Rheinfelden Neue Formen der Spiritualität

Jürgen Scharf
Der Freiburger Graffiti-Künstler Daniel Gjoka besprayte bei einer Live-Aktion des Kontors Beuggen Designerstühle für die neue Kapelle. Foto: Jürgen Scharf

Street Art: Projekt der Evangelischen Kirche auf Schloss Beuggen

Rheinfelden - Experiment Kirche: Kontor Beuggen, ein Projekt des Kirchenbezirks Markgräflerland und der Evangelischen Landeskirche in Baden, will speziell künstlerisch interessierte Menschen ansprechen. Eine andere „Zielgruppe“, die sich in der klassischen Kirche nicht wiederfindet. Dafür gibt es jetzt in Schloss Beuggen nicht nur eine neue Kapelle im Torhaus, sondern auch einen Raum für die Kunst, in dem ungewöhnliche Formen von Spiritualität durchgespielt werden.

Mit der Werkstatt- Event-Serie „life Art“ wollte man diesem Ziel näherkommen. Nach „Hang in concert“ mit dem Müllheimer Perkussionisten Tilo Wachter und einer In-situ-Performance der Bernerin Joelle Valterio war nun als dritte und letzte Session dieser Eröffnungsserie der Freiburger Street Art-Künstler Daniel Gjoka alias „orange“ in Aktion zu erleben.

Bei allen drei Aktionen dieses kirchlichen Start-Ups Kontor Beuggen, das im Torhaus des alten Deutschordens-Ritterschlosses auch seine Basis mit Atelier und Arbeitsräumen hat, füllten verschiedene Künste diese kleine, schön und kontemplativ hergerichtete Kapelle, die sich damit als ein Raum der Ruhe etabliert hat.

Die Sprayaktion von Gjoka, der mit Schablonenkunst, so genannter Stencil-Art, zu Werke ging, fand vor der Kapelle im Schlosshof statt. Der Künstler, der schon in 16 Ländern mit Graffiti aktiv war, besprühte Klappstühle aus Buchenholz der Designerlinie Egon Eiermann SE 18 mit coolen Motiven. Es habe ihn gereizt, sagte Gjoka, Kunst für eine Kapelle zu machen und einen Beitrag zu Vision und Inspiration dieses experimentellen Raums zu leisten.

Nach einem kurzen Gespräch mit den beiden zur Zeit amtierenden Kontoristen, den Pfarrern Markus Schulz und Jens-Daniel Mauer, griff „orange“ zu Spraydose und mitgebrachten vorgefertigten Schablonen und sprayte den Posaunenengel aus dem Freiburger Münster auf die Sitzfläche eines Stuhls; auf die Lehne machte er dann noch ein Ornament.

Bekannt wurde Gjoka durch das Sprayen auf hässliche Stromkästen. Er sprüht auch gerne in Albanien, wo seine Frau herkommt, dort vor allem die vielen halbkugelförmigen Bunker, die von einem früheren Regime stammen und bei der Bevölkerung unbeliebt sind.

Gjoka ist jemand, der eine bildhafte Botschaft hat und diese sensibel rüberbringt. Das kam im Dialog mit Jens-Daniel Mauer durch, der die Street Art-Szene schätzt und zusammen mit seinem Mitkontoristen einer der treibenden Kräfte dieser neuen „faith art community“ in Schloss Beuggen ist, die sich als wach und interessiert, kreativ und unkonventionell bezeichnet, wenig typisch für Kirche und doch sehr spirituell scheint.

Die zehn Klappstühle, Design-Ikonen, die der bekannte Architekt Egon Eiermann 1952 entworfen hat, standen lange Zeit in der Heidelberger Heilig-Geist-Kirche und wurden dem Kontor Beuggen als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Ein interessiertes Publikum konnte zusehen, wie prozesshaft die Stuhlobjekte mit Stencil-Technik zu Kunstwerken wurden, die dann als Sitzmöglichkeiten in der Kapelle als das erste Inventar stehen und „Impulse“ geben sollen.

Die Besucher konnten sich ebenfalls als Graffiti-Künstler versuchen. Auch Jens-Daniel Mauer griff performativ zur Spraydose. Dessen eigenes Konterfei war ein Motiv, das Gjoka auf einer Stuhllehne verewigte. Früher hatte der Freiburger seine Street Art auf Leinwand beschränkt, dann ging er vor drei Jahren auf Stromkästen als neues Format über, und jetzt freute er sich, dass er sich ein Stück weit von dieser Beschränkung befreien und 40 Zentimeter Stuhl- und 20 Zentimeter Lehnenfläche bearbeiten konnte.

Dieser letzte Live-Act der Kontor Community wurde digital per Stream auf verschiedene soziale Medien wie Instagram, Youtube und Facebook übertragen. Dazu passte auch, dass ein kurzer Videoausschnitt des babylonischen Festmahls bei Belsazar gezeigt wurde, wo eine Schrift an der Wand entsteht – das erste Graffiti der Weltgeschichte.

Auch diese dritte „life Art“ wurde mit Dessert-Köstlichkeiten aus der Küche der Lörracher Food-Stylistin Miriam Brossok herzhaft-süß abgerundet. Ihre „Cake-Popcycles“, kreative Kuchenhäppchen, die passend zum Anlass mit lebensmittelechter Farbe und Glitzereffekten besprayt waren und wie Eis am Stiel aussahen, durften genussvoll verkostet werden.

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