Müllheim Besondere städtebauliche Situation

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Die Stadt Müllheim will das sogenannte Zivi-Haus erwerben. Foto: Alexander Anlicker

Zivi-Haus: Stadt nutzt Vorkaufsrecht / Gedenkstätte-Antrag zurückgestellt

Müllheim (anl). Die Stadt Müllheim nutzt das Vorkaufsrecht und will das sogenannte Zivi-Haus an der Ecke Werderstraße/Am Lindle erwerben. Das Gebäude war am 11. Oktober für 100 000 Euro verkauft worden. Der Gemeinderat hat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig beschlossen das Vorkaufsrecht zu nutzen.

„Wir üben das Vorkaufsrecht nicht wegen einer Gedenkstätte aus“, erklärte Müllheims Bürgermeister Martin Löffler mit Blick auf einen gemeinsamen Antrag der Gemeinderatsfraktionen von SPD und Grünen. Er verweist auf die städtebaulichen Gründe für den Erwerb des 159 Quadratmeter großen Grundstücks durch die Stadt, das sowohl im Geltungsbereich der Erhaltungssatzung für die Unterstadt, eines rechtskräftigen Bebauungsplans und einer Sanierungssatzung liegt.

Darüber hinaus gebe es die besondere städtebauliche Situation, dass der öffentliche Gehweg auf dem Privatgrundstück verlaufe. Dies und die Behebung von städtebaulichen Missständen seien die Gründe für das Vorkaufsrecht, sagte Löffler.

Ziel sei die Sanierung und die Erhaltung des denkmalgeschützten Gebäudes sowie die Übernahme des Gehwegs in das Eigentum des Straßenbaulastträgers.

Gebäude erzählt Geschichte

Das kleine Haus, erbaut vor der Stadterhebung des Doppeldorfs Müllheim im Jahr 1810, sei eines von ganz wenigen erhaltenen Beispielen für die im Ort wohl damals vorherrschende, prägende Bebauung um 1810. Zudem erzählt es über einen längeren Zeitraum die Geschichte eines Zweigs der jüdischen Familie Zivi.

Der Antrag von SPD und Grünen, im Zivi-Haus eine Gedenkstätte einzurichten, wurde zurückgestellt, bis die Stadt auch tatsächlich Eigentümerin des Gebäudes ist. Zuvor soll auf Wunsch von CDU-Stadtrat Jürgen Nafz ein Ortstermin des Gemeinderats stattfinden.

Francois Blum, ein Nachfahre von Johanna Zivi, war extra aus dem französischen Lyon gekommen und warb für die Einrichtung einer Gedenkstätte für die jüdischen Familien aus Müllheim.

Blum ließ die Geschichte der Müllheimer Juden Revue passieren, die mit der Ansiedlung von vier jüdischen Familien um 1716 durch den Markgrafen von Baden begann. Darunter waren die Familien Mayer und Zivi. Bis 1865 zählte Müllheim mehr als 460 jüdische Mitbürger, dann ging die Zahl zurück, da sie sich nun auch in Großstädten wie Freiburg oder Karlsruhe ansiedeln konnten. Um 1940 lebten noch etwa 40 jüdische Menschen in Müllheim, die am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden.

„Die jüdischen Familien gehören zu Müllheim“, betonte Blum und erinnerte daran, dass über die Jahre viele Nachfahren aus aller Welt nach Müllheim zurückgekommen seien.

Blum erinnerte an zwei bedeutende Nachkommen von jüdischen Familien aus Müllheim. Michel Debré, der 1958 als Justizminister in der Regierung Charles de Gaulles maßgeblich die Verfassung der fünften Republik prägte. Friedrich Mayer war 1938 mit seiner Familie in die USA geflohen, er kehrte als Soldat nach Österreich zurück und hat dort die Zerstörung Innsbrucks verhindert.

„Es ist dringend etwas zu tun“, sagte Blum mit Blick auf die Erinnerung an die Geschichte. Es sei aber kein einfaches Projekt und es brauche Kenntnisse über die ehemalige jüdische Gemeinde, ergänzte er.

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