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Schliengen Auch im Ruhestand keine Langeweile

Claudia Bötsch
Ohne Krawatte unterwegs: Alt-Bürgermeister Werner Bundschuh genießt das Leben als Pensionär. Foto: zVg

Interview: Alt-Bürgermeister Werner Bundschuh wird heute 70 Jahre alt / Drei Jahrzehnte Rathauschef

Alt-Bürgermeister Werner Bundschuh, Ehrenbürger der Gemeinde Schliengen, feiert heute seinen 70. Geburtstag. In den gut drei Jahrzehnten seiner Amtszeit hat der durchsetzungsstarke Macher die Weinbaugemeinde maßgeblich geprägt und die Entwicklung vorangetrieben.

Von Claudia Bötsch

Schliengen. Bundschuh war einer der dienstältesten Bürgermeister in Baden. Mit seinem Ausscheiden vor rund zwei Jahren ging in Schliengen eine Ära zu Ende. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt der langjährige Rathauschef, wie es ihm heute geht, woran er gerne zurückdenkt und warum ihm auch im Ruhestand nicht langweilig wird.

Frage: Sie waren fast Ihr halbes Leben lang Schliengener Bürgermeister und bis zuletzt voller Energie und Tatendrang  – fiel es Ihnen schwer, nach all den Jahren loszulassen?

Ich dachte, dass es mir schwerer fällt. Am Ende war es aber relativ leicht. Ich war all die Jahre sehr gerne Bürgermeister – mein Traumberuf –, aber jetzt genieße ich auch das Pensionärsdasein. Ich bin mit 16 Jahren bei meinem Vater auf dem elterlichen Bauernhof in die Lehre gegangen, mit 68 Jahren aus dem Berufsleben ausgeschieden, da ist es auch mal gut.

Frage: Was hat sich im Ruhestand verändert?

Jetzt habe ich die Freiheit, nur noch das zu tun, was mir Spaß macht. Außerdem freue ich mich, die weiter gute Entwicklung von Schliengen von außen beobachten zu können. Ich bin stolz auf das, was in den vergangenen Jahrzehnten zusammen mit Verwaltung und Gemeinderat erreicht wurde. Wenn ich in der Gemeinde unterwegs bin, treffe ich auch immer wieder Bürger, die Danke sagen. Zum Beispiel bin ich mal durchs Neubaugebiet Wasengärtle spaziert, als mich junge Leute auf ein Bier in ihren Garten eingeladen haben. Sie waren froh, in Schliengen einen Bauplatz und eine Heimat gefunden zu haben. Diese positiven Rückmeldungen der Bürger haben mir das Loslassen leicht gemacht. Und die Herzlichkeit bei der offiziellen Verabschiedung im Bürger- und Gästehaus spüre ich bis heute, speziell die Beiträge der Kindergartenkinder und Schüler haben mich sehr berührt.

Frage: An was erinnern Sie sich besonders gerne zurück?

An die gute Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat. Es gab all die Jahre wenig Disput, und ich hatte das gute Gefühl, das Gremium hinter mir zu wissen. So konnten wir gemeinsam viele Projekte voranbringen. Ich bin dankbar für dieses Vertrauen, so war es möglich, auch viele mutige Entscheidungen zu treffen. Sei es Anfang der 1990er-Jahre der Bau des Bürger- und Gästehauses, die Entwicklung des Gewerbegebiets im Norden oder zuletzt das Wasengärtle, wo auch Mehrfamilienhäuser entstehen. Ein mutiger Schritt war auch, die Hebelschule im Pilotprojekt zur Gemeinschaftsschule umzuwandeln. Damit haben wir für Schliengen Alleinstellungsmerkmale geschaffen, das gleiche gilt für den Ruhewald bei Bürgeln oder den Naturkindergarten.

Froh bin ich auch, dass wir die Kindergarten- und Grundschulstandorte in den Ortsteilen erhalten konnten, die zu Beginn meiner Amtszeit schwer auf der Kippe standen. Für mich war aber immer klar: Kindergärten und Grundschulen müssen in den Dörfern bleiben, und das hat sich auch als richtig erwiesen.

Frage: Ihr autoritärer Führungsstil und Alleingänge sorgten aber auch immer wieder für Kritik.

Da halte ich dagegen, dass vieles durch meine Autorität und Kraft erst möglich und durchsetzbar war. Ich beobachte heute mit Sorge, dass auf Landes- und Bundesebene vieles endlos diskutiert wird und viel Zeit verloren geht, bis wichtige Dinge realisiert werden können. Ich bin froh, dass ich zur rechten Zeit im Amt war und der Ort zu mir gepasst hat: In Schliengen konnte ich noch viel gestalten und entwickeln. Dazu hatte ich das Glück, ein starkes Rathausteam und sehr loyale Mitarbeiter zu haben, die offen für innovative Ideen waren. Außerdem war ich froh um das breite Vertrauen der Bürger, auch wenn es sicherlich Kritiker meiner Person gab. Das war mir aber immer auch ein Ansporn.

Frage: Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer politisch aktiven Zeit vermissen?

Nicht wirklich. Ich vermisse jedenfalls nicht, etwas zu bewegen, zu gestalten und die Zügel in der Hand zu halten. Ich habe als Bürgermeister 30 Jahre meinen Senf dazugegeben, jetzt ist es auch mal gut und andere sind am Ruder.

Ein politischer Mensch werde ich aber mein Leben lang bleiben. Als Friedrich Merz zum neuen Chef der CDU gewählt wurde, habe ich mir mal vorsorglich einen Mitgliedsantrag ausgedruckt. Wer weiß, vielleicht kehre ich doch einmal zu meinen Parteiwurzeln zurück.

Frage: Pflegen Sie noch Kontakte zu früheren Weggefährten, auch zu denen in Stuttgart?

Ja, mit einigen treffe ich mich immer mal wieder oder wir halten Kontakt über Telefon. Ich habe erst kürzlich mal wieder im Landtag vorbeigeschaut, aber die bekannten Gesichter werden weniger.

Frage: Wie verbringen Sie Ihre Zeit? Ist Ihnen nicht manchmal langweilig?

Überhaupt nicht! Ob Büroarbeit oder Golfen, es gibt immer was zu tun. Als ich in Rente ging, hatte ich zudem ein paar Angebote aus der Wirtschaft, in verschiedenen Gremien mitzuarbeiten. Darum habe ich mich mit einem Beratungsbüro selbstständig gemacht. Mein Credo lautet: Immer offen für Neues sein.

Frage: Wen beraten Sie? Wie sieht Ihre Beratertätigkeit konkret aus?

Ich berate Unternehmen beispielsweise bei Grundstücksfragen, bei der Strategieentwicklung oder zum Konsumverhalten. Es ist ein schönes Gefühl, noch gefragt zu sein.

Und auch darüber hinaus ist mein Tag gut gefüllt. Ich gehe zum Baden in die Therme oder treffe mich zum Skatabend mit Freunden. Und ich bin nach wie vor sehr interessiert, was in der Welt passiert und lese mehrere Zeitungen. Am Wochenende bin ich aus Interesse zur Corona-Demo nach Freiburg gefahren, weil ich mir selbst einmal ein Bild machen wollte. Ich teile die Meinung dieser Menschen nicht, aber akzeptiere sie. Vor allem habe ich gesehen, dass in erster Linie Normalbürger und keine Radikalen auf die Straße gehen, und ich denke, dass man diese Leute ernst nehmen muss.

Frage: Laufen Sie immer noch täglich zehn Kilometer?

Ja, ich bin täglich mindestens zehn bis zwölf Kilometer unterwegs, im vergangenen Jahr nur an zwei Tagen nicht. Das Spazierengehen hat mir schon im Amt geholfen, den Kopf frei zu bekommen und Ärger abzuschütteln. Leider hilft es nicht wirklich beim Abnehmen, dafür bin ich einfach zu sehr Genussmensch (lacht). Aber bisher ist mein Arzt zufrieden mit mir.

Frage: Sind Sie eigentlich noch DRK-Kreisvorsitzender?

Ja, ich bin nach wie vor Vorsitzender des DRK-Kreisverbands und vom Bürgelnbund. Es ist schön, dass ich dafür jetzt mehr Zeit habe. Außerdem bin ich der Meinung: Ich hatte Glück mit meinem Beruf und meiner Familie, da kann ich mich auch ehrenamtlich noch einbringen.

Frage: Wie und wo feiern Sie heute Ihren runden Geburtstag?

Eigentlich hatten wir eine Feier mit Familie und Freunden im „Ochsen“ in Feldberg geplant, haben sie aber wegen Corona abgesagt. Jetzt fahren meine Frau Marita und ich nach Freiburg und machen uns einen schönen Tag, am Abend feiern wir mit der Familie im kleinen Kreis.

Frage: Schliengen ist Wachstumsgemeinde und knackt demnächst die 6000-Einwohner-Marke dank der Baugebiete, die Sie damals noch mit dem Gemeinderat vorangebracht haben. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Kommune?

Der Wachstumskurs ist richtig. Dank der Einwohnerzahlen ist Schliengen zum Beispiel auch bestens versorgt, was Einkaufsmärkte angeht. Und ohne diese gute Entwicklung hätte sich wahrscheinlich auch das Unternehmen Hieber nicht dazu entschieden, hier Mitte März einen Markt zu eröffnen.

Die Gemeinde hat die Verpflichtung, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, seien es Einzel- oder Mehrfamilienhäuser. Bis heute übersteigt die Nachfrage das Angebot, was sich auch in der Preistreiberei niederschlägt. Das lässt sich nur ändern, wenn es mehr Wohnraum gibt. In Schliengen sehe ich die Möglichkeiten für eine Bebauung an den Rändern allerdings weitgehend ausgeschöpft, hier wird die Innenverdichtung künftig eine wichtige Rolle spielen. Klar ist, dass mit dem Zuwachs auch die Infrastruktur mitwachsen muss. Hier gilt es, Lösungen zu finden.

Frage: Geben Sie hin und wieder Ihrem Nachfolger Ratschläge?

Wir treffen uns ab und zu und tauschen uns aus. Da gebe ich aber keine Ratschläge, sondern sage meine Meinung, wenn ich gefragt werde.

Es ist gut, wenn man seinen eigenen Weg findet und wenn sich Rentner zurückhalten. Ich will mich aus dem politischen Geschehen raushalten. In jedem Neuanfang liegt eine große Chance und das ist vor zwei Jahren gut gelungen.

Frage: Was wünschen Sie sich für Schliengen?

Dass die Gemeinde sich weiterhin positiv entwickelt und die Bürger weiterhin Vertrauen in die Verantwortlichen haben, sei es Gemeindeverwaltung oder Schule.

Vor allem wünsche ich mir aber für uns alle, dass wir die Pandemie bald hinter uns lassen und das gesellige Dorfleben mit all seinen bunten Facetten wieder zurückkehren kann. Dann könnten meine Frau und ich auch endlich unsere Kreuzfahrt nach Island antreten, das hatten wir ursprünglich schon fürs Frühjahr 2020 geplant.

Werner Bundschuh, geboren am 3. Februar 1952 in Hardheim im Neckar-Odenwaldkreis, verheiratet, Vater von drei Söhnen, Ausbildung als Landwirt und Ausbildung als Vermessungstechniker

1978 bis 1984 Kreisgeschäftsführer der CDU Neckar-Odenwaldkreis

Von 1984 bis 1989 Leiter des Büros des CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Lothar Späth in Stuttgart

Von 1989 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Schliengen sowie Vorsitzender des Zweckverbands Gruppenwasserversorgungsverband Hohlebach-Kandertal und des Abwasserzweckverbands Hohlebachtal.

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