Riehen Ausstellung zu Doris Salcedo: Bei allem Leid bleibt Hoffnung

Siiri Wolff
Die Künstlerin Doris Salcedo (Mitte) gab bei der Ausstellungseröffnung im Gespräch Einblick in ihr Schaffen. Foto: Siiri Wolff

Die Fondation Beyeler widmet der Künstlerin Doris Salcedo als erstes Schweizer Museum eine Einzelausstellung.

Aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá stammend, zählt Salcedo zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. Das Studium brachte sie nach New York. Als sie 1985 in ihre Heimat zurückkehrte, nahm die Inspiration ihren Anfang, die bis heute den Kern ihrer Kunst ausmacht.

Ihre Werke gehen hervor aus der ständigen Konfrontation mit enormen politischen Machtstrukturen und dem daraus resultierenden menschlichen Leid in ihrer Heimat. Jenes sei das Schlüsselelement für die tiefgründige Darstellung des menschlichen Abgrundes, jedoch sei es genauso wichtig, die Leidtragenden so ungefiltert wie möglich in ein Werk einzubinden.

„Ich muss auf die Leute zugehen, ihr Haus sehen, mit ihnen sprechen und ihr Schicksal verstehen, damit ich meine Kunst greifbar machen kann. Zu keinem Zeitpunkt darf ich davon abweichen, was das Trauma einer Person ausmacht“, sagt sie selbst bei der Ausstellungseröffnung.

Ein Hauptwerk der Ausstellung heißt „A Flor de Piel“, bestehend aus hunderten Rosenblättern, welche zu einem fragilen Leichentuch zusammengenäht worden sind, welches sich großflächig durch den ganzen Raum ausbreitet. Hintergrund hierzu bot das Verbrechen an einer kolumbianischen Krankenschwester, die zu Tode gefoltert und deren sterblicher Überrest nie gefunden wurde. Salcedo sagt: „Ich wollte darstellen, was einen gefolterten Körper ausmacht, und suchte nach dem zerbrechlichsten, zartesten Material, mit dem ich arbeiten konnte.“

Appell gegen Kriminalität

Wendet man „A Flor de Piel“ den Rücken zu, gelangt man in den Raum, in dem Salcedo spezifisch auf die Bandenkriminalität in Los Angeles aufmerksam machen will. In „Plegaria Muda“ sind jeweils zwei Tische, der eine umgekehrt auf dem anderen platziert, durch eine Erdschicht getrennt. Die vielen Tischpaare symbolisieren die Opfer-Täter-Dynamik. Salcedo erkannte, dass beide oft aus ähnlich benachteiligten Verhältnissen stammen und deren Schicksale tragisch miteinander verbunden sind. Allerdings will die Künstlerin auch ihre Überzeugung teilen, dass das Leben immer siegen wird, weswegen auf den Tischplatten zwischen den Ritzen des Holzes feine Grashalme hervorsprießen.

Auf Leid hinweisen

In den folgenden Räumen der Ausstellung finden sich die Werke „Disremembered“, „Atrabiliarios“, „Untitled“ und „Unland“, welche alle auf ihre eigene, zerbrechliche Weise das aus menschlicher Gewalt folgende Leid verkörpern. Mit Feinarbeit und Detailliertheit in ihrer Kunst und durch die Verwendung von Alltagsgegenständen zeigt Salcedo dem Betrachter ein ihm bisher unbekanntes Ausmaß an Schmerz. Hierzu sagt sie: „Ich kann nicht genau erklären, warum ich hier die Schuhe und im nächsten die Hemden verwendet habe. Es ist nicht rational, mir erscheint nach langer Recherche und vielem Skizzieren eine Vision und dann weiß ich, was richtig ist. Es wäre mir auch nicht möglich, so etwas alleine auf die Beine zu stellen. Die Werke sind kollektiv, sie gehören den Opfern, den Leidenden, meinem Team, aber niemals nur mir.“

Das letzte und flächenmäßig größte Werk bildet „Palimpsest“ (2013-17), welches den in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf den Meeren verunglückten Flüchtlingen gewidmet ist. Fünf Jahre recherchierte Salcedo die Namen, die jetzt auf Bodenplatten in Sandoptik niedergeschrieben sind. Durch aufquellendes Wasser werden manche Namen von neuen überschrieben, um den anhaltenden Prozess des Vergessens und Verdrängens zu verdeutlichen.

Die Ausstellung in der Fondation Beyeler in Riehen, Baselstraße 101, kann noch bis zum 17. September besucht werden.

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