„Ich verbeuge mich vor dieser Leistung“

Von Dorothee Philipp

Für die ganz seltenen Fälle gibt es eine goldene Ehrennadel, die mit einem kleinen Diamanten verziert ist: Eine solche Gelegenheit ergab sich bei den jüngsten Ehrungen im Rahmen des Jahreskonzerts der Trachtenkapelle Steinenstadt. Herbert Scherrer kann nämlich auf 60 Jahre aktives Musikmachen in der Trachtenkapelle zurückblicken.

Neuenburg-Steinenstadt. Für Bernhard Metzger, den Präsidenten des Markgräfler Musikverbands, war diese seltene Ehrung ein Grund zu großer Freude. Das spürte man bei seiner von einer tiefen Empathie getragenen Ansprache deutlich.

Es waren gänzlich andere Zeiten, als Herbert Scherrer nach einigen Unterrichtsstunden bei Musikern aus dem Dorf mit dem Tenorhorn in die Trachtenkapelle einzog. Nicht nur die Instrumente seien damals ganz andere gewesen als heute, erinnerte Metzger. Herbert Scherrer musste sich auch die Zeit zum Üben mit den Kameraden aus dem körperlich anstrengenden Tagesablauf eines Landwirts buchstäblich freischaufeln. Jede Woche einmal zur Probe und das seit 60 Jahren, da komme man auf sechs bis sieben Lebensjahre in einem Vollzeitjob, rechnete Metzger vor.

Eine weitere Seltenheit ist die lange Kontinuität in ein und demselben Verein: Herbert Scherrer sah Dirigenten kommen und gehen. Auch das wird immer seltener, berufliche Veränderungen und Wechsel des Wohnorts sind heute Gründe für eine stetige Fluktuation in den Musikvereinen, merkte Metzger an. „Ich verbeuge mich vor dieser Leistung“, bekannte er. Herbert Scherrer kann aber auch noch auf etwas anderes stolz sein: Beide Söhne und deren Kinder, insgesamt acht Familienmitglieder, sind heute in der Trachtenkapelle aktiv, Sohn Franz führt gar den Vorsitz. So bekam die Ehrungsansprache des Vorsitzenden eine ganz besondere persönliche Note.

Das Wort „Pause“ habe es für seinen Vater nie gegeben, berichtete Franz Scherrer. Er vertrete die Meinung, dass jeder, der Freude am Musizieren und den Willen dazu habe, dies auch mit den beruflichen und sonstigen Anforderungen unter einen Hut bringen kann.

Trotz des landwirtschaftlichen Betriebs sei sein Vater auch lange Jahre Mitglied im Vorstand gewesen, einige Jahre davon auch als stellvertretender Vorsitzender. Nach nur wenigen Unterrichtsstunden sei Herbert Scherrer mit zwölf Jahren Aktivmitglied in der Trachtenkapelle geworden. Als der Tubaspieler ausfiel, habe er vom Tenorhorn kurzerhand auf die Tuba gewechselt. In diesem Register der tiefen Blechbläser sei Herbert Scherrer ein fester Bestandteil.

Scherrer selbst zeigte sich gerührt von den vielen lobenden Worten. „Ich bin zwar schon seit 60 Jahren dabei, fühle mich aber immer noch jung“, sagte er schmunzelnd.

Und noch eine seltene Ehrung gab es an diesem Abend: Johann Scherrer ist zwar kein aktiver Musiker, unterstützt die Trachtenkapelle Steinenstadt aber bereits seit 50 Jahren als Passivmitglied. Es sei nicht nur der regelmäßige Mitgliedsbeitrag, sondern die stete Präsenz bei den Konzerten, die die Verbundenheit des Geehrten mit der Trachtenkapelle ausdrücke, sagte Vorsitzender Franz Scherrer.

Solche Treue ermögliche dem Verein das Überleben und stärke dessen Rolle in der Gesellschaft. Aus diesem Grunde erhalte Johann Scherrer nicht nur die goldene Vereinsnadel, sondern auf Wunsch der Trachtenkapelle auch die Ehrenmitgliedschaft, sagte Franz Scherrer.

Für die beiden Geehrten spielte das Orchester den Konzertmarsch „Blauer Enzian“ von Eric Hoffmann, ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Stück mit Schwung und lebhafter Dramatik, das die Trachtenkapelle wie den ganzen Abend schon in Bestform zeigte.