Münchenstein Blick hinter die Kulissen – Wenn historische Posaunen erklingen

Valentin Radonici
Auch das Löten von Rohren ist ein entscheidender Prozess bei der Herstellung von Posaunen. Foto: Valentin Radonici

In der Werkstatt des Instrumentenbau-Unternehmens Egger werden Blechblasinstrumente in verschiedenen Stationen auf ursprüngliche Art angefertigt. So hat sich das Familienunternehmen international einen Namen gemacht.

Mitten im Industriegebiet Münchenstein ist der Klang von Posaunen und Hörnern zu vernehmen. Wer näher kommt, bemerkt das Sägen, Hämmern und Löten aus der Werkstatt. Hier ist der Instrumentenbau Egger zu Hause. Spezialisiert ist die Firma auf den Nachbau historischer Instrumente, wie Geschäftsführer Peter Boekels im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt: „Bei uns werden die Instrumente aus dem Messingblech angefertigt. Authentisch, so wie es früher der Fall war.“

Bestes Beispiel dafür sei das aktuelle Projekt „Romantische Posaunen“ mit dem international bekannten englischen Posaunisten Ian Bousfield, der auch Professor an der Hochschule der Künste in Bern ist. Für das Projekt wurden die Original-Instrumente in Ostdeutschland nach dem Klang getestet und die Instrumente gemessen. Boekels: „Bei jedem historischen Instrument stellt sich für uns die Frage: Wie wollen wir es selber originalgetreu nachbauen?“

Zurück in die Werkstatt

Nach dem Testen der Instrumente geht es in die Werkstatt in Münchenstein zurück. Bei jedem Projekt wird auch bei der Herstellung der romantischen Posaunen in unterschiedlichen Etappen vorgegangen. „Da es nicht möglich ist, ein Blechblasinstrument auseinanderzunehmen, ohne es zu zerstören, ist dies eine komplizierte Aufgabe“, weiß Boekels.

In der Anfangsstation wird das Rohr mit einem Hammer in seine Form gebracht und bearbeitet. Im nächsten Raum ist die Herstellung des Mundstücks dran. Hier ist Augenmaß angesagt. Zur Mundform eines Solisten wird das passende Mundstück hergestellt. Zudem findet in diesem Raum die originale und für die Originalhersteller typische Gravur statt.

In einem Bereich wird Blei in einem Gerät erhitzt. Anschließend kommt es zur Kühlung der Mischung in einen Behälter. Diese weiche Bleisubstanz wird ins Rohr gegeben. So ist die s-förmige Biegung des Posaunenrohrs überhaupt möglich, ohne das Rohr zu brechen.

Auch das Löten des Rohrs ist ein wichtiger und entscheidender Prozess im Ablauf und erfolgt in einem Raum. Anschließend gelangt das Rohr zur Messung und wird dann final bearbeitet. Die Herstellung eines solchen historischen Instruments erstreckt sich damit über einen langen Zeitraum. Boekels: „Die einzelnen Abschnitte sind in Tagen möglich. Der komplette Prozess dauert mehrere Monate und ist umfangreich.“

Mit der romantischen Posaune wollte das Unternehmen ein Instrument entwickeln, welches für die Stücke vieler romantischer Komponisten genutzt werden kann. Auch wenn die historische Nachbildung wichtig ist, beim Stimmzug gibt es einen Unterschied. Historische Posaunen hatten keinen Stimmzug. Mit dem Stimmzug kann die Stimmung der Posaune kalibriert werden. Ohne Stimmzug wird heutzutage nicht mehr gespielt. Entsprechend ist ein Stimmzug bei den romantischen Posaunen mit eingebaut.

Enger Kontakt zu Musikern

Auch wichtig ist neben dem Klang das Hineinversetzen in den Komponisten, wie Boekels gegenüber unserer Zeitung schildert: „Theoretisch braucht man für jeden Komponisten ein anderes Instrument. Man nähert sich dem Klang an. Das ist die Herausforderung.“ So entstehe eine Analyse des Komponisten. Es stelle sich zum Beispiel die Frage: Was wollte Johannes Brahms mit dem Stück und welche Klangidee stellte er sich vor?

Der Kontakt und Austausch zu Orchestern und Solomusikern sei sehr wichtig. So bekomme das Unternehmen wichtige Rückmeldungen. Auch wenn die Mitarbeiter selbst Blechblasinstrumente spielen, sei dies eine wichtige Orientierung, auf welchem Weg man sich mit einem Instrument befinde.

Köpfe für Piccolo-Flöten

Neben historischen Trompeten und Posaunen hat die Firma Egger über Jahre auch die Köpfe für die Piccolo-Flöten der Guggenmusik für die Basler Fasnacht hergestellt. Wie bei den historischen Instrumenten erfolgt auch hier die Orientierung an den Ursprungsflöten der Guggenmusik.

Die Geschichte von Egger als Traditionsunternehmen in der Region fängt Ende der 1920er-Jahre jedoch nicht in Münchenstein, sondern in Basel, an. Adolf Egger absolvierte seine Lehre bei der Firma Wilhelm Bellon. Er lernte den Beruf des Instrumentenbauers und wurde mit der Herstellung von Mundstücken betraut.

Im Jahr 1940 machte sich Egger selbstständig und gründete sein Unternehmen in Basel. Zunächst setzte er auf die Herstellung und Reparatur von Militärinstrumenten. Früh dabei: Eggers Sohn Rainer. Er bekam in jungen Jahren die Geheimnisse des Instrumentenbaus mit und baute immer mehr ein Gefühl für Klang und Materialien auf.

Historische Instrumente

Mit der historisch informierten Aufführungspraxis Anfang der 60er-Jahre lag der Fokus auf dem Nachbau historischer Blechblasinstrumente. Eine große Rolle für die weitere Entwicklung des Unternehmens spielte der Kontakt zum Trompeter Edward H. Tarr. Für ihn wurden die ersten historischen Langtrompeten hergestellt und so erhielt der Name Egger in der internationalen Blechblasmusikwelt Aufmerksamkeit.

Peter Boekels wuchs am Niederrhein auf und studierte Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaft. Trompete spielte er schon von klein auf und spielt auch heute in Projektorchestern. Den ersten Kontakt zum Unternehmen Egger baute Boekels 2005 auf. Seitdem intensivierte sich die Verbindung und im Jahr 2019 übernahm er das Traditionsunternehmen von der Familie Egger. Eine besondere Aufgabe, wie er schildert: „Es war eine Ehre für mich, so ein traditionsreiches und international bekanntes Unternehmen zu übernehmen.“

Boekels erklärt, dass Rainer Egger immer mal wieder in der Werkstatt und beim Unternehmen vorbeischaut und der Kontakt sehr eng ist.

Ausstellung im Februar

Das nächste Ziel des Unternehmens ist eng mit dem Projekt der romantischen Posaunen verbunden. Boekels: „Ende Februar findet die internationale Posaunenvereinigung in der Musikakademie Basel mit Ausstellungen unserer Posaunen statt.“ Geplant sei auch eine Führung durch die Werkstatt in Münchenstein.

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist dem Unternehmen die Weiterarbeit am Posaunen-Projekt. Mit den hergestellten Instrumenten ist man als Produkt zufrieden. Nun soll es im nächsten Prozess an die weitere Verfeinerung und Verbesserung der romantischen Posaunen gehen.

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