Neuenburg Zum sich Wegschmeißen komisch

Dorothee Philipp
Gelallte Lebensweisheiten: „The Famous Mary of Bavaria“ Foto: Dorothee Philipp

Gutedelgesellschaft: Kabarettistin Luise Kinseher begeistert mit brillanter Lehrstunde zum Thema Bayern.

Neuenburg am Rhein - Wie schön, dass die Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern so kabarettabel sind! Auch Markus Söder ist da keine Ausnahme. Für Luise Kinseher, diesmal einzige Frau in der zu Ende gegangenen Kabarettsaison der Markgräfler Gutedelgesellschaft, ist er ein regelrechtes Festessen, das sie mit einer leckeren Vorspeise in Form der Nervensäge Hubert Aiwanger genießt.

Söder im weißblauen Armani-Weltraumanzug, wie er ins Space-Shuttle steigt – die Weltraumpläne des langen Bayern sind natürlich eine Steilvorlage für Humoristen aller Couleur. Und als Trinker von viel zu viel Cola light zeigt er, dass die Palette der bayrischen Rausch-Arten um die Stufe „Delirium bei vollem Bewusstsein“ erweitert werden kann.

Die inkarnierte Mama Bavaria

Doch bevor die strahlend kokette Mama Bavaria mit den roten Locken und den wohlproportionierten Dirndl-Formen auf der Bühne erscheint, erlebt das Publikum eine aufgescheuchte Alte im beigen Trenchcoat und verwurschteltem Dutt, die ihren „Heinz!!!“ sucht, der in den Tiefen des Theaters verschwunden ist. Nebenbei erklärt sie, warum sie mit ihrem Heinz so gerne nach Bayern reist: Weil es dort alles gibt, was man sonst auf fernen Kontinenten sucht. Die Inntalautobahn mit ihren Lastwagen ist genauso imposant wie die chinesische Mauer, das Grab von Maria Hellwig genau so bewegend wie das Taj Mahal.

Luise Kinseher sorgt sich als inkarnierte Mama Bavaria nicht nur um das schöne Bayern, das ist wie sie: sanfte Hügel, hohe Berge und nirgends eine flache harte Stelle, sondern auch um den Rest der Welt, die heutzutage aussieht wie das Zimmer eines Fünfzehnjährigen. Ja, starke Mütter braucht die Welt. In dieser Rolle kann sie auch der „ausgezutzelten Kuh Europa“ die Leviten lesen oder die weinende Lady Liberty trösten. Aber vor allem bleibt dieser Abend eine einzige brillante Lehrstunde zum Thema Bayern, das unbekannte Staatswesen mitten in Europa, das eine eigene Sprache und eigene Sternzeichen hat und dessen Geburtsstunde mit der Erkenntnis „mia san mia“ schlug.

Das Publikum singt begeistert mit

Als running Gag taucht zwischendurch König Ludwig II. auf, denn nur die Touristen glauben, dass er ertrunken ist. Man hat ihn doch in der Inkarnation als Moshammer gesehen.

Und jodeln kann die Kinseher! Trotz erkennbarer Erkältung schwingt sich ihr tirilierender Sopran mühelos in die Höhen. Bei der Opernarie „Schau hi, do liegt e doder Fisch im Wasser, den moch mer hii“ singt das Publikum bald begeistert mit. Und Mama freut sich über den großen Kinderchor.

Zusätzlichen Schwung in die Dramaturgie bringt Mama Bavarias Alter Ego „Famous Mary from Bavary“, die im hellblauen Bademantel verkatert ins helle Licht blinzelnd und mit schwerer Zunge lallend ihre Sicht der Welt erklärt. Etwa warum der Mensch in seiner langen Geschichte bis heute immer so unglücklich wie ein im Weckglas eingepferchtes Essiggurkerl ist.

Digitale Welt, Münchner Mietpreise, der Schädling Flächenfraß im Bayernland, verklemmte Sexualmoral, die gesellschaftliche Einöde, der das alte Wissen und die traditionellen Werte abhanden gekommen sind – Themen, mit denen die Kinseher lustvoll spielt. Ihre Kausalketten sind zum sich Wegschmeißen komisch. Am Ende eines solchen Exkurses hat man auch glasklar verstanden, warum in Bayern Kirche und Wirtshaus eine unauflösbare Symbiose eingegangen sind.

Aus Qigong-Übung wird ein Schuhplattler

Ein Bonbon hat sie sich für die Zugabe aufgehoben, wo sie als Mary von der Romanze mit ihrem Fleund Wan Tan berichtet. Bald wird klar: In der Welt hängt alles mit allem zusammen, so dass auch aus einer Qigong-Übung unversehens ein Schuhplattler werden kann. Und wie hübsch das klingt, wenn eine chinesische Quäkstimme mit orientalischer Dudelmusik im Hintergrund davon singt, dass sie halt so warn, die alten Littelsleut. Dazu lässt Mary blaue Seidentüchlein wehen, und das Verschmelzen der Kulturen ist perfekt.

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