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Rheinfelden Auch das Kraftwerk war bedroht

Wolfgang Bocks
Das alte Rheinfelder Kraftwerk war bis zu seinem Abriss im Jahr 2011 das älteste Flusskraftwerk in Europa. Foto: Archiv

Das Rheinfelder Wasserkraftwerk wäre im Zuge des oberbadischen Aufstands vor fast auf den Tag genau 100 Jahren beinahe zerstört worden. Nur durch Verhandlungen konnte das Schlimmste gerade noch verhindert werden.

Die Hyperinflation von 1923 bedrohte massiv das Leben vieler Arbeiter, die nicht mehr wussten, wie sie ihre Familien ernähren sollten. Im September kam es zum oberbadischen Aufstand in Lörrach mit Generalstreik, der rasch eskalierte. Er hatte auch Auswirkungen auf Rheinfelden, wo aus Lörrach herbeigeeilte und aufgebrachte Arbeiter versuchten, das Kraftwerk zu beschädigen und die Stromproduktion zu unterbrechen. Es gibt Zeitzeugen, die über die dramatischen Ereignisse berichten.

Zeitzeugenberichte

So hält der damalige Direktor Robert Haas, der auch der erste Rheinfelder Ehrenbürger ist, am 25. September 1923 fest: „Namentlich waren unsere Kraftwerke bedroht, die man zwingen wollte, den Betrieb einzustellen, hauptsächlich in der Absicht, durch das Ausbleiben des Stroms nach dem Elsaß ein Einrücken der Franzosen herbeizuführen. Die besonnenen Arbeiter standen unter dem Druck der jungen Heißsporne.

Die Männer waren zum Teil mit Gewehren und Handgranaten bewaffnet. Da wir ohne jeden Schutz waren, da es überhaupt nicht möglich ist, unser ausgedehntes Unternehmen vollkommen zu schützen, so war für uns die Verhinderung der Zerstörung unserer Anlagen der einzige Gesichtspunkt. (...)

Große Erregung

Die Erregung war am stärksten am Montag, dem 17., und Dienstag, dem 18. September. Erst abends am 19. September wurde uns Schutz angeboten, den wir dann nicht mehr brauchten.

In diesen Wirrnissen haben unsere Arbeiter die Werke selbst geschützt. Ihre Zahl war allerdings gering und die Verhinderung von Gewalttaten war zum Teil nur durch Verhandlungen möglich, wobei uns unser Betriebsrat ausgezeichnete Dienste leistet. Es hat kein fremder Fuß unsere Werke betreten. Es ist auch nicht der kleinste Teil der Anlagen beschädigt worden. (...) Die Schweizer erhielten immer Strom. Das Elsaß war etwa 2,5 Stunden ausgeschaltet (...)

Es sind viele Gewalttaten geschehen. Die meisten Fabrikanten und Direktoren mußten fliehen, andere wurden lebensgefährlich verletzt. Auch hier in Rheinfelden sind wir wohl die einzigen, welche ihren Dienst ununterbrochen durchführen konnten.“ Der Betriebsrat Josef Klingele ergänzt an anderer Stelle: „Auch in unserer Gegend brachen schwere Unruhen aus und ein Teufel streute die Parole aus: „Vernichtet die Kraftwerke und alle Betriebe“ (...) Und am 17. September 1923, vormittags um 11 Uhr, zogen einige hundert Mann (...) gegen das Kraftwerk mit der Absicht, die Maschinen durch das Hineinwerfen von Eisenstücken, Steinen und so weiter zu zerstören. Am Tore wurden sie von einigen beherzten Leuten des Werkes aufgehalten und es war möglich, ihnen klar zu machen, daß sie durch ihr Tun sich selbst den Lebensnerv abschneiden würden, da sie ja nachher keinen Verdienst, ihre Familien kein Licht und kein Wasser mehr hätten (...) Die Besonnenen sahen das ein und bekamen die Oberhand.“

Hilfe in Franken

Die Rheinfelder Betriebe hatten ihren Mitarbeitern bereits am 12. September eine Wirtschaftsbeihilfe in Franken bewilligt, die von Textilindustriellen in Lörrach verweigert wurde. Daher war die Lage in Rheinfelden wesentlich entspannter.

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