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Müllheim Politische Überzeugungen nicht „Prozesshanseln“ unterordnen

Alexander Anlicker
Als erster eingemeindeter Ortsteil hat Vögisheim weder einen Ortschaftsrat noch einen garantierten Sitz im Müllheimer Gemeinderat. Vögisheim bildet mit Müllheim einen gemeinsamen Wahlbezirk. Foto: Anlicker

Der Müllheimer Gemeinderat will weiter an der unechten Teilortswahl festhalten. Für Bürgermeister Martin Löffler ist das Risiko einer Anfechtung der Wahl zu hoch.

Die unechte Teilortswahl ist ein Relikt der Kommunalreform vor 50 Jahren. Sie garantiert den kleinen Teilorten eine Vertretung im Gemeinderat. Dabei kann es sein, dass einzelne Teilorte im Kommunalparlament über- oder unterpräsentiert sind.

Weil eine Wählerin in Tauberbischofsheim der Ansicht war, dass ihr Wahlbezirk unterrepräsentiert war, hat sie die Wahl angefochten und vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Recht bekommen.

Dies stelle derzeit viele Gemeinden im Land vor ein Problem, erklärte Bürgermeister Martin Löffler. In Müllheim ist es derzeit so, dass ein Gemeinderat aus der Kernstadt 1015 Einwohner vertritt, der Zunzinger Gemeinderat hingegen nur 282 und der Feldberger 614.

Für den Bürgermeister ist es ausgemachte Sache, dass jemand bei der Beibehaltung der unechten Teilortswahl erfolgreich gegen die nächste Gemeinderatswahl klagen wird. Er verweist auf die derzeitigen Bemühungen auf die Verkleinerung des Bundestags und zwei Volksbegehren zur Verkleinerung des Landtags. Das könnte den einen oder anderen darauf lupfen, Einspruch gegen die Wahl einzulegen. „Wir wollen das Risiko nicht eingehen“, sagte Löffler und verweist auf die möglichen Folgen. Wenn die Wahl erfolgreich angefochten wird, fehle dem Gemeinderat die demokratische Legitimation und er ist nur noch geschäftsführend tätig. Die Folge wäre ein Stillstand. Darüber hinaus würde eine Neuwahl erheblich Personal binden. Das Hauptamt sei bei Wahlen ein Dreivierteljahr mit den Vorbereitungen beschäftigt.

Der Rathauschef warb daher eindringlich für die Abschaffung der unechten Teilortswahl. Eine Veränderung der Wahlbezirke sei mit einer noch größeren Rechtsunsicherheit verbunden, waren sich Bürgermeister, Hauptamtsleiter Dominik Fröhlin und der Rechtsanwalt der Stadt, Tobias Lieber, einig.

Änderung der Wahlbezirke

Die Variante, den Wahlbezirk Zunzingen künftig dem Wahlbezirk Müllheim zuzuschlagen und gleichzeitig Vögisheim von Müllheim in den Wahlbezirk Feldberg zu geben, würde bei einer Erhöhung der Zahl der Sitze von 22 auf 26 das Missverhältnis der Stimmengewichtung zwar fast ausgleichen. Dies sei nach Auffassung von Verwaltung und Anwalt ein zu großer Eingriff in das Wesen der unechten Teilortswahl und der Ortschaftsverfassungen.

Kritik aus dem Gemeinderat

Der Gemeinderat und Hügelheimer Ortsvorsteher, Martin Bürgelin, erinnerte daran, dass der Gemeinderat der Verwaltung den Auftrag gegeben habe, Lösungsvorschläge für die Beibehaltung der unechten Teilortswahl zu liefern. Der Gemeinderat und Ortsvorsteher von Niederweiler, Martin Schneider, meinte es könnte genausogut ein Bürger aus Niederweiler gegen die Abschaffung der bei der Eingemeindung vereinbarten unechten Teilortswahl klagen. „Was ich von der Verwaltung höre, ist, dass die Wahl schon angefochten ist, bevor sie überhaupt stattgefunden hat“, stellte der Feldberger Ortsvorsteher Ralf Schwald fest. „Dass es in kleinen Ortsteilen keine Vertretung im Gemeinderat mehr gibt, ist nicht ausgeschlossen“, sagte CDU-Fraktionssprecher Jürgen Nafz. Er verwies auf die Gemeinde Hüfingen mit fünf Teilorten, die 2007 die unechte Teilortswahl abgeschafft habe. Nach der Gemeinderatswahl 2019 waren drei der fünf Teilorte überhaupt nicht mehr am Ratstisch vertreten und 2021 wurde infolge eines Bürgerentscheids die unechte Teilortswahl wieder eingeführt. Politische Überzeugungen dürften nicht Prozesshanseln untergeordnet werden, ergänzte er. „Ich halte es für wesentlich ungerechter, wenn Teilorte nicht mehr vertreten sind, als dass sie überrepräsentiert sind“, ergänzte CDU-Stadtrat Karsten Schwenker.

Das Problem sei der Ortsteil Zunzingen, der keine Ortschaftsverfassung habe, stellte der Britzinger Ortsvorsteher Christian Ries fest. Wenn dieser nicht mehr im Gemeinderat vertreten sei, müsse man dort einen Ortsbeauftragten wie in Vögisheim einführen, der beratend an den Ratssitzungen teilnimmt.

Bürgermeister Martin Löffler plädierte für die Variante mit der größten Rechtssicherheit, die Abschaffung der unechten Teilortswahl. Wenn Müllheim die 20 000 Einwohner-Marke überschreite und große Kreisstadt werden, könne man die unechte Teilortswahl wieder einführen, da sich dann ja die Zahl der Ratssitze auf 32 erhöhe, ergänzte er.

Letztlich stimmte der Gemeinderat mit 15 Ja-, sechs Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen für den Antrag von Stadtrat Sven Ruhkopf (CDU): „Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung mit der Änderung der Hauptsatzung unter Beibehaltung der unechten Teilortswahl mit rechtlich maximal möglicher Sitzzahl und der Ausarbeitung der Begründung.“

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