^ Neues Spielbühnen-Stück: Miteinander verbunden im Unglück - Schopfheim - Verlagshaus Jaumann

Neues Spielbühnen-Stück Miteinander verbunden im Unglück

Jürgen Scharf
Auf dem Bahnsteig spielt das neue Stück, das die Spielbühne Schopfheim derzeit intensiv probt. Foto: Jürgen Scharf

Die Spielbühne Schopfheim führt als nächstes „100 Songs“ von Roland Schimmelpfennig auf: Kurze Momentaufnahmen im Bahnhof, die zu einem experimentellen Stück gebündelt sind. Zehn Aufführungen im Museumskeller sind geplant.

Am Bahnsteig. Um 8.55 Uhr soll der Zug einfahren. Vier Minuten vor Abfahrt warten acht Personen am Gleis. Was in diesen wenigen Augenblicken in den Menschen und im Bahnhofscafé vor sich geht, das erzählt Roland Schimmelpfennig in seinem Theaterstück „100 Songs“, das die Spielbühne Schopfheim seit einiger Zeit unter der Regie von Wolfgang Künzel probt.

Drama im Bahnhofsmilieu

Es war eine „Stecknadelsuche“, sagt Künzel zur Findung dieses neuen Stücks. Die Theatergruppe hat mehrere Manuskripte gelesen und sich dann aber doch für Schimmelpfennig, einen der meistgespielten Gegenwartsdramatiker, entschieden. „Ich kenne Schimmelpfennig ganz gut“, sagt Künzel, der vor zwölf Jahren an der Waldorfschule dessen anspruchsvolles Großstadtpanorama „Auf der Greifswalder Straße“ inszeniert hat. Von allen durchgeschauten Stücken hat ihn und die acht Schauspieler letztlich das Drama im Bahnhofsmilieu am meisten beeindruckt.

Fragmente, Figuren, Szenen

Im Raum stand nur die Frage, ob diese Momentaufnahmen und die ganzen Songs, die Lebensgeschichten, Erinnerungen und Träume der Reisenden reflektieren, nicht zu experimentell seien. Und: Versteht das Publikum dieses Szenario mit den immer neuen Variationen und Zufälligkeiten in einer so kurzen Zeitspanne? Zumal das Stück keine richtige Handlung hat. Es sind Fragmente, Figuren und Szenen – und alles endet tragisch. Der Zug fährt ein. Der Bahnhofsvorsteher pfeift auf seiner Trillerpfeife ein schrilles Signal zur Abfahrt, vier Sekunden später passiert irgendetwas. Der Kellnerin fällt in diesem Moment eine Tasse herunter. Es muss ein Unglück geschehen sein.

Offen bleibt, ob es ein Attentat oder eine andere Katastrophe ist.

Unfassbares beschreiben

Wie beschreibt nun der Autor dieses Unfassbare? Eben in Songs, zwar nicht in 100, wie es der Titel verspricht, sondern in einer Auswahl. Es sind Rückblenden, die Geschichte wird zurückgespult vor den Augenblick einer möglichen Explosion, und die Einzelschicksale der Passagiere werden biografisch beleuchtet. Es ist eine Gemeinschaft von Nichtsahnenden, eine Schicksalsgemeinschaft. Die Menschen, so unterschiedlich sie sind, gehören doch irgendwie zusammen, sind im Unglück miteinander verbunden.

Was sie kurz davor bewegt, erfährt man. Man sieht und hört, was sie fühlen und denken. Die Lieder verbinden bestimmte Situationen, zeigen die Emotionen. Jeder hat seinen eigenen Song. Im Radio läuft Musik, „Bette Davis Eyes“, ein Pophit aus den 80er Jahren, just im Augenblick des Unglücks.

„Wir versuchen über Bilder zu gehen“, so erklärt der Regisseur sein Inszenierungskonzept. Es wird kein Zugabteil nachgestellt, sondern eine Bahnhofsszene, bei der die Menschen als Pulk zusammenstehen, auf ihren Koffern sitzen, mit ihrem Gepäck hin und her laufen. Im Stück wird von einem Mann gesprochen, der mit einer roten Sporttasche auftaucht, in der vielleicht eine Bombe versteckt ist.

Annäherung über die Musik

Künzel versucht mit theatralischen Mitteln die Szenen darzustellen, über Körperliches und die Musik, um sich so dem Inhalt anzunähern. Das einzige Bühnenbild wird eine Treppe sein und man wird mit Bildern via Beamer, Licht und einigen Requisiten arbeiten.

In der Spielbühne agieren alle Spieler vom vergangenen Jahr, im Prinzip also die gleiche Besetzung wie in „Hotel zu den zwei Welten“, auch so ein experimentelles Stück zwischen Himmel und Erde, Leben und Tod. Einige Schauspieler übernehmen im Wechsel den Erzählerpart und mehrere Rollen, schlüpfen in verschiedene Figuren.

Eingespieltes Bühnen-Team

Die neuste Mitspielerin ist Nicole Keilbach-Schmittel, die man auch als Autorin kennt. Im Stück ist sie die Frau mit den kurzen Haaren, sie spielt die Polizistin und weitere Personen. Das ganze Ensemble der Schopfheimer Spielbühne geht mit Eifer und Interesse an dieses anspruchsvolle Stück heran und fiebert der Premiere entgegen.

Premiere am 19. April, 20 Uhr, Museumskeller. Aufführungen bis 5. Mai, freitags, samstags und sonntags, 20 Uhr. Kartenvorverkauf bei der Regio Buchhandlung.

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