^ Oberes Wiesental/Kleines Wiesental: Schutz vor der Kettensäge - Kleines Wiesental - Verlagshaus Jaumann

Oberes Wiesental/Kleines Wiesental Schutz vor der Kettensäge

Gerald Nill
Revierförster Rolf Berger zeichnet einen von 3000 Habitatbäumen im Revier Fröhnd im Rahmen des Förderprogramms „Klimaangepasster Wald“ aus. Foto: Gerald Nill

Der Klimawandel und das neue Waldsterben haben zu einem Umdenken bei der Waldbewirtschaftung geführt. Beim „Klimaangepassten Wald“ werden besondere Bäume ausgewiesen, die Lebensraum für Insekten und Vögel bieten können.

Durch „klimaangepasstes Waldmanagement“ erhalten die Kommunen kräftige Förderungen vom Bund dafür, dass sie Einzelbäume und ganze Waldstücke der Natur überlassen. Rolf Berger, Forstrevierleiter in Fröhnd, erläutert das Förderprogramm.

Als Knackpunkt in einem Kriterienkatalog mit zwölf Punkten erweist sich die Ausweisung von fünf sogenannten Habitatbäumen je Hektar. Das sind krumm gewachsene Vertreter, die vielleicht auch schon Risse oder Löcher, eventuell Pfützen und Nischen haben, in denen sie vor allem Insekten und Vögel einen Lebensraum bieten. „Habitat“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wohnen. „Fünf Habitatbäume, das klingt erst mal nicht wild“, sagt Berger. „Aber bei einer Gemeindewaldfläche von etwa 1050 Hektar im Forstbezirk Todtnau sind das 5000 Habitatbäume.“ Die geeigneten Kaliber müssten gefunden, mit einer Plakette ausgezeichnet und kartografiert werden. Eine Heidenarbeit!

Grüne Seele zeigen

Aber der 66-jährige rüstige Förster wirkt alles andere als geknickt. Im Gegenteil. Er glaubt, dass die Förster ein zweifelhaftes Image besäßen, weil sie bislang im Nutzwald vor allem für das Umhauen von Bäumen bekannt seien. Durch die Klimakrise, die auch zu einer Krise des Waldes geworden ist, können die Forstexperten ihre grüne Seele zeigen, findet Berger. Und sein Kollege aus Zell, Winfried Herden, pflichtet bei: „Man ist Förster aus Liebe zum Wald geworden.“

Jetzt streifen die Forstleute mit offenen Augen durch ihr Revier und haben Taschen mit bunten Plaketten und Alunägeln dabei. Blaue Plaketten schützen ein einzelnes Exemplar, rote Plaketten eine ganze Baumgruppe bis an ihr Lebensende vor der Kettensäge. Berger steht in einem felsigen Waldstück in Wembach mit knorrigen Buchen und Eichen. Ein idealer Platz für die Natur. Moose und seltene Flechten wie die Lungenflechte, „ein echtes Juwel“, zeigen ihm, dass er an der richtigen Stelle ist. Die Bäume haben sogenannte Mulmhöhlen, wo das Holz durch feuchte Stellen schwarz wird. Ein Tummelplatz für Käfer und Insekten und damit auch für den Specht, dessen Löcher dann Meisen und Kleiber oder Fledermäuse annehmen.

Suche nach Habitatbäumen

In Fröhnd müssen 3200 besondere Habitatbäume gefunden und markiert werden. „Wir haben erst 300 ausgezeichnet und müssen richtig Gas geben“, weiß Berger. Da Fröhnd zur ersten Gemeinde zählte, die beim Bundes-Programm zugriff, bleibt nur noch ein Jahr Zeit für die Habitatbaum-Suche. Bergers Kollege Rüdiger Motzke muss im Kleinen Wiesental gar 6000 Habitatbäume ausweisen. Die Kommunen zwischen Feldberg und Zell haben nicht lange gezaudert, als das Förderprogramm „Klimaangepasster Wald“ angeboten wurde. Die Förster, allen voran auch Jan Kirner, Trainee im Forstbezirk Todtnau, erkannten, dass der Schwarzwald wie geschaffen ist, den Zwölfpunkte-Kriterienkatalog einzuhalten, weil schon immer nachhaltig gewirtschaftet wurde und Fichten-Monokulturen wie im Sauerland nicht in Frage kamen.

Auf der anderen Seite lockte das große Geld in Zeiten knapper Kassen. „Fröhnd kriegt 60 000 Euro – jedes Jahr“, rechnet Berger vor. Das Kleine Wiesental hat rund 100 000 Euro Erlös im Gemeindehaushalt eingeplant. Nur ganz leise war jetzt im Gemeinderat in Tegernau und auch bei Förster Berger die stille Frage zu vernehmen, ob die in Aussicht stehenden Fördergelder eventuell Teil jenes 60 Milliarden-Euro-Paketes sind, das jetzt auf Eis gelegt werden musste. Die Antwort steht noch aus.

Sterblichkeit hoch wie nie

Ein Zurück gibt es für den Forst ohnehin nicht mehr. Klar ist, dass der Wald zukunftsfähig aufgestellt sein muss. Eine jahrhundertealte Statistik, die Forstbezirksleiter Christian Suchomel kürzlich im Gemeinderat Kleines Wiesental zeigte, schockte das Gremium. Die Langzeitbetrachtung des Waldzustandes im Schwarzwald seit 1880 zeigt, dass die Sterblichkeit der Bäume noch nie auch nur annähernd so hoch gewesen ist wie aktuell. Lag die Mortalität der Bäume beim „Waldsterben“ in den 1980er Jahren noch bei zehn Prozent des Bestandes, so hat sich der Wert inzwischen auf 40 Prozent hochgeschraubt.

Ergo: Mit dem ökologischen Gefüge Wald muss umsichtiger und fast zärtlich umgegangen werden. Rolf Berger nimmt kein Blatt vor den Mund: Rabiate Einschläge, wie sie im Zusammenhang mit dem Bau des Funkmasts am Zeller Blauen erfolgt seien, dürften sich beim Bau der Windräder nicht wiederholen, sagt der Forst-Experte deutlich: „Das Mikroklima ist am Zeller Blauen geschädigt worden.“ Wo einst feuchte, moosige Stellen lagen, finde er jetzt staubtrockene Ecken.

Riesenchance

Für den ganzheitlich denkenden Förster ist die Ausweisung der Habitatbäume eine Riesenchance. Endlich habe er Gelegenheit, durch sein Revier zu streifen „wie bei einer Art Inventur“ und findet nebenbei stille Nischen, wo es sich lohnt, ein Biotop anzulegen. Berger schaut zu einem Baum-Veteranen, der schon ein paar Pilze und Spechtlöcher hat. Das ist eine echte Wohngemeinschaft. Er zückt das Hämmerchen und fixiert die rote Plakette und schützt damit diesen sowie die Nachbarbäume vor dem Umhauen. Noch ein Eintrag in die App - und weiter geht’s.

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