Meier als nächstes aus dem Regal. Dort heißt es auf einer der ersten Seiten: „Auf dem Friedhof Blumen abgebrochen, während des Hauptgottesdienstes.“ Ein anderer Eintrag lautet: „Auf dem Feld lärmend herumgetrieben.“ Besonders stolz ist er über das handschriftlich verfasste Gerichtsbuch der Gemeinde von 1749 mit den aufwendigen Verzierungen.

Das Gerichtsbuch der Gemeinde stammt aus dem Jahr 1749. Foto: Kathryn Babeck

Digitalisierung der Fotos

Regina Grethler hat seit einigen Jahren begonnen, die Fotos zu digitalisieren. Die Aufnahmen sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie zeigt ein Album mit historischen Aufnahmen aus den 1950er Jahren. Auf den Fotos sind zahlreiche landwirtschaftliche Gebäude zu sehen. Es gebe auch ein Foto von einem strohgedeckten Haus, sagt sie.

Ein weiterer wichtiger Bestand der Sammlung sind die Zeitzeugenberichte, die Dekan Helfried Heidler aufschrieben ließ. Darunter legen beispielsweise ehemalige Frondienstleistende, Bürger, die für die Gemeinde unbezahlte Arbeit verrichten mussten, Zeugnis ab. Fotos zeigen, wie sie Wege bei der Wieshalte nach einem Erdrutsch instand halten.

Aufnahmen von den sogenannten Frontdienstleistenden, die Wege wieder herrichten. Foto: Kathryn Babeck

Verwurzelt in Maulburg

Ein Ziel ist es, die Nachlässe, die noch auf den Dachböden liegen, in das Archiv aufzunehmen. Schwald fügt hinzu: „Wir sind alle erbbelastet“ und erläutert, sein Vater sei 28 Jahre Bürgermeister der Gemeinde Maulburg gewesen, Grethler sei die Tochter des bekannten Maulburger Heimatforschers.

Im nächsten Jahr planen sie eine Ausstellung, unter anderem mit den historischen Karten. Von Meier, der hier im Gebäude zur Schule gegangen ist, erfährt man, dass er in der ersten Klasse, 1959, im Karzer für ein paar Stunden eingesperrt war. Die Arrestzelle befindet sich auf der Seite des Burte-Archivs. An den verlausten Mäusebussard, an das Plastikskelett und an eine historische Landkarte in dem Raum könne er sich besonders gut erinnern, sagt er.

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