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Müllheim Ortsrufanlage soll Kulturerbe werden

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Nicht über Funk, sondern über solche leitungsgebundene Lautsprecheranlagen werden Nachrichten innerhalb der Ortschaft Hügelheim verbreitet. Foto: Martin Bürgelin/Stadt Müllheim

Rarität: Hügelheim bewirbt sich um Aufnahme bei Unesco / Auch Neubaugebiet wird angebunden

Die Ortsrufanlage im Müllheimer Stadtteil Hügelheim ist etwas Besonderes. Nicht nur der Weg der Vermittlung von Nachrichten ist außergewöhnlich. Die Anlage in Hügelheim ist auch eine der wenigen, die überhaupt noch in Betrieb ist. Jetzt hat sich der Ort mit drei anderen Gemeinden zusammengetan, um den Ortsruf für die Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe der Unesco vorzuschlagen.

Müllheim. Deutschlandweit gibt es nur noch gut zwei Dutzend Ortsrufanlagen, die regelmäßig in Betrieb genommen werden. Vier davon befinden sich in Baden-Württemberg: in Hügelheim, in Kappelrodeck, im Mosbacher Ortsteil Reichenbuch und in Buchen-Waldhausen.

Bürger halten seit Generationen daran fest

Die Bürgermeister und Ortsvorsteher dieser Gemeinden teilen die Erfahrung, dass ihre Bürger „seit Generationen an ihrem besonderen Kulturerbe festhalten“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt Müllheim. Deshalb habe man sich im November, ausgehend von der Initiative von Kappelrodecks Bürgermeister Stefan Hattenbach, für die Aufnahme des Ortsrufs ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco beworben.

Fast alle Anlagen in Deutschland stillgelegt

Inzwischen sind die meisten Ortsrufanlagen in Deutschland schon seit Jahrzehnten stillgelegt. Dennoch, so teilen die Verantwortlichen mit, wollen die Einwohner der vier Orte die Tradition des Ausrufens nicht missen. Die Technik sei zwar veraltet – mithilfe sogenannter Druckkammerlautsprecher werden Nachrichten nicht über Funk, sondern über leitungsgebundene Anlagen innerhalb der Ortschaft verbreitet –, strahle aber einen nostalgischen Charme aus. Die Verantwortlichen sind der Meinung, dass die lokale Gemeinschaft durch den Ortsruf gestärkt werde und er eine identitätsstiftende wie auch integrative Bedeutung habe, heißt es weiter. Deshalb wolle man auch trotz überkommener Technik und zunehmend schwierig werdender Instandhaltung am Betrieb der Anlagen festhalten.

Ein Netz von Lautsprechern

In Hügelheim erstreckt sich – wie auch in den anderen drei Gemeinden – ein Netz von Lautsprechern über die Ortschaft. Und auch das neue Baugebiet der Gemeinde „An der Sandgrube“ soll in die Ortsrufanlage eingebunden werden. Die eigentliche Anlage steht im Rathaus oder in der Verwaltungsstelle. Dort verlesen die Ortsvorsteher oder Mitarbeiter der Verwaltung in regelmäßigen Abständen Bekanntmachungen von Vereinen, Kirchen und Einrichtungen der Gemeinde. Zu besonderen Anlässen wird der Ortsruf auch für private Nachrichten genutzt.

Mittelalterliche Tradition der Ausrufer

Ortsrufanlagen knüpfen an die mittelalterliche Tradition der Ausrufer an. Bis in das 20. Jahrhundert wurden die Bekanntmachungen von Gemeindedienern oder Ausschellern verlesen – oftmals eingeleitet von Glockengeläut.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Nachrichtenübermittlung durch die neue Technik der Ortsrufanlagen übernommen, da diese schneller, zuverlässiger, witterungsunabhängig und kostengünstiger war, heißt es. Rund ein Drittel aller badischen Gemeinden hatte in den 1950ern einen Ortsruf. Doch bereits wenige Jahre später war deren Blütezeit vorbei, Fernsehen und Radio wurden populärer. Zudem belasteten notwendige Reparaturen die Gemeindekassen, so dass die meisten Anlagen in den 1970- und 80er-Jahren stillgelegt wurden.

Wie es nun weitergeht mit der Bewerbung, werden die vier Ortschaften in den kommenden Monaten erfahren. Zunächst werden je Bundesland vier Bewerbungen ausgewählt und an das Expertenkomitee der deutschen Unesco-Kommission weitergeleitet. Dort erfolgt eine Beurteilung und Auswahl, so dass voraussichtlich im Frühjahr 2023 mit Ergebnissen zu rechnen sei.

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