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„Nie wieder ist jetzt“ in Schopfheim Dem Antisemitismus die Stirn bieten

Werner Müller
Ein breites Bündnis von Gruppierungen aus Politik, Kirche und Bürgerschaft hatte Foto: Werner Müller

Knapp 100 Menschen setzen im Kerzenschein vor dem Rathaus ein Zeichen gegen Hetze und Gewalt.

Zeichen setzen im Kerzenschein: Knapp 100 Menschen versammelten sich am Donnerstagabend vor dem Rathaus, um auf leise und doch unmissverständliche Weise dem wachsenden Antisemitismus die Stirn zu bieten. „Nie wieder ist jetzt“ lautete die Botschaft, mit der die Initiativgruppe Stolpersteine Wiesental im Schulterschluss mit den Gemeinderatsfraktionen, der Stadtverwaltung, den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden sowie dem Evangelischen Sozialwerk zu der Kundgebung aufgerufen hatte.

„Entsetztes Schweigen genügt nicht – Antisemitismus gehört nicht zu unserem Land“: Gemäß diesem Leitspruch bezogen mehrere Redner am Tag, an dem das jüdische Chanukkafest (Lichterfest) beginnt, klar Stellung gegen das, was sich nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf deutschen Straßen und Plätzen abspielt. Moderator Christian Rabe von der Initiativgruppe Stolpersteine beklagte, dass sich Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland wieder „massiven Bedrohungen“ gegenüber sähen. Viele von ihnen trauten sich nicht mehr auf die Straße, schon gar nicht mit der Kippa, der traditionellen Kopfbedeckung. So sei es vor 90 Jahren schon einmal gewesen, zu Beginn der Judenverfolgung im Dritten Reich. In der Markgrafenstadt erinnerten sechs Stolpersteine an das Leid und den Tod von jüdischen Mitbürgern. Auch deswegen sei es höchste Zeit für die klare Botschaft: „Nie wieder ist Jetzt!“

„Dürfen nicht wegsehen“

„Wir müssen ein Zeichen setzen und dürfen nicht wegsehen, wenn Menschen auf unseren Straßen beschimpft und angegriffen werden wie vor 90 Jahren“, mahnte auch Michael Böhler namens des CDU-Stadtverbands. Extremisten und Antisemiten gefährdeten erneut die Demokratie. Die Fehler von 1933 dürften sich nicht wiederholen, sagte er und rief alle demokratischen Parteien auf, gemeinsam gegen jede Form von Rassismus einzutreten. „Auf unseren Straßen darf es keine Hetze geben, wehret den Anfängen“, so Böhler.

Seit dem Hamas-Angriff auf Israel habe es in Deutschland mehr als 100 antisemitische Vorfälle gegeben, Juden müssten wieder Angst haben, ihre Häuser seien wieder mit Davidsternen beschmiert, warnte Pfarrer Martin Schmitthenner und fügte hinzu: „Dafür muss man sich als Deutscher angesichts unserer Geschichte schämen.“

Am Existenzrecht Israels dürfe es keinerlei Zweifel geben. Andererseits müssten aber auch die Palästinenser zu ihrem Recht kommen, betonte Schmitthenner und machte deutlich, dass Hass gegen alle Muslime ebenfalls nicht zu rechtfertigen sei. Er gab zudem zu bedenken, dass das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen durchaus für Entsetzen sorge.

Namens des SPD-Ortsvereins berichtete Bernd Sevecke, dass er im Dezember 1967 in Jerusalem den Beginn des Jom-Kippur-Krieg hautnah miterlebte und daraus die Lehre gezogen habe, dass man für alle einstehen müsse – für Menschen jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubens. Ziel müsse sein, dass sie „in Israel und Palästina miteinander friedlich zusammenleben können.“

Klischees widersprechen

„Man kann nicht Christ sein und Antisemit zugleich“, erklärte Wolfram Gniewosz, Vorsitzender des katholischen Pfarrgemeinderats unter Berufung auf die Bibel. Gleichwohl hätten vor 90 Jahren viele Christen geschwiegen und weggesehen, als ihre jüdischen Nachbarn verschleppt und ermordet wurden. Das dürfe nie wieder geschehen. Es gelte, antisemitischen Klischees zu widersprechen, wo immer sie auftauchen. „Dass Juden bei uns wieder Angst haben müssen, tut weh“, so Gniewosz.

Pfarrerin Ulrike Krumm erinnerte sich, dass sie in ihrer Schulzeit noch Schwarzweißfilme gesehen habe, in denen Berge von menschlichen Haaren, Brillen und Schuhen vom „unmenschlichen Grauen“ in den Konzentrationslagern der Nazis zeugten. „Diese Bilder verfolgen mich bis heute“, gestand sie und fragte sich zugleich, ob es richtig sei, dass man heutzutage den Jugendlichen solch eindringliche historische Aufklärung nicht mehr zumuten wolle. Denn um das „Nie Wieder“ wahr werden zu lassen, meinte sie, müsse man solche Geschichten immer wieder erzählen.

Als Vertreter von Grünen und Arbeitskreis Integration sprach sich Michael Straub dafür aus, auf lokaler Ebene die Menschen verschiedener Nationalitäten und Konfessionen zueinander zu bringen.

„Stolpern ist nicht schön, Stolpersteine wecken Aufmerksamkeit, unterbrechen gewohnte Abläufe und fordern auf, genau hinzuschauen“, erklärte Dekanin Bärbel Schäfer. Insofern danke sie allen Teilnehmern der Kundgebung, dass sie sich hätten stören lassen, um Bekenntnis abzulegen im Sinne des „Nie wieder ist jetzt“.

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