Rheinfelden Rheinfelden verliert Baugeschichte

Die Oberbadische

Stadtentwicklung: Häuser aus der Gründerzeit sollen dem Fortschritt weichen

Badisch-Rheinfelden ist noch jung. Doch zwei Jahre bevor ihre Stadtrechte 100 Jahre bestehen, muss es sich immer mehr von seiner Baugeschichte verabschieden.

Von Ulf Körbs

Rheinfelden. Jüngstes Beispiel ist die Nachricht, dass ein Investor die Villa neben dem Postgebäude mit seiner Metzgerei und Bäckerei abreißen will, um einen Neubau zu erstellen. Generationen von Rheinfelder sind in diesem südländisch anmutenden Ensemble dentistisch betreut worden. Nach den dort einst ansässigen Zahnärzten wird auch vom „Otto-Haus“ oder „Hanstein-Haus“ gesprochen. Doch genau diese Nutzung des nicht denkmalgeschützten Gebäudes führt laut heimischer Presse zum Abbruch. Eine innere Umgestaltung sei wirtschaftlich nicht verwirklichbar, heißt es. Und dem Gemeinderat sind die Hände gebunden. Denn es besteht kein Bebauungsplan, daher muss sich der Neubau laut Baugesetzbuch nur „einfügen“, was eine Betimmung wie ein „Gummi-Paragraf“ ist.

Altes Kraftwerk

Die Rheinfelder „Abriss-Historie“ in diesem Jahrhundert hatte sicherlich einen Höhepunkt, als das alte Kraftwerk und der Eisensteg im Jahr 2011 abgebrochen wurde. Der Betreiber Energiedienst folgte so einer Auflage des Konzessionsvertrags für seine neue Anlage weiter flussaufwärts. In der Bevölkerung beidseits des Rheins regte sich zwar heftiger Widerstand, doch der Abbruch war nicht zu verhindern.

Alte Apotheke

Auch der Abriss der „Alten Apotheke“ an der Rheinbrückstraße ein Jahr später rief Kritik hervor, wurde aber schlussendlich doch gebilligt. In den Folgejahren gab es immer wieder kritische Diskussionen um die Nutzung des Grundstücks, allzumal der Bauherr ursprünglich hier ein Hochhaus mit Mini-Appartements vorsah. Doch dieses Vorhaben wurde zurückgezogen. Jetzt soll hier ein Mehrfamilienhaus entstehen.

Metzger-Areal

Anfang vergangenen Jahres wurden Neubaupläne für das ehemalige Metzger-Areal an der Kreuzung der Werder und Nollinger Straße bekannt. Ob wieder ein Hochhaus wie das derzeit existierende errichtet wird, ist bislang noch offen. Es gibt aber eine Ideenskizze des Investors, der auch das Grundstück der ehemaligen Metzgerei Sandel, zuletzt das Domiziel des Rheinfelder Tafelladens, überbaut hat. Dieser Plan erinnert übrigens stark an das stufige Hochrheincenter II. Diese Überlegungen stellt auch die „Metzger-Villa“ zur Disposition. Sie soll ebenfalls nicht unter Denkmalschutz stehen, mit Ausnahme des holzgetäfelten Treppenhauses.

Fürstenberg-Straße

Aktuelle Beispiele sind die Gebäude Karl-Fürstenberg-Straße 3 und 5. Auch hier will ein Investor, es ist die Tochter vom „Hochrheincenter-Vater“ Rolf Brugger, ein modernes Mehrfamilienhaus mit Ladenflächen errichten. In den Ratsgremien herrschte zwar eine kritische Haltung, die Planung wurde mittlerweile geändert. Die ursprüngliche war den Kommunalpolitikern als zu massiv erschienen.

Politische Reaktionen

In den Rheinfelder Ratsfraktionen herrscht wegen des „Ottohaus“-Projekts eine eher kritische Stimmung, wie unsere Anfrage bei den erreichbaren Fraktionsvorsitzenden gestern ergab. Allerdings geben die Antworten nur die jeweils persönliche Meinung dieser Kommunalpolitiker wieder. Denn die Angelegenheit wurde noch nicht von Verwaltungsseite an die Gremien weitergegeben, die Fraktionen haben sie daher bislang nicht beraten.

So heißt es denn auch von Paul Renz (CDU): „Eine diesbezügliche Information seitens der Stadtverwaltung liegt mir bisher nicht vor. Deshalb hat sich meine Fraktion damit auch noch nicht befasst, und ich kann dazu nur meine persönliche Meinung kundtun. Wie für viele Rheinfelder gehört auch für mich das „Hanstein-Haus“, das zurecht auch „Stadtvilla“ bezeichnet wird, zu den in der Gründerzeit der jungen Stadt architektonisch stilvollen und markanten Gebäude. (Übrigens war dort während der Zeit der Besatzung die französische Kommandantur untergebracht). Das Gebäude hat auch heute seinen besonderen Charme nicht eingebüßt und sollte meines Erachtens erhalten werden. Das Quartier zwischen Sparkasse und Josefskirche hat in den letzten Jahren eine hohe Nachverdichtung erlangt. „Grüne Flecken“ in der Innenstadt halte ich auch klimatisch für bedeutsam.“

Auch Karin Paulsen-Zenke (SPD) stört sich am „Informationsweg“: Bei der derzeitigen Goldgräberstimmung auf dem Immobilienmarkt war auch bei diesem Gebäude offenbar allen Beteiligten daran gelegen, zur Gewinnmaximierung bei möglichst geringstem Aufwand Überlegungen hinsichtlich guter Architektur, einer sensiblen Stadtplanung ,ressourcenschonendem‘ Umgang mit einem gut erhaltenen Gebäude und Erhalt eines Teils der Stadtgeschichte möglichst schnell im Keim zu ersticken. „Wir sind ja kein Dorf“, meint der Investor. Das spricht Bände. Auch dieses Mal werden wir Gemeinderäte vor vollendete Tatsachen gestellt: Ein weiteres stadtbildprägendes Haus ist verkauft und damit zum Abriss preisgegeben, denn auch hier gibt es keinen Bebauungsplan und Paragraf 34 des Baugesetzbuchs öffnet alle Türen für eine maximal verdichtete Bebauung. Ich kann deshalb nur feststellen: Wenn uns ernsthaft etwas am Erhalt des jetzt noch in Teilen vorhandenen historischen Stadtbild liegt, dann müssen wir endlich die Diskussion führen, was wir im Stadtbild und wie erhalten wollen und diese Gebiete und Gebäude schnell mit Bebauungsplänen und Gestaltungssatzungen absichern.

Und Karin Reichert-Moser (Freie Wähler) meint: „Ich bin über dieses Vorhaben sehr überrascht und irritiert, dass der Investor informiert, bevor dieses für die Innenstadt wesentliche Vorhaben seitens der Verwaltung im politischen Gremium vorgestellt und beraten wird. Die Aussagen des Investors kann ich nur zur Kenntnis nehmen und mich zunächst bei der Verwaltung über das Bauvorhaben erkundigen. Die baurechtliche Situation an dieser Örtlichkeit ist bekannt und alle Beteiligten (Verwaltung, Gremium, Bauherr) sind in diesem Abwägungsprozess – das neue Bauvorhaben betreffend – gefordert. Wieder muss ein Stück ,Alt-Rheinfelden‘ den Weg freimachen für die Stadtentwicklung, an dieser Örtlichkeit begann dies im Jahre 2001 mit dem Abriss des alten Postgebäudes und dem Bau des jetzigen Wohn- und Geschäftshauses.“

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading