Müllheim Pflegenotstand im Markgräflerland

Alexander Anlicker
Nicht alle Senioren haben das Glück und werden bei einem ambulanten Pflegedienst aufgenommen. Auch das Rote Kreuz in der Region spürt den Fachkräftemangel. Foto: DRK/A. Zelck

Ambulanter Pflege fehlt qualifiziertes Personal. Keine freien Plätze mehr. Pflegedienste und Bürgermeistersprengel schlagen Alarm.

Bereits vor Corona gab es Wartelisten bei den ambulanten Pflegediensten in der Region Müllheim, von Neuenburg bis Badenweiler sowie von Auggen bis Sulzburg. Nachdem sich seit Anfang Dezember zwei Anbieter aus dem Raum Müllheim zurückgezogen haben, schlagen die drei verbliebenen Pflegedienste – die Sozialstation Markgräflerland, der Regio-Pflegedienst Klaus Klee sowie der Kreisverband Müllheim des Deutschen Roten Kreuzes – Alarm. Diese haben am Montag gemeinsam mit dem Sprecher des Bürgermeister-Sprengels, Badenweilers Rathauschef Vincenz Wissler, zu einem Pressegespräch eingeladen.

Pflegedienste hören auf

„Wir haben im Markgräflerland die Situation, dass wir die Pflege nicht mehr für alle sicherstellen können“, erklärt die DRK-Kreisgeschäftsführerin Gerlinde Engler. Immer weniger Pflegefachkräfte stehen immer mehr Menschen gegenüber, die einer Pflege bedürfen.

„Wir haben den Supergau erreicht“, ergänzt Diana Hirth, Vorsitzende der Sozialstation Markräflerland. Zwei Dienste die nicht mehr versorgen hätten auch Kunden hinterlassen. „Wir können nicht alle aufnehmen“, macht sie deutlich.

„Wir bekommen jeden Tag Anrufe von Angehörigen oder Pflegebedürftigen und können die Menschen nicht aufnehmen“, betont Engler und sagt: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Aus diesem Grund haben die drei Pflegedienste sich mit einem Positionspapier an Bundes- und Landesregierung gewandt. „Wir sind aber auch auf die Bürgermeister der Gemeinden in unserem Einzugsgebiet zugegangen“, ergänzt die DRK-Geschäftsführerin. „Die Situation speziell im Markgräflerland hat uns aufhorchen lassen“, sagt Sprengel-Vorsitzender Wissler und betont: „Es geht um die Bürger der Region, diese haben eine ordentliche Pflege verdient.“ Die Situation erfordere nach Ansicht Wisslers ein sofortiges Handeln von Bund und Land. Die Kommunen könnten laut Wissler im Bereich der Nachbarschaftshilfe unterstützen und nannte als Beispiel den „mobilen Einkaufswagen“ in Badenweiler.

Das Problem sei nicht das Geld, sondern die Überlastung. Diese führe dazu, dass Pflegekräfte fluchtartig den Beruf verlassen. Darin sind sich die Vertreter der Pflegedienste einig. „Die Bedingungen in der Pflege sind schlecht, auch weil Kranken- und Pflegekassen nicht refinanzieren“, erklärt Hirth und betont: „Wir können nicht mehr.“ Dies führe dazu, dass die Mitarbeiter immer mehr Druck hätten. Viele Dinge, wie ein spezieller Wundverband, dürften nur von Pflegefachkräften durchgeführt werden. Ein aufwendiger Verband könne schon mal eine Stunde dauern und sei dann ein Verlustgeschäft, weil die Kassen zu wenig zahlen. „Die Gehälter sind nicht mehr schlecht, wir haben inzwischen gute Löhne. Die Bedingungen machen das aus“, betont Klaus Klee.

Bürokratie ist größtes Hindernis

Die Anerkennung der Ausbildung von zugewanderten Fachkräften sei ein weiteres Problem. „Das Fachkräfteeinwanderungsgesetzt zieht nicht“, stellt Wissler fest und nennt als Beispiel ausgebildete Pflegekräfte aus der Ukraine. Die Anerkennung der Ausbildung dauere viel zu lange. Das gleiche Problem gebe es auch beim Personal von Kindergärten, ergänzte der Bürgermeister. Die Anerkennung der Ausbildung sei die erste Hürde, bestätigt Hirth. Hier sei das zuständige Regierungspräsidium in Stuttgart der „größte Klotz am Bein“, erklärt sie mit Blick auf die lange Verfahrensdauer. In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen seien die Verfahren viel schneller, ergänzte Engler.

Ein Problem sei die Dokumentation, berichtete Hirth. Ein vergessener Haken und die ganze Abrechnung von einem Monat kommt zurück. Geld für bereits erbrachte Leistungen wird von den Kranken- und Pflegekassen dann erst sechs Wochen später erstattet. „Die Krankenkassen ziehen sich zunehmend zurück“, stellt auch Martina Ohrmann, DRK-Pflegedienstleiterin, fest.

Leiharbeitskräfte sind zu teuer

Unter anderem fordern die Pflegedienste die Abschaffung der Leiharbeit in der Pflege. „Wir bezahlen das Dreifache für eine Leiharbeitskraft“, stellt Hirth fest und ergänzt: „Durch den Einsatz von Leiharbeit ist die Pflege defizitär.“ Diese suchten sich oft die Rosinen heraus und übernähmen beispielsweise keine Wochenenddienste, berichtet Engler. Dies gehe zu Lasten der angestellten Pflegekräfte.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading