Regio-Kultur Das Lesen bleibt

Gabriele Hauger

Katrin Eckert spricht im Interview über die Absage des Literaturfestivals BuchBasel und das Online-Angebot.

Basel - Heute, Freitag, wäre das Literaturfestival BuchBasel gestartet. Auch diese kulturelle Veranstaltung fällt dem Coronavirus zum Opfer. Ersatzweise gibt es ein digitales Angebot, die Verleihung des Schweizer Buchpreises findet am Sonntag ebenfalls statt, wenn auch anders als geplant. Mit Katrin Eckert, die gemeinsam mit Marion Regenscheit das Festival leitet, unterhielt sich Gabriele Hauger.

„Unermesslich traurig“, so heißt es auf Ihrer Homepage, sind die Festivalplanerinnen über die Absage der BuchBasel. Veranstaltungen bis 50 Personen sind im Kulturbereich Basels ja noch erlaubt. Warum haben Sie sich dennoch zur Absage entschieden? Und wie ist Ihr Seelenzustand?

Mein Seelenzustand war bis zur Entscheidung zur Absage sehr ambivalent. Es ist natürlich schrecklich frustrierend, so viel vorzubereiten und dann kurzfristig absagen zu müssen. Sehr bitter. Andererseits haben wir uns schon Wochen vorher immer wieder überlegt:  Was können wir anbieten, was ist angesichts der steigenden Infektionszahlen noch sinnvoll und verantwortbar? Vor allem, als die Schweiz auf die Risikoliste Deutschlands kam, wurde das Thema virulent. Wir hätten zwar Sonderbewilligungen für die eingeladenen deutschen Autorinnen und Autoren bekommen, aber es war immer die Frage, ob das sinnvoll ist. Natürlich haben auch schon einzelne abgesagt, andere wiederum waren ganz unverzagt und wären gekommen. Diese Ungewissheit auszuhalten, das war sehr schwierig. Bis klar war: Es geht nicht! Denn das, was das Festival ausmacht - Bekannte zu treffen, sich auszutauschen, viele Veranstaltungen zu besuchen, in die Festivalatmosphäre einzutauchen -, das könnte so nicht entstehen. Es wäre das weggefallen, was das Festival eigentlich ausmacht.

Nun gibt es  Online-Ersatzangebote. Begegnungen mit den Autorinnen und Autoren live kann das aber nicht ersetzen, oder?

Nein. Deswegen haben wir ja auch so stark auf die Durchführung eines analogen Festivals gesetzt. Wir wollten jetzt aber nicht gezwungenermaßen einfach alles ins Internet verschieben. Das wäre auch gar nicht möglich gewesen. Wir bieten ausgewählte Formate an, die  online angepasst sind – also kein schlechtes Fernsehen, sondern zum Beispiel eine Podcastreihe, Gespräche mit Gästen, die eigentlich ans Festival gekommen wären und die abrufbar sind. 

Sie versprechen neue digitale Leseerlebnisse. Also nicht nur ein Autor, der liest und das Ganze per Video?  

Damit meinen wir vor allem das Literaturmagazin „Shy“, das nicht nur Textseiten ins Netz stellt, sondern das mit  multimedialen Mitteln arbeitet. Da kann man zum Beispiel Texten beim Verfallen zusehen, Texte, die sozusagen verwesen – ein Spiel mit vielen Möglichkeiten. Beim Stichwort Resonanzraum wiederum geht es um das Buch „Chelsea Girls“ von Eileen Myles.   Studierende der Uni Basel haben verschiedene Zugänge zu diesem Buch gelegt: Da gibt es biografisches Material, Videos mit Interview-Sequenzen, einen Instagram-Kanal, es werden Schwierigkeiten der Übersetzung thematisiert. Als Ersatz für das ausfallende Kinderbuchfestival gibt es zudem kleine Audio-Video-Formate, die wir verlinken. Die Rede von Ilija Trojanow zur Eröffnung wird ebenfalls  online gestellt, ebenso ein Beitrag von Dill&Kraut. Beim Schweizer Buchpreis werden wir die Laudationes und die Lesung von Thomas Sarbacher aus den fünf Büchern, die zur Verleihung am Sonntag stattgefunden hätte, als Audiodatei auf der Website stehen. 

Das diesjährige Schwerpunktthema lautet Zusammenleben. Was steckt dahinter?

Natürlich steht der Gedanke dahinter, wie das Zusammenleben von der Corona-Pandemie beeinflusst wird. Im Frühjahr hatte das Ganze ja auch ein utopisches Potenzial. Die Menschen waren solidarisch: Man fuhr die Wirtschaft herunter, um die Schwächeren zu schützen. Das war bis dahin unvorstellbar. Und das löste Gedankenprozesse aus: Man muss nicht in der Welt herumfliegen, man könnte auch anders leben, sich auf Anderes fokussieren. Zum anderen wollten wir betrachten, was die Pandemie mit Europa macht und wie sie es verändert. Wie wird nach den vielen nationalen Alleingängen das Verhältnis der Europäer untereinander beeinflusst?  Dann kam das krasse Erlebnis der Grenzschließung und die Anschlussfrage: Was bedeutet diese Abschottung der Grenzen für die Menschen, die draußen bleiben müssen? Und schließlich die Frage: Wie beeinflusst diese Pandemie unsere privaten Beziehungen. Darüber wollten wir sprechen und diskutieren. Und auch darüber, was das Ganze global bedeutet.

Spannende und wichtige Themen. Wieso verschieben Sie das ganze Programm nicht einfach ins nächste Jahr? Die Aktualität bleibt sicher leider erhalten.

Ich freue mich über die Möglichkeit, die Schwerpunktveranstaltungen im Januar nächsten Jahres ins Literaturhaus-Programm zu übernehmen, vielleicht gebündelt in einer Woche.  Es sind so tolle Gäste, dass wir das unbedingt noch bringen müssen. Wie genau die digitalen Formate aussehen werden, überlegen wir noch. Das Programm komplett ins nächste Jahr zu übertragen, finde ich schwierig. Bis dahin gibt es sicherlich wieder neue spannende Ansätze und neue Literatur, die es verdient, in den Fokus gerückt zu werden.

Könnte man Corona auch als Chance für die Literatur sehen? Die Nachfrage nach Büchern steigt ja offensichtlich.

Zum Teil ist das sicher so. Die Umsätze sind in einigen Ländern wirklich gestiegen. Das ist natürlich ein Trost: All diese tollen Bücher, die wir beim Festival gerne vorgestellt hätten, kann man kaufen und in Ruhe zu Hause lesen. Ganz entspannt – und ohne Maske.

 Informationen rund um das digitale Angebot des Literaturfestivals gibt es im Internet unter www.buchbasel.ch

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