Rheinfelden Die Frau von der Brückenwaage

Petra Wunderle
Julia Sailer (Mitte) war mehr als 50 Jahre lang Wiegemeisterin in Adelhausen. Ortsvorsteherin Silvia Rütschle und Stellvertreter Christian Gerwig verabschiedeten sie auf der Brückenwaage. Foto: Petra Wunderle

Verabschiedung: Mehr als 50 Jahre lang war Julia Sailer in Adelhausen als Wiegemeisterin tätig

Rheinfelden-Adelhausen - Mit dem beschlossenen Aus für die Adelhauser „Bruggewoog“ ist für Julia Sailer eine liebgewordene Tätigkeit weggefallen. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war sie die Wiegemeisterin im Dorf. Nun wurde die 82-Jährige mit Lob und Dank verabschiedet.

„Dankeschön! Wir sind so froh, dass du das all die Jahre lang gemacht hast!“Ortsvorsteherin Silvia Rütschle und ihr Stellvertreter Christian Gerwig waren voll des Lobes für Sailer. Sie übergaben der frisch gebackenen „Wiegemeisterin im Ruhestand“ im Namen der Stadt Rheinfelden einen Präsentkorb, gefüllt mit regionalen Produkten. Mit Sailers Verabschiedung geht gleichzeitig die Ära der letzten öffentlichen Brückenwaage in Rheinfelden zu Ende.

Dickes Minusgeschäft für die Stadt Rheinfelden

Ertrag und Aufwand hatten zuletzt einfach nicht mehr zusammengepasst (wir berichteten ausführlich). Noch im Jahr 2016 hatte es 165 Wiegevorgänge gegeben, im vergangenen Jahr waren es nur noch 38. Bis zuletzt wurden für einen Wiegevorgang acht Euro verlangt.

Im Abstand von drei Jahren war aber eine Eichung verpflichtend. Die Kosten dafür lagen bei rund 3000 Euro. Gab es eine Reparatur, musste erneut eine Eichung vorgenommen werden. Hinzu kamen Personal- und sonstige Kosten. Alles in allem ein großes Minusgeschäft für die Stadt Rheinfelden. Anfang des Jahres hatten Ortschafts- und Gemeinderat daher beschlossen, die Brückenwaage in Adelhausen zu schließen.

Sie wurde zuletzt von Landwirten und Privatpersonen zum Wiegen von Vieh und Pferden genutzt, aber auch bei größeren Mengen Heu, Stroh, Frucht, Weizen – und sogar ein Wohnwagen stand auf der Brückenwaage – kam sie zum Einsatz. Julia Sailer hat diese Arbeit mit Herzblut gemacht: „Auch aus den umliegenden Gemeinden kamen die Menschen nach Adelhausen, um die Brückenwaage zu nutzen. Es wurde so gut wie nie eine feste Uhrzeit vereinbart. Die Leute klopften einfach an meine Haustür, und irgendwie hat es immer geklappt.“

Mit Sailers Abschied endet eine echte Institution

Übrigens: Julia Sailer hatte den „Job“ einst von ihrer Mutter Marta Baumgartner übernommen. „Anfangs war ich ihre Stellvertreterin, und dann war ich die Wiegemeisterin. Früher kostete einmal Wiegen 1,50 Mark, zuletzt lag der Preis zwischen fünf und acht Euro. Von Vorteil war, dass meine Familie seit jeher direkt im Haus neben der Brückenwaage wohnt.“

Dazu weiß die Ortsvorsteherin: „Das war für alle bequem. Egal, ob Julia gerade einen Pudding kochte oder beim Mittagessen war, wenn jemand zum Wiegen kam, hatte das Vorrang.“

Das Bedienen der Brückenwaage musste man sich früher wie bei einer alten Küchenwaage vorstellen, mit verstellbaren Gewichten. Im Zeitalter der Technik war die „Woog“ dann mit einem Computer ausgestattet worden. Das dazugehörige Kästchen war im daneben stehenden Bushaltehäuschen angebracht. Julia Sailer lacht: „So hab ich dann noch den Umgang mit dem PC gelernt.“

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