Müllheim Vom Besonderen des Alltäglichen

Gabriele Hauger
Ulrike Ebert stellt ihr Prosadebüt vor. Foto: zVg

Buchkritik: „Warnlaute vom Tag“ der aus Lörrach stammenden Autorin Ulrike Ebert . Premierenlesung.

Regio - Es ist ein spezieller, unverwechselbarer Stil, im ersten Moment fast unpersönlich wirkend. Doch Seite für Seite entfaltet sich bei der Lektüre des Buchs die bewegende Geschichte eines Frauenlebens. Die in Lörrach geborene und aufgewachsene Autorin Ulrike Ebert hat mit „Warnlaute vom Tag“ ihr Prosadebüt im Drey Verlag veröffentlicht. Am Donnerstag, 13. Dezember, wird sie es im Markgräfler Museum in Müllheim vorstellen.

In drei Episoden unterteilt

In drei Episoden unterteilt, nimmt die Kindheit den größten Raum ein. Distanziert spricht die Autorin stets nur von „das Kind“. Wir lernen ein kleines Mädchen in den 50er Jahren kennen: seine Ängste, Sehnsüchte und Liebesbedürftigkeit. Eine Kindheit, die vor allem durch das Fehlen des Vaters bestimmt wird. Dieser, ein Schauspieler, stets auf Tournee, lässt nur sporadisch von sich hören. Die Mutter muss – in diesen Zeiten außergewöhnlich – arbeiten gehen. Schicksal einer quasi Alleinerziehenden, dominiert von Stress, Enttäuschung, Ausgezehrtheit, stets müde von der Arbeit, die Schlaflosigkeit mit Tabletten bekämpfend. Derweil ringt das Kind um die Anerkennung des Vaters, wenn er denn mal da ist. Ist bemüht, ihm alles Recht zu machen, ihn nicht zu enttäuschen, voller Sehnsucht nach Anerkennung und doch wie gelähmt vom Gefühl des Nicht-Genügens. Ebert schildert dies in einer lakonisch undramatischen Sprache, die die Empathie des Lesers für das Mädchen um so größer werden lässt.

Die Kleine erweist sich als genauer Beobachter, als verlässlicher Sensor, sie durchschaut Unwahres, Verlogenes, Verdrängtes. Ein unbestechlicher Kinderblick, der die Bedeutung von scheinbar Unwichtigem erkennt und interessante Perspektiven einnimmt.

Schutzort für das Kind ist die Küche, in der die Großmutter wirkt, eine überraschend rebellische Frau, liebevoll und lustig.

Lörracher erkennen in den Kindheitsschilderungen zahlreiche Örtlichkeiten: Hebelschule und Leuselhardt, die Suchardi oder Basel, wohin die Mutter täglich zur Arbeit fährt.

Entsetzen überfällt den Leser dagegen bei den Passagen, in denen die Auswirkungen der schwarzen Pädagogik deutlich werden wie Schläge in der Schule oder Zwangsernährung.

Irgendwann taucht ein neuer Vater auf, der versucht das Kind zu bestechen. Erfolglos. Denn das Mädchen weiß, dass hier keine echte Liebe wartet, sondern „neue Geschichten, neue Sprüche, neue Schläge“.

Die erste kindliche Liebe

Abrupt wechselt die Autorin im zweiten Teil des Buchs in die Ich-Form und die Jugendzeit. Die erste kindliche Liebe, deren „Du“ sie anspricht, in gemeinsamer Erinnerung: Wir lernen ein „artiges Mädchen“ kennen, dessen Entdeckungslust in Büchern im Kinderzimmer stattfindet. „Ich lausche den Gesprächen der Erwachsenen das Leben ab.“ Poetisch sind die Schilderungen zwischen Indianer- und Liebesspiel.

Geradezu philosophisch schließlich ist die Lebensbilanz der erwachsenen, alternden Frau, die allein in einem viel zu großen Haus voller Erinnerungen lebt. Vom Mann wegen einer „Prinzessin“ irgendwann verlassen, die Kinder aus dem Haus, sie selbst von viel zu vielen Erinnerungen und Überresten umgeben, bleiben ihr Nachbarschaftgespräche, die Natur des Gartens und eine alte Katze, bis auch diese geht.

Der Lauf des Lebens spiegelt sich in den Jahreszeiten im Garten. Der Zauber der Natur wird von Ulrike Ebert in poetischer Sprache geschildert. Man merkt ihr besonders in diesem dritten Teil die Dichterin an. Hat sie doch mit „im handchehrum“ einen viel beachteten alemannischen Gedichtband herausgegeben.

Auchhier im letzten Kapitel besticht wieder der Blick auf das Kleine, Verborgene, oft Übersehene und die dadurch ausgelösten Assoziationen. Wir blicken in die Seele einer Verlassenen, der Verhärmtheit oder Hass fremd sind, die freundlich wirkend und durchaus mit Humor, aber doch zurückgezogen lebt. Und wir erkennen in dieser scheinbaren Alltäglichkeit das Besondere, das einen Menschen ausmacht.   Buchvorstellung: „Warnlaute vom Tag“: Donnerstag, 13. Dezember, 18 Uhr, Markgräfler Museum; es gibt eine Einführung sowie musikalische Untermalung des Kontzrabassisten Wolfgang Fernow Ulrike Ebert „Warnlaute vom Tag“, 159 Seiten, ISBN: 978-3-933765-95-6, Drey Verlag

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